Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 2

die Laurencin, Picabia und Marcel Duchamp. Wich tiger jedoch sind die „ästhetischen Meditationen", die er den Einzelabhändlungen vorausschickt. Apol linaire gibt hier die Ästhetik des Kubismus. Diese Meditationen kreisen um das zentrale Thema der sogenannten „Tugenden der bildenden Form", deren Apollinaire drei nennt: Reinheit, Ein heit und Wahrheit. Was versteht er darunter? Die Reinheit ist nic±its anderes als das vollkom mene Eingehen der Persönlichkeit des Künstlers in sein Werk. Sie setzt voraus, daß der Künstler ver gißt, was er gelernt hat, und ganz aus sich heraus schafft. Einheit erlangt das Kunstwerk, wenn es nichts Flüchtiges, sondern Dauerndes sehen läßt, wenn es die Gegenwart übersteigt und „Ewiges" aufleuchten läßt. Die Wahrheit aber liegt jenseits der optischen Illusionen und der örtlichen Propor tionen und wird durch die Größe der metaphisdien Formen ausgedrückt. Apollinaire hat hier viele Sätze „pro domo sua , nämlich für den Kubismus, gesdirieben. Sieht man davon ab, so können seine Tugenden der bildenden Form durchaus fruchtbar werden für das Bestim men des Ranges eines Kunstwerks, zu dessen Kri terien die Reinheit (= Ursprünglickkeit), die Ein heit und die Wahrheit (= Dichte) tatsächlich ge hören. Verfänglich aber wäre es, wollte man darauf eine ganze Ästhetik aufbauen. Denn das würde be deuten, daß man den Subjektivismus in der Kunst zum Prinzip erhöbe. GWill Grohmann, Karl Schmidt-Rottluff (Mono graphie). Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 1956. DM 39.80. Will Grohmann, der unermüdliche Künder der deutschen Gegenwartskunst— wir kennen - seine Bücher über Kurchner, Klee, Baumeister, Acker mann —, hat das längst fällige Werk über SchmidtRottluff bearbeitet; der KohlhammerVerlag hat es hervorragend ausgestattet. Sckmidt-Rottluff, einer der Mitbegründer der Dresdener Künstlergemein schaft „Die Brücke" (1905), gehörte zu den führen den Köpfen des deutschen Expressionismus. Aus welchen Voraussetzungen dieser Sick entwickelte, wird von Grohmann auf wenigen Seiten verdeut licht. Die Entwicklung Schmidt-Rottluffs — den der Verfasser scharf von den übrigen Mitgliedern der „Brücke" abhebt — führt schnell zum ersten Gipfel seines Schaffens zwischen 1910 und 1913. In dieser Zeit entstehen so prachtvolle Bilder, wie die „Ate lierpause", die „Nächtlichen Häuser" und die „Sonne im Kiefernwalci". Die Erschütterungen des Krieges bringen eine Wendung zum Religiösen, die in den bekannten Holzschnitten von 1918, etwa dem „Gang nach Emmaus" und dem außerordentlichen Blatt „Fischzug Petri", aber auch in den Gemälden der gleichen Zeit Ausdruck findet. Will Grohmann meint, daß auch die späteren Bilder (etwa die der dreißiger Jahre) „von großer Kraft und Eigenart" sind, ob es aber auch solche von ebenso hoher Qua lität wie die früheren sind, mag man füglich be zweifeln. G. RGiovanni Segantini, Triptychon. Eine Kunstmappe des Rascher Verlages, Zürich, mit drei Farbdrucken der Werke „Werden-Sein-Vergehen" und einer Ein führung von Gottardo Segantini, sfr. 5.70. Ein geistiger Aufstieg führt Segantini nach einer sehr armen und lichtlosen Jugend in die sonnige Klarheit der Hochgebirgswelt, die in seinen Bildern immer zum Rahmen friedvollen, menschlichen Ge schehens wird. Er arbeitet mit einer selbstgefun denen pointillistischen Malweise. Es gelingt ihm. Berge, Menschen und Tiere zu einer festen Einheit zu binden, so daß seine Menschen mehr sind als bloße Staffage, sie werden Träger einer symbol starken Idee. Wie eine in Wien befindliche Skizze zeigt, ist das Werk unvollendet geblieben. Die Ver sinnbildlichung des Todes im dritten Bilde wollte er in einer darüber befindlichenLunette im trösten den Gedanken an die Auferstehung ausklingen lassen. Das Vergehen nimmt in erschütternder Weise sein eigenes Ende vorweg, denn auch er mußte, als er im September 1899 während der Ar beit an diesem Triptychon auf einer einsamen Berg hütte bei Pontresina einer Blinddarmentzündung erlag, auf einem Schlitten zu Tal gebracht werden. Die technische Wiedergabe der im Segantinimuseum in St. Moritz befindlichen Bilder ist gut. J. P. Egon Hofmann. Verlag Galerie Welz, Salzburg; herausgegeben vom Kulturamt der Stadt Linz. 50 Bildtafeln, davon 12 Farbdrucke. Prof. Hofmann hat sich dem Hochgebirge ver schrieben. Ihn reizen die zur Bezwingung einladen den Gipfel, von denen er in den Alpen allein über 1500 bestieg. In seinem malerischen Werke geht es ihm immer wieder darum, die Großartigkeit der hochalpinen Welt in starken, farbigen Klängen und festen Konturen zu zeigen. Das Bergerlebniswird meist aus der Erinnerimg zu einer Bildgestalt in der Auffassung C6zannes gebracht, was zu stärkster Vereinfachung führt, ob es sich nun um Farbstift, Öl oder Holzschnitt handelt. Hofmann stammt aus einer alten, angesehenen Linzer Familie, in der die Kunstpfiege Familientradition war. Das technisch gut ausgestattete Buch enthält eine Einführung von Walter Kasten und wird durch eine lebendig ge schriebene Selbstbiographie des nun 72jährigen Malers bereichert, die einen guten Beitrag zur Lin zer Kunstgeschichte bietet. J. P. Kunst des Kindes Schwarze, Rote und Menschen wie wir. Von Kin dern gemalt und erzählt. Zusammengestellt und er läutert von Max Burchartz. Erschienen im Prestel Verlag, München, 1956. DM 9.80. Es war einmal ein Junge, der malte so furcht bar gerne. Eines Tages malte er einen Neger, der war kohlrabenschwarz. Damit man ihn besser sehen konnte, war ringsherum alles orange. Der Neger war sehr wild und tanzte ums Feuer. Seine Augen waren böse, sein Mund riesengroß. In den Ohren hatte er feuerrote Ringe, um den Hals trug er ein gelbes Perlenband. Seine Arme hatte er sich blutig geritzt, das war die Kriegsbemalung. Nun fioß von seinem Speer das Blut. Lieber Martin, dumaist nicht nur gerne, du k a n n s t es auch. Du kannst es so gut, daß wir Er wachsene richtig neidisch werden. Und nicht nur du kannst malen, sondern auch der zehnjährige Gerd, der den Bodenseedampfer „Westfalia", und der gleichaltrige Dieter, der den dicken Otto ge malt hat. Und die Mädchen können's grad so gut. Da ist die Postkutsche der Brigitte, die so wunder schön ist, daß man sich gleich hineinsetzen möchte. Und der Hampelmann der Erdmