KRITIK Peter Metz, Das Goldene Evangelienbudi von E<^- ternach im Germaniscfaen Nationalmuseum zu Nürn bergs» Prestel-Verlag, München 1956, 112 Seiten Text, 13 Farbtafeln und 96 Abbildungen. Die verlegerische Buchgestaltung verdient hohes Lob. Bei den Farbreproduktionen scheint tatsächlich das Beste geleistet worden zu sein, was die Tech nik augenblicklich vermag. Sehr anerkennenswert ist es auch, daß die Mittel in den Dienst des Werkes gestellt wurden xmd nicht etwa selber dominieren. Leider läßt sich dasselbe nicht von dem Text, von der Interpretation dieser illuminierten Hand schrift aus dem 3. Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts durch P. Metz sagen. Wenn Metz in der Einführung erklärt, daß er sein Bemühen darein setzen wird, „das ^anzvolle Denkmal aus der Vergangenheit gleichsam in die Gegenwart heraufzuholen" (S. 13), so ist solche Ankündigung zunächst durchaus zu be grüßen. Denn zweifellos wäre es ein Unding, dieses Zeugnis frühmittelalterlicher Frömmigkeit nur von der kunstgeschichtlichen Seite her würdigen zu wollen (eine derartige Untersuchung soll nachfolgen, siehe Seite 7). Wenn aber L. Grote im Vorwort be reits vermerkt, daß „der Kodex als Ganzes, wie in seinen Teilen, als Symbol mittelalterlicher Theologie gedeutet" werden wird. (S 7), so müssen dem Ken ner des Buches und seiner Bilder schon erhebliche Zweifel aufsteigen. Metz breitet in dem ersten Kapitel „Idee und Ge stalt" eingehend das symbolische Erleben und Ge stalten des Mittelalters aus und will darin zugleich die Struktur des mittelalterlichen Weltbildes er kennen. Dann geht er in dem Kapitel „Das Buch" dem Kodex im ganzen und im einzelnen, namentlich den Bildern, mit einem ganzen Arsenal von symbo lischen Bedeutungen zu Leibe. Farben und Matera lien spielen die Hauptrolle, aber auch das Buch als solches, die Kathedrale und vieles mehr werden bemüht. Man muß sich die Ungeheuerlichkeit eines solchen Vorgehens einmal gründlich klarmachen. Der wesentliche Inialt des Kodex sind die vier kanonischen Evangelien und ein umfangreicher Bil derzyklus, der sich eng an die evangelischen Texte hält und durch eindeutige Beischriften auch nicht den geringsten Zweifel ob des Inhalts auflcommen läßt. Das Buch enthält also in Wort und Bild so un mittelbar wie möglich die höchsten und unwandel baren Glaubenswahrheiten. Und diese Glaubens wahrheiten will Metz durch Klärung der Sympolsprache aus der Vergangenheit in die Gegenwart heraufholen?! Was ist denn an dem Kodex Vergan genheit? In erster Linie das, was wir gemeinhin „Stil" nennen. Und was ist das Charakteristische des ottonischen Stils? Die möglichst umwe^ose, d.h. Körper und Raum vernachlässigende Umsetzung er erzählter Heilsbegebenheiten ins Bild, in bewegte Figuren, in Gestalten, die mit Gebärden ihre Taten und Worte möglichst sinnfällig ausdrücken, und in sonstige Bildmotive, die zum Verständnis des Gan zen unentbehrlich sind. Wollte man also den Kodex in die Gegenwart heraufholen, so müßte man be müht sein, dem modernen Leser und Betrachter die Augen gerade für diese Unmittelbarkeit zu öffnen. Und nun könnte auch von symbolischen Bedeutun gen die Rede sein, aber wohlgemerkt: erst in zweiter oder dritter Linie. Weiter: wenn Metz im Anfangskapitel den Ein druck zu erwechen versucht, daß symbolische Be deutungen prinzipiell unabdingbar sind vom