Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 2

tung, Bewegung imd Buhe, Kontrapunkt und Harmonie vereint), ob es einen Zustand ausdrükken soll (Ausgewogenheit, Leichtigkeit beim „Jongleur") oder ob man von einem Thema eigentlich gar nicht mehr sprechen kann und die Plastik bloß aus spielerischer Freude am Ge stalten erwächst, wie viele Tierplastiken von Walter Ritter. Immer sind seine Gestalten ge deckt durch Gestalten, die die Natur hervor bringt; nie sind es bloß abstrakte Formen. Dabei ist die Erscheinungsform der Lebe wesen für Ritter noch lange keine Befehlsform, an die er sidi sklavisch halten würde. Die Ge stalt der Lebewesen ist für ihn die Möglich keit, sich künstlerisch auszudrüdcen. Ihm geht es nicht ums Abbilden, sondern ums Bilden; nicht um die Wiedergabe, sondern um die Ge staltung. Das Wort Cezannes hat auch für ihn Gültigkeit: wie die Natur arbeiten, nicht nach der Natur! Walter Ritter wurde am 26. Mai 1904 in Graz geboren. 1921 bis 1925 besuchte er die Kimstgewerbeschule in Graz, 1925 bis 1928 die Aka demie der Bildenden Künste in Wien. 1936 er hielt Walter Ritter für sein Kruzifix in schwar zem Zement, das er für die Holzmeister-Kirche in Wien-Mauer geschaffen hat, den Großen österreichischen Staatspreis. Aus dem zweiten Weltkrieg und anschließender Kriegsgefangen schaft heimgekehrt, erhielt er 1946 eine Be rufung als Lehrer an die Grazer Kunstgewerbesdiule, zwei Jahre später an die Kunstschule der Stadt Linz; hier wirkt er seither. 1957 wurde ihm vom Bundespräsident der Titel „Professor" verliehen. Er ist derzeit Präsident der Künstler vereinigung „MAERZ". Walter Ritter hat sich an zahlreichen Ausstel lungen beteiligt. Auf der Biennale in Sao Paolo 1955 kam er in die engste Auswahl bei der Ver leihung des Bildhauerpreises. Viele seiner Werke sind in öffentlichem Besitz: eine Madonna in der Kirche von Wien-Floridsdorf; Grabdenk mäler in Graz, Leoben, Gröbming und Urfahr; ein Porträt Kardinal-Erzbischofs Innitzer im Bundesministerium für Unterricht in Wien; weitere Werke im Besitz der österreichischen Galerie in Wien und der Neuen Galerie in Linz. Insbesondere für Linz, das ihm zur zweiten Heimat wurde, hat er eine Reihe von Plastiken gesdiaffen, die an öffentlichen Plätzen oder Fassaden zu sehen sind. Handwerkliche Disziplin und reiche Erfin dungsgabe und Phantasie, Modernität und etwas imgemein österreichisches kennzeichnen das Werk Walter Ritters. Strebte die Plastik in früherer Zeit eher zum Monumentalen, so sind die Bildhauerarbeiten Ritters ein Lächeln über dieses Streben. Seine Figuren sind nie Helden oder Heroen: sie sind liebenswert, haben Charme und kommen einem menschlich nahe. Dabei entwirft Ritter nie ein verniedlichtes Bild des Menschen, sondern der Mensch wird als Schöpfung, als Kreatur dargestellt; mit sei nen Schwächen und Fehlern und seiner Größe, die wir ja erst erkennen können, wenn wir zu vor seine Grenzen begriffen haben. Dem Er kennen der menschlichen Schwächen folgt bei Ritter — und das ist das Wesentliche — kein Verspotten, sondern ein Beschützen, ein Um hegen. Den Menschen gerade in seinen Schwä chen verstehen und lieben zu lehren: das ist eine uralte Aufgabe der Kunst. Sie gilt heute wie je. Das Heitere, Ruhige, Gelassene am Werk Rit ters ist typisch österreichisch; ebenso das Sen sible, Feinnervige und die Musikalität, die sei nen Figuren oft innewohnt. Walter Kasten schreibt dazu: „So ist ein tief im Menschlichen begründetes Anliegen Walter Ritters die Über windung der Schwere und Belastung der Exi stenz, in dem sich Sehnsucht nach Leichtigkeit, Ausgeglichenheit und Harmonie ausdrückt. Dar aus erwächst ihm die Figur des „Jongleurs", der seit Jahren immer wieder neue Abwandlungen erfährt, jede für sich gültig." Einen beträchtlichen Teil im Schaffen Ritters nehmen die Arbeiten ein, die religiöse Themen zum Gegenstand haben oder für Kirchen be stimmt sind. Ritter arbeitet an diesen Figuren mit der gleichen Freude und Hingabe wie an allen anderen Werken; sie kommen wie diese aus der Einheit eines reichen Lebens, in der jede Tätigkeit des Menschen Selbstverwirklichung im Sinne des Schöpfungsplanes ist. Was an seinem „Schmerzensmann" den Be schauer am stärksten berührt, ist die Einheit von Leiden, Verklärimg, Hingabe, Gelöstheit. Gerade die Menschwerdung Gottes ist es, die Ritter beeindruckt. Sein Christusbild hat etwas sehr Menschliches und bringt uns Gott auf diese Weise nahe. Sein „Schmerzensmann" ist dem Leiden preisgegeben wie jeder andere Mensch. Es ist ein Christus in der Stunde der Schwäche; aber immer ist, so spüren wir, in ihm etwas anwesend, das dies alles überwinden wird; sein Gottsein, das der Welt in dieser Stunde noch verborgen bleibt . . . Nennen wir hier noch einige andere Arbeiten Ritters, die wir dem Bereich christlicher Kunst zurechnen dürfen. Da ist sein „St. Georg" (Bronze), seine „Madonna" (Steinplastik), das „Abendmahl" (Terrakotta), der „Kruzifixus" (Gips), „Die Nonnen" (Terrakotta) und sein gra phischer Zyklus „Kreuzweg", den er in der von

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