Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 2

Künstler begann, vom schelmischen Wesen Kubins durch originielle Züge bereichert. Kubin, der damals noch täglich ein bis zweimal in den Ort herunterstieg, mit den Wirten, den Ladne rinnen plauderte, gab das Blatt beim Vater des Pfarrers, der gerade zu Besuch war, ab; mit dem Bemerken, er wolle es noch immer nicht verkaufen, der Herr Pfarrer möge sich drei Tage daran freuen, dann werde er es wieder holen. Mit einer unschuldigen List kam es dann doch in den Besitz des Pfarrers, der sich von Kubin wünschte, es zu seinem eigenen Geburtstag er werben zu dürfen. In dem sich entwickelnden Verkehr übertrug sich das Unterscheidungsvermögen Kubins ge genüber seinen eigenen Arbeiten auf den Pfar rer. Er begann zu sehen, daß die so spontan wir kenden Tuschzeichnungen auf einer Fülle von Bleistiftskizzen beruhen, die den Traum, die Vi sion, spontan festzuhalten suchen, um sie dann in die gesteigerte Form der Federzeichnung, des aquarellierten Blattes umsetzen zu können. Ent gegen der Einstellung Kubins, der das vollen dete Blatt am höchsten schätzt, die vorbereitende Bleistiftzeichnung als „Schmierskizze" abtut, verfolgte Alois Samhaber die visionäre Grund substanz von Kubins Kunst durch alle Stadien — und sammelte sie. So kam eine ganze Mappe von Bleistiftstudien zusammen, die in der Art der Auswahl, der Zusammenstellung für den Be trachter etwas so Überzeugendes haben, daß sich die Einstellung des Sammlers, ohne viel Worte, auf jeden überträgt, der sie Blatt für Blatt in die Hand nimmt. Obenauf liegt die stärkste die ser Bleistiftzeichnungen der „Tod und der Maler". Herrisch ist der in einen Radmantel ge hüllte Tod vor die Staffelei getreten, auf der ein unvollendetes Bild steht und hat den Fuß auf den am Boden hingestreckten Maler in ma kabrem Triumph gesetzt. Die Nähe des Todes in dem Werk Kubins hat für den Pfarrer, dem Geburt imd Tod, von Taufe und Begräbnis her, ebenso nahe wie ciem Künst ler ist, etwas Verbindendes. Denn es fällt auf, wie Alois Samhaber gerade nach den Blättern gegriffen hat, auf denen sich der Tod sein Opfer mit unerbittlicher Gewalt und unerwartet holt. „Rasch tritt der Tod den Menschen an" könnte über einem Blatt wie der „Tod als Wegelagerer" stehen, das mit über hundert Federzeichnungen in der zweiten, der Federzeichnungsmappe, liegt. Auch hier hat Alois Samhaber eine glückliche Hand gehabt. Es sind Federzeichnungen, die das Spontane der Bleistiftstudie behalten haben, nicht fünfte oder sechste Wiederholung eines einmal gelungenen Motives sind. Wir können Kubin nicht beipflichten, wenn er jungen Aciepten der Zeichenkunst anrät, ihre Erfindungen zu variieren, um zu einem immer klareren, durchsichtigeren Netz von Federstrichen zu kommen, das er seinen Erscheinungen überwirft. Unvergleichlich sind die Blätter, in denen das Österreichische wie in einem Roman von Joseph Roth, einem Essay von Hofmannsthal weiter lebt, die Zeichnung „Königgrätz" zum Beispiel, auf der, in einem Geriesel von feinsten Feder strichen, der Doppeladler auf dem Grenzpfahl umsinkt, zwischen die toten Soldaten des ge schlagenen österreichischen Heeres. Doch ist die Sammlung nicht an die Mappen gebunden. Schon in dem langen, hallenden Gang zu ebener Erde reihen sich die gerahmten Blät ter. Zum Teil sind es vom Sammler sichtlich be vorzugte Werke Kubins, die er täglich einmal mit den Augen streifen möchte, wie die Bleistift zeichnung des „Schlößls", in dem Kubin haust (Abbildung). Auf den ersten Blick wirkt sie fast wie eine Studie nach der Natur, bei näherem Hinsehen aber fangen die Striche an zu züngeln, wie Flammen, und man spürt das geistige Feuer, das Kubin in diesem Hause Tag und Nacht, im Wachen und Träumen, entfacht. Besonders haben den Sammler die Zeichnungen angezogen, in denen Kubin aus der unmittel baren Umgebung, die auch der Sammler ständig vor Augen hat, schöpft. Der „Gasthof Pöppl" am Ort oder Schloß „Goldegg" in der Nähe, die „Mondnacht über Zwickledt", Motive aus Wernstein, die „Pfandlmühle", sind solche Blätter. Die vielen Gerüchte um das „Schlößl", die der Pfarrer alle kennt, haben in dem „Geflüster ums Haus" ihren Niederschlag gefunden, ein Blatt, das ihm hilft, das Unsinnige, Gespenstische des Geredes um Kubin zu erkennen, es mit einem Wort wegzuwischen. Man hat das Gefühl, hier lebt jemand in der Welt Kubins, weiß nun wie er in Bildern zu denken, die oft Chiffren einer anderen Welt sind, Botschaften. Die Zeichnun gen, die Selbstbildnischarakter haben, wie der „Verbummelte Zauberer", sind diesem Sammler ein Hinweis auf das innerste Wesen dieses Künstlers, auf seine Seele, die manchmal weit weg von Zwickledt schweift und Bilder von der Reise mitbringt, wie die „Chinesische Dschunke", das „Männchen im Monde", das „Malayische Variete". Im Laufe der Jahre haben die Antiquare in Wien, in München, Berlin und der Schweiz den Namen des Kubinsammlers Alois Samhaber in Wernstein in ihre Kartotheken aufgenommen, und er zieht aus den vielen Katalogen, die ihm zugesandt werden, immer weitere Ergänzungen für seine Bibliothek von Büchern, die Kubin illustriert hat. Es sind jetzt über hundertfünfzig.

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