rechten Verständnis für die mittelalterliche Geisteswelt, daß sie sozusagen ins Zentrum dieser Geisteswelt hineinführen, so stimmt das einfach nicht. Der Kern des geistigen Lebens sind die christlichen Glaubens wahrheiten als solche. Und um sie kreist zunächst die Scholastik, in der die Wahrheiten ihre mehr cxier weniger zeitbedingte Form erhalten. Was aber daim den Apparat von symbolischen Be deutungen angeht, mit dem Metz operiert, so ist er in mehr als einer Hinsicht äußerst fragwürdig. Metz wirft alle Symbolik, vom Alten Testament über die Spätantike bis hin zur Gotik in einen Topf, um da herauszuholen, was mit einiger Phantasie ge rade passen könnte. Das verstößt gröblich gegen un ser allgemeinstes Wissen von den Epochen. Die Spätantike hat zum Beispiel ganz andere Symbol werte bevorzugt als Byzanz, und im Abendland un terscheiden sich die karolingische, die ottoniache und die gotische Zeit wieder sehr merklich voneinander. Wollte man also den Kodex auf symbolische Be deutungen hin untersuchen, so müßte man zunächst einmal feststellen, welche Symbolik denn überhaupt zu seiner Zeit lebendig war. Und eine solche Un tersuchung könnte nicht etwa allein an Hand gelehr ter Abhandlungen vorgenommen werden — darin dürfte nahezu jegliche Symbolik durehgetr^en sein —, sondern sie müßte vor allem auf einer vergleichenden Betrachtung der immanenten Be züge in Werken derselbe Zeit und verschiedener Epochen fußen. An vergleichender Betrachtung fehlt es bei Metz aber fast völlig. Es fehlt daran derart, daß er nicht einmal bei seinen Interpretationen, so zum Beispiel beim Jo hannesbild (Seite 72 f), zur Probe aufs Exempel alle gleichen und ähnlichen Einzelformen derselben Handschrift, geschweige denn Evanjgelistenbilder der Echtemacher Malschule im allgemeinen, anderer oder früherer Werkstätten herangezogen hat. Es wäre ihm dann sicherlich selber aufgefallen, daß seine Deutung so gut wie aller Stichhaltigkeit ent behrt. Arkadengestalt, Fensterzahl, Fußplattenbe handlung und Figur der Evangelisten sind dauern dem Wechsel unterworfen. Unmöglich kann in je der Form- und Farbänderung gleich tiefere Be deutung stecken. Man muß dem Mittelalter einfach ein reges Variations- imd Schmuckbedürfnis zugestehen^ wobei unter Schmücken durchaus nicht et was Äußerliches, sondern vielmehr eine feierlich festliche Würdigung bestimmter Inhalte zu begrei- *fen ist. Das alles wäre ncxh als gewisse Überstei gerung und damit ohne viel Widerspruch hinzu nehmen. Unser Ausdruck „ungeheuerlich" bezieht sich atißer auf den Ansatz der Untersuchung, prak tisch auf weit Schlimmeres: das einfache Er kenntnisvermögen des Verfassers (und damit wo möglich auch das des Lesers) — fällt seiner eigenen Methode zum Opfer. Metz mißdeutet das eindeutige Wort und verfälscht und erstickt die ebenso schlich ten wie tiefgründigen Bildinhalte. Dagegen ist ener gisch Front zu machen. Gleich bei dem ersten Bilderi>aar hören wir viel über die Farbbedeutungen und die Inhalte im ein zelnen (Seite 44 ff.). Mitten darin heißt es, daß die Evangelistensjnnbole „gleichsam als Thron den blauen Thron des Himmels tragen, in dessen Mitte, mitgetragen von den Propheten, die Herrlichkeit des Herrn erscheint". Es wird auch die Inschrift zi tiert. Und abschließend wird gesagt, daß die Bilder 26
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