Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 3

Die Ausstattung des Bandes ist hervorragend. Man kann nur bedauern, daß der Preis vielen die Anschaffung unmöglich machen wird. G. R. Lothar Sdireyer, Erinnerungen an Sturm und Bauhaus. Langen-Müller-Verlag, München, 1956. Zuerst mußte der Sturm über das satte Europa fegen. Oskar Kokoschka mußte kommen und die Dekadence dieser Welt offenbaren. Herwarth Wai den mußte aufstehen und den Vorhang zerreißen vor der schaurigen Wirklichkeit, Jahre bevor der Weltkrieg sie auch den Toren enthüllen .sollte. Dann erst konnte man zu neuen Zielen aufbrechen, zum Wortkunstwerk und zum neuen Bild. Dann erst konnte der kühne Versuch des Bauhauses gewagt werden. Was war das Bauhaus? „Vom Bauhaus und seiner Kunst wußten viele Menschen, die nicht zu ihm .gehörten, vieles. Wer aber wußte von dem Menschlichen, Geistigen, aus dem unsere Kunst kam?" — so fragt Lothar Schreyer und gibt in diesem Buch Antwort zugleich. Und für uns Junge werden aus Etiketten von Ent würfen und Bildern Namen lebendiger Gestalten und hinter Werken, die uns etwas bedeuten, er stehen Mensdien, die wir respektieren: Wassily Kandinsky, der intellektuelle und zu^eidi leiden schaftliche Programmatiker; Paul Klee, der die Ge heimnisse der Urbilderwelt Schauende; Oskar Schlemmer, der den Bühnenraum als Entsprechung des kosmischen Raumes Abtastende; Lyonel Fei ninger, der in Sinnbildern das Transzendente Suchende. Da ist aber auch die Gegenseite: Walter Gropius selbst, der sich aufmacht, das Menschen haus zu bauen und schließlich die Wohnmaschine fabriziert, Laszlo Moholy-Nagy, der eiskalt den „Aberglauben" von einer Seele im Menschen zer stören will. Wir spüren: hier prallen geistige Mächte aufeinander. Und so wird auch die Krise des Bau hauses deutlich, die zur Trennung von Kirnst und Handwerk und zur Verbindung: von Kunst und Industrie führen und schließlich das Bauhaus spren gen sollte. Die Problematik der modernen Kunst wird grell beleuchtet. Aber dieses Buch gibt nicht nur Erinnerungen an Sturm und Bauhaus. Es ist auch eine Confessio, die mit heißem Atem und leidenschaftlichem Herzen geschrieben ist. Da ist einer aufgebrochen, der letzte Ziele sucht. Plötzlich ist er ihnen nahe, in einer nächt lichen „Sturm-Fahrt", mitten im hektischen Ver gnügungstaumel des Nachkriegs-Berlin. Da ist einer, der singt, ein kleiner dicklicher Neger nur, aber sein Singen, sein Schluchzen und Jubeln geschieht vor Gott. Zu diesem Ziel ist auch Lothar Schreyer aufge brochen. G. R. Heimatkunde Reclams Kunstführer, Baudenkmäler: Band 1/ Bayern; bearbeitet von Dr. Alexander Freiherrn von Reitzenstein und Dr. Herbert Brunner; 800 Sei ten mit 58 Abbildungen im Text und 64 Tafeln, so wie 2 Übersichtskarten; Reclam Verlag, Stuttgart, Ganzleinen, DM 12.80. In alphabetischer Reihenfolge werden die bedeu tenderen Orte Bayerns mit ihren sehenswerten Bau denkmälern vor dem Leser lebendig. Schon die Lek türe daheim bereitet Freude, als Begleiter erhöht dieser Führer den Gtenuß einer Kunstfahrt durch Bayern. Zunächst wird in knappen Sätzen die Ge schichte des Ortes dargelegt, dann der Kunstbestand eingehend und in lebendiger, anschaulicher Sprache behandelt. Das Hauptthema des Führers ist die hi storische Architektur, doch wird auch die neue und neueste, jene des 19. und 20. Jahrhunderts, wenigstens in ihren auffälligsten Erscheinungen, be rücksichtigt. Bei der engen Verbindung der Bau kunst mit den anderen bildenden Künsten wird auch die „Ausstattung" der Bauwerke mit Schöpfungen der Plastik und Malerei in knappen Worten gewür digt. Die ^ Verwertung erstklassiger literarischer Quellen, wie des Dehio-Gallschen Handbuches der deutschen Kunstdenkmäler, der Führer zu großen Baudenkmälern des Deutschen Kunstverlages, der Kunstführer des Verlages Schnell und Steiner, u. a., gibt die Gewähr glroßer Zuverlässigkeit der Anga ben. Ein idealer Kxmstführer, dessen weitere Bände (Band Il/Südwestdeutschlanci, Band III/Nordwestdeutschland. Band IV/Berlin) mit Freude und Span nung erwartet werden. Erich Egg, Aus der Geschichte des Bauhandwerks in Tirol; 4. Folge der Tiroler Wirtschaftsstudien; Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1957, 110 Seiten mit 28 Bildtafeln und zahlreichen Abbildun gen im Text, broschiert, S 96.—. Wie der Verfasser selbst ausführt, baute man früher nicht nur aus der Notwendigkeit, nur um zu wohnen, sondern aus „Lust", aus der Freude an der Schönheit des Werks. So ist mit dem Bau not wendigerweise die Kunst verbunden. Ja, die Bau kunst ist die erste aller Künste, denn auch die Plastik und die Malerei braucht einen bergenden Raum. Die Baukunst erfordert aber auch ein besonderes hand werkliches Können. Das Handwerk der Maurer und Steinmetzen, der Stukkatorer und Zimmerleute ist darum der breite Boden, auf dem die Baukunst auf steigen konnte. Diese Zeit will das vorliegende Buch wieder auf leben lassen, die Zeit, in welcher die Dome und Münster, die Dorfkirchen und Schlösser erbaut wurden. Dabei steht immer der Kirchenbau voran, weil im Mittelalter die Kärche nicht nur Gotteshaus, sondern auch Zentrum der Gemeinschaft war. Man maß das Ansehen und die Macht eines Ortes nach der Größe und Stellung seiner Kirche. Eine gewal tige Organisation umschloß alle Bauhandwerker in den deutschen Landen. Von der großen Gesamtor ganisation bis zur kleinsten Gemeinschaft, der Bau hütte, herab wird hier berichtet, von Werkzeug und Technik, vom Material und nicht zuletzt von den Menschen: den Maurern, Steinmetzen und Stukkatoren. Dabei berücksichtigt der Verfasser nicht so sehr die Kunstgeschichte, sondern vor allem die Wirtschaftsgeschichte; denn in den beiden großen Blütezeiten der Spätgotik und des Barocks spielte das Bauhandwerk auch wirtschaftlich eine große Rolle für das Land. Den Rahmen bildet das deutsche Sprachgebiet, im kleinen Bereich aber Tirol, weil hier wie in kaum einem anderen Land Urkunden und Schriften aller Art über das Bauhandwerk er halten sind und weil dieses Land für die zwischen Nord und Süd, zwischen Deutschland und Italien, hin- und wi€!derströmenden Baubewegungen immer die breite Durchzugstraße, die verbindende Brücke war. Wenn auch die Abhandlung nicht Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, ist dodi das Land Tirol um diese Arbeit zu beneiden und dem Verfasser für diese Mühe zu danken. Er zeigt interessante Zu sammenhänge zwischen den verschiedenen Bau hütten auf und bringt instruktive Schilderungen 30

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