darunter Autoren, die die ganze innere Groß zügigkeit dieses Seelsorgers erfordern, um sie zu akzeptieren, von Dostojewski] über Poe zu Wedekind, Strindberg, Flaubert, bis zu Kleist und Kaflca. Der Sammlimg nutzt diese genaue Kenntnis des Illustrators Kubin. Sie enthält Blätter zum „Don Quichote", zu Gullivers Reisen — „Brobdignac", zu E. Th. Hofmann, zu Kubins eigenem Roman, der „Anderen Seite", in der Aufstieg und Untergang der Traumstadt Perle geschildert wird. Auch einige Blätter aus dem "Umkreis der Bibel sind vorhanden, die Kubin immer wieder zu phantastischen Blättern ange regt hat, besonders die Erzählerfreude des „Alten Testamentes", aber auch „Salome" hat er gezeichnet und „Golgatha". Sitzt man abends in der Studierstube des Pfarrers beim Licht der Tischlampe, so sehen die großartigsten Blätter wie die „Marter der hei ligen Agathe" oder der „Leichenzug" imter dem Schleier der Dunkelheit den Betrachtern der Mappen zu. Die letzte, die mit den Lithogra phien, wird hervorgeholt. Von überall her hat sie Alois Samhaber erworben, in einer Zeit, als Kubins Kunst nicht hoch im Kurs stand. Man spürt die Liebe des Sammlers an der sorgfältigen Art, mit der sie in blendend weiße Passepartouts gelegt sind, aus denen das tiefe Schwarz der meist in Passau bei einem vertrauten Drucker abgezogenen Lithographien herausspringt. Die Federlithographie erwies sich als das für Kubins Zeichenweise geeignetetste graphische Medium. Die Frische des Striches blieb erhalten und das Schwarz nahm im Druck eine unper sönlichere Färbung an, wirkte gleichmäßiger als der von Temperament geladene Federstrich. Daß die Zeichnung spiegelverkehrt druckt, trägt dazu bei, das Motiv in eine noch weitere Distanz zu rücken, es fremder und ferner erscheinen zu lassen. Es ist, als ob Kubin uns selbst beim Blättern zusähe. Man versteht ihn in dieser, seiner Um welt, im reinen Medium dieser Sammlung bes ser. Denn das ist die große Leistung dieses so bescheiden wirkenden, allem Künstlerischen auf geschlossenen Mannes, daß er das Wesen dieses Künstlers zutiefst verstanden hat, besser viel leicht als Kubin sich selbst versteht. Der Klang ist ganz rein. Kubin weiß das zu schätzen und hat von einem gewissen Zeitpunkt an dem Pfarrer einige der besten Blätter gegeben, die er noch besaß, auch einige der frühesten, aus der Münchner Zeit. Ge spenstische, braunlavierte Federzeichnungen und Gouachen in einer von Kubin erfundenen Kleisterfarbentechnik. Dargestellt sind sub marine Wesen, die zwar aus Kubins Phantasie entsprangen, von denen man aber den Ein druck hat, daß sie in der Tiefsee existieren könnten. Sie gehören der surrealen Phase Kubins an, die damals zwar großen Einfluß auf Kandinsky und Klee hatte, heute aber über schätzt wird. Seinen eigenen Stil hat Kubin in den Erschütterimgen des ersten Krieges ge funden, in dem expressiven Strich, der ganz auf dem Kontrast Schwarz-Weiß beruht. In den oberen Gängen des Wernsteiner Pfarr hofes hängen eine Reihe von Blättern aus der spätesten Zeit Kubins. Ein Altersstil ist er reicht, in dem der Ausdruck ganz aus dem Gra phischen lebt, der Strich etwas Unwirkliches, Überwirkliches hat. Man begreift, daß Kubin jetzt nicht mehr dem Gespräch über die Letzten Dinge ausweicht, das er durch Jahrzehnte ver mieden hatte, der bitteren PhUosophie eines Schopenhauer, indischer, chinesischer Weisheit näher als dem christlichen Glauben. Mit krakeliger Altersschrift hat er diese Blät ter zu hohen Festtagen, zu Ostern, zu Weih nachten, an Neujahr, zum Geburtstag dem Pfar rer gewidmet. In diesen zwei Menschen nähern sich zwei Welten. Sie begegnen sich im scheinbar neutralen Bezirk dieser Sammlung, die nicht der Spiegel einer ästhetisch bedingten Passion ist, sondern der einer gegenseitigen Seelsorge. Kubin führt seinen Freund Alois Samhaber in die Be reiche des Dämonischen, in denen er selbst hei misch ist, indem er ihm seine stärksten Zeich nungen anvertraut, die ihm früher dazu gedient haben, den Versuchimgen zu widerstehen, die Dämonen zu bannen. Gleichzeitig faßt er na^ seiner Hand, um die letzten Schritte nicht allein tvm zu müssen. Ein ergreifender Vorgang. Als bleibenden Dank hat er dem Pfarrer die Augen nicht nur für seine, sondern für alle Kunst geöffnet. Unten im Betsaal steht eine schöne gotische Figur, die wieder hergerichtet tmd damit gerettet worden ist, aus dem alten Be sitz der Gemeinde. Daneben hängen Zeichnungen und Bilder junger österreichischer Künstler, wie Fronius und Steinhardt, die hier im Ha^e manchmal zu Gast gewesen sind. Im Arbeits zimmer hat eine gratige Radierung Corinths ihren Platz. An die jimgen Leute im Ort, an manchen Besuch von weither gibt der Pfarrer seine Freude, seine Einsicht weiter. Wenn die Sammlung Samhaber in diesen Monaten in Wien unter der Obhut von Monsignore Mauer einem größeren Kreise sichtbar gemacht wird, wird man begreifen, daß es hier auf dem Wege des Sammeins darum geht, einen ganzen Menschen und eine große Künstlerseele hilfreich zu er fassen. f {
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