Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 2

ihm entwickelten Technik des Schablonendrudcs (Riffel-Grafik) ausführte. Was die Arbeiten Ritters vor den meisten aus zeichnet, die heute für den sakralen Raum ge schaffen werden, ist ihre schlichte Würde, ihre Haltung, die Größe hat, ohne monumental pathetisch zu wirken, und menschlich ist, ohne deswegen kitschig-süßlich zu sein. Dr. Erhard Göpel (München) Sammeln als Aufgabe Die Kubin-Sammlung des Geisflichen Rafes Alois Samhaber Otto Wilhelm Gauß freundschaftlich gewidmet Mit der breiten Front zum schnellfließenden Inn lagert sidi das Pfarrhaus von Wernstein an die Uferstraße. Hier wohnt der Geist liche Rat Alois Samhaber, der Pfarrer von Wernstein. Jenseits des Flusses, auf der deut schen Seite ragt die Neuburg über der steilen Schlucht auf. Diesseits steigt das Gelände zur barocken Pfarrkirche an, die der Friedhof um gibt. Schmale Wege führen die kleinen Täler hinauf, zu den Hügelrüd^en, auf denen sich Waldstücke hinziehen, von Weilern durchsetzt. Wenn am Sonntag, am frühen Nachmittag, die Orgel und der Gesang in der Kirche verklungen sind, plaudert der Pfarrer wohl noch einen Augenblick mit den Sängerinnen des Kirchen chors. Im Gespräch mit Zilli, einer der Stützen des Chors, erkundigte er sich dann, wie es Mei ster Kubin geht, den sie oben in Zwickledt, im Bauernschlößl, betreut. Seit dem Jahre 1948, in dem die Gattin Kubins starb, tut sie es ganz allein und hat nicht nur Verstand von Essen und Trinken, sondern erheitert den „Professor", wie sie ihn nennt, hin und wieder mit ihrem Kla vierspiel, das sie sich selbst beigebracht hat, und ihrer frischen Stimme. Seine Zeichnungen weiß sie wie kein zweiter einzustufen, der Zeit der Entstehung nach, aber auch nach ihrem inneren Wert, ihrer Qualität. Da der Herr Pfar rer seit einem Jahr, seit Kubins Hand müde ge worden ist, ihm die Mühe der Korrespondenz abgenommen hat, gibt es immer etwas zu be stellen, zu fragen, zu berichten, denn ins Dorf kommt Kubin seit Jahr und Tag nicht mehr, so gern er früher mit den Bewohnern geplaudert hat. Kubin ist beiden, der Zilli und dem Geist lichen Rat, zum Schicksal geworden. Er hat sie in eine ihnen ursprünglich fremde Welt, die Welt der Bilder, eingeführt. Nicht die der from men Tafeln auf den Altären, der Dechengemälde mit festlichen Allegorien in den Kirchen, son dern in die der nächtlichen Dämonen, eines Zwi schenreiches, in dem das Unheimliche haust. Als Alois Samhaber 1937 die Pfarre in Wern stein übernahm, hatte er den Namen Alfred Kubins noch kaum gehört. Der Kontakt stellte sich nur langsam her, denn Kubin lebte in sei nem Hause, von dem man weit ins Land hinein sieht, im Norden nach Passau hin, bis zu den Bergzügen des Böhmerwaldes, im Süden nach Schärding und ins Bayrische, sehr zurück gezogen. Bei gelegentlichen Besuchen bekam er Zeichnungen zu sehen, die gerade entstanden waren. Die schweren Zeiten, die der Geistliche nach dem „Anschluß" erlebte, brachten ihn mit dem gleichgesinnten Ehepaar Kubin in engere Beziehung. Diese Kunst, die in die unheimlichen Bezirke des Menschen eintaucht, war damals nicht beliebt. Eine Art Schid^salsgemeinschaft bildete sich. Der Pfarrer begann einige der Lithographien zu erwerben, sich mit ihnen zu umgeben, und so in die Welt Kubins ein zudringen. Nach und nach sah er den Schatz von Zeich nungen, die Kubin in dem flchtenen, weiß gestrichenen Schrank in seinem Arbeitszimmer aufbewahrt. Ein Blatt, die Marter der heiligen Agathe, grausam-schön und voll eines tiefen Gehaltes, hatte es ihm besonders angetan. Nach seiner Art hatte es Kubin erst mit Feder und Tusche gezeichnet, ganz auf den Kontrast von Schwarz-Weiß gestellt, um es dann mit ge dämpften Aquarellfarben anzulegen. Kubin ist selbst ein großer Sammler und besitzt neben Tausenden seiner eigenen Zeichnungen Blätter von Klee, Ensor, Redon, Goya, Klinger, die er zu seinen Ahnen, Anregem und Freunden zählt. So verstand er wohl, was in dem Pfarrer vor ging, und das alte Spiel zwischen Sammler und

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