ist zugleich Heimholung. Die stummen Dinge gewinnen Sprache durch den Menschen. Das ist der Sinn jener buddhistischen Geschichte von der Harfe, gefertigt aus dem Holz des könig lichen Baumes, der auf einer Berghohe den Forst überragt hatte. Kein Spieler vermochte die Harfe zum Tönen zu bringen, bis die Hand des Meisters sie erweckte — die Hand dessen, der in seiner Seele die Macht der Winterstürme und die Lieblichkeit der warmen Jahreszeit trug, die einst den Mutterbaum genährt und umspielt hatten. Analogie des Seins — das ist zunächst der auf Verhältnisgleichheit beruhende Hinweis der Schöpfung auf Gott als den Schöpfer. Im Kunst werk ist der allem Seienden innewohnende Ver weisungsbezug in besonderer Weise ausgeprägt. Diese theologische Ausrichtung des analogischen Bezugs im künstlerischen Gebilde verlangt aber als Gegenstück und Ergänzung eine zweite Ver weisungsrichtung: sie verknüpft das vom Men schen geformte Gebild mit der Welt, aus der es hervorwächst. Schließlich rundet sich das Bild mit der Eröffnung einer dritten Dimension ana logischer Bezogenheit: im Kunstwerk mani festiert sich die schöpferische Tiefe der mensch lichen Subjektivität; weswegen die Kunst zum Erlebnisausdruck, ja zum Bekenntnis werden kann. Diese drei analogischen Beziehungen be stimmen Natur und Ort des Kunstwerks in einem metaphysisch gedachten Rahmen — und kein anderer Rahmen ist weit genug, diesen Ge genstand aufzunehmen. Wo immer Kunst sich realisiert, da finden sich auch die drei Bezie hungsdimensionen. Aber ihre relative Bedeu tung und ihr gegenseitiges Verhältnis unterliegt der geschichtlichen Abwandlung. Das Hervortreten oder Zurücktreten der ersten analogischen Dimension, des göttlichen Bezugs, hat keinen eindeutig-historischen Sinn. Der Unterschied zwischen sakraler und säku larer Kunst zeigt sich früh, und nirgends hat er eine absolute Bedeutung. In der Reihe der Kunstformen verliert sich das eine Extrem in kultischer Übung, das andere in Unterhaltung. Im Wandel des Verhältnisses aber von Welt bezug und Ichbezug liegt, das hat Hegel mit großartiger Intuition erkannt, der eigentliche Schlüssel zum Verständnis der Entwicklungsge schichte der Kunst, die, allen Kulturzyklentheo rien zum Trotz und unbeschadet des Wechsels von Blütezeiten und Verfallszeiten, eine eindeu tige Gerichtetheit erkennen läßt. Am Anfang steht die Bezauberung durch die Dinge und Wesen der Welt, mit mehr oder minder entschie dener Hervorhebung des Bezugs zu ihrem transzendenten Ursprung. Der Künstler bleibt anonym. Wahrer und Pfieger einer gesellschaft lich eingebetteten, zunftmäßig gesicherten Tra dition, Verwalter einer durch Generationen hin durch verfeinerten, tief in Brauchtum und Glau ben verwurzelten Technik. Diese Schilderung trifft für die gesamte orientalische und im we sentlichen noch für die griechische Kunst zu, darüber hinaus für alle als archaisch zu bezeich nende Kunstübung. Dann tritt die zuerst ver borgene aber immer mitwirkende Subjektivität schrittweise in Erscheinung, ein Prozeß, der in die Geschichte des menschlichen Selbstbewußt seins hineingehört. Das israelitische Prophetentum, die griechische Philosophie und das christ liche Evangelium bezeichnen die entscheidenden Etappen dieser fortschreitenden Entwicklung, die, wie das Denken der Menschheit, so auch ihre Kunstübung zu verwandeln bestimmt war. Die Beseelung der Welt, die die christlich mittelalterliche Kunst über die griechische Voll kommenheit hinaushebt und dann an der Schwelle der Neuzeit die Entwicklung der Individualstile — das sind Phasen der Geschichte des Wachstums der Subjektivität. Mit der mo dernen Kunst und ihrem Versuch, sich von ge genständlicher Darstellung überhaupt loszu lösen, scheint diese Geschichte einen kritischen Punkt erreicht zu haben. Will die moderne Kunst den Weltbezug aufheben, um aus der Innerlich keit parthenogenetisch zu produzieren? Das wäre ein selbstmörderisches Unternehmen. Ver sucht sie, sich unter Losreißung von der konventionalisierten Oberfiächenerscheinung der Dinge zu einer tieferen Berührung mit ihnen zu sammeln? Das ist die Richtung, in der sich die wahrhaft schöpferischen Meister der modernen Malerei, mit Cezanne an der Spitze, bewegen. Das Wissen um die kunstschöpferische Kraft der Subjektivität hat nicht nur die Kunstübung selbst revolutioniert. Sie hat erst ins Bewußt sein gehoben, was Kunst eigentlich ist. Nicht zufälligerweise ist die Ästhetik, zur philosophi schen Disziplin entwickelt, als Zwillingsschwe ster einer subjektiven, vorromantischen und romantischen Kunstübung zur Welt gekommen. Diesem ihrem Ursprung gemäß hängt ihr die Neigung zu bestimmten Irrtümern an. Sie ist in Gefahr, Kunst mit moderner Erlebniskunst gleichzusetzen. Aber ihr bleibt das Verdienst, mit der Entdeckung der dritten analogischen Dimension den Wesensgrund der Kunst aufge deckt und der philosophischen Erforschung zu gänglich gemacht zu haben. 18
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