Dr. Heinrich Kahlefeid (München) Christus und der Altar Die folgende Überlegung hält sich im Bereidi der Theologie. Sie verzichtet darauf, bei den Fragen, die unsere Architekten, Bildhauer und Maler heute wieder in ähnlicher Weise wie in den zwanziger Jahren bewegen, „mitzureden". Aber sie sagt das Ihre. Der Gottesdienst der Kirdie ist ja ihre Sache, und er ist es nicht nur in seinem innersten dogmatischen Kernbestand, sondern in allen seinen wesentlichen Akten. Sie hat die Quellen zur Verfügung, um die Vor gänge nidit nur nach Ausgangspunkt, Bewe gungsverlauf, Verdichtungsstellen und Aus strahlung zu beschreiben, sondern sie auf ihren Gnadencharakter hin zu interpretieren. Sie hat die Kompetenz, etwa die Stelle des Altares imd eine sachgerechte Aufstellung der Gemeinde zu erörtern; sie ist sogar imstande, so etwas wie den „Ort Christi" im Raum der Versammlung, wie immer er architektonisch geartet sei, anzu deuten. Gewiß kann ein Architekt mit gutem Recht überzeugt sein, er wisse, wie eine Kirche zu bauen sei; bei genauerem Zusehen zeigt sidi aber, daß er es zu einem guten Teil deshalb weiß, weil er als Christ teilhat am theologischen Denken. Ein Zweites ist zu beachten: Die heilige Über lieferung bindet nicht nur den Theologen; auch der Architekt, der Maler und der Bildhauer ist durch sie verpflichtet. Zu fragen ist aber, was die verbindliche Überlieferung sei. Man ver wechselt leicht das Herkommen, den Brauch, die Stilprägung, mit dem, was die Kirche Überlieferimg nennt. Wir sollten den Mut haben, bei allem schuldigen Respekt vor den Doku menten einer 1500jährigen Bau- xmd Kunstge schichte nach dem zu fragen, was imter allen Prägimgen der großen Epochen her als Über lieferungsstrom durch die Jahrhunderte läuft. Es könnte nützlich sein, noch vor die Zeit der ersten markanten Prägung, nämlich die der konstantinischen Basilika, zurückzugehen und zu fragen, was seit der Apostelzeit als wesent liches Gut mitgetragen worden ist. Nicht daß wir selber auf architektonische und bildnerische Prägimg verzichten sollten, aber wir müssen eine solche so gründlich wie möglich ansetzen, müssen also das wesentliche Überlieferungsgut selber in den Blick bekommen. Wahrscheinlich entsteht so allein die Möglichkeit, in einem lan gen und geduldigen Prozeß einen unserer heu tigen bildnerischen Sprache angemessenen Stil zu flnden. 1. Klar steht im Bewußtsein der Gläubigen, daß ihr Gottesdienst in Christus seine !^itte hat. Aber wohin wendet sich der Blick, wenn er sich auf Christus sammeln will? Genügt es zu sagen, er binde sich an die sakramentalen Grestalten von Brot und Wein? Wohin redet die Kirche, wenn sie zu Beginn der Feier die eindringlichen Rufe erhebt: „Herr, Christus, erbarme Dich!"? Das ist die Frage nach dem Ort des lebendigen Christus. Wir hören zunächst ein Beispiel aus der frühesten Verkündigung, wie sie uns die Apostel geschichtein den Reden des hl. Petrus, des Stephanus und des Paulus überliefert. „Wir sind Zeugen", sagen die Apostel, „von allem, was Jesus getan im Lande der Judäer und in Jerusalem, Er, den sie dann am Holze aufgehängt imd getötet haben. Diesen hat Gott erweckt am dritten Tage imd Ihm verliehen, daß Er erscheine, nicht dem ganzen Volke, sondern den zuvor von Gott erwählten Zeugen, uns, als welche wir mit Ihm zusammen gegessen und ge trunken haben, nachdem !Er von den Toten auferstanden war . . . Dieser ist von Gott gesetzt zum Richter der Lebendigen und der Toten." (10, 39—42.) Die Apostel bezeugen also, was mit Jesus ge schehen ist, wie die Menschen mit Ihm ver fahren sind und was darauf Gott mit Ihm getan hat. Er hat den Hingerichteten aus dem Toten reich ins Leben zurückgerufen und hat Ihn ent rückt in die eigene Sphäre. Von dorther läßt Er Ihn den erwählten Zeugen sichtbar werden, läßt Ihn aufs neue die Gemeinschaft des Mahles mit ihnen schließen und macht sie gewiß, daß dieser ihr Meister, wie Er in den Worten vom „Menschensohn" es angekündigt hatte, einst als Weltenrichter kommen werde. Die Evangelien treten mit einer Reihe von Berichten über Begegnungen mit dem Auf erstandenen diesem Zeugnis der Apostel bei. Sie bekunden nicht nur die Tatsache der Auferweckung Jesu, sondern zeigen zugleich, was sie für Ihn und für die Jünger bedeutet. 1. Jesus ist lebendig in der vollmenschlichen Wesenheit. Die Male der Wunden erweisen die Selbigkeit des Leibes. Die leibhaftige Erschei nung schließt ein, daß das Grab leer ist. 2. Jesus war durch Seinen Tod dem Greschichtsprozeß entzogen worden. Handeln konnte man nur noch an Seinem Leibe, und 1
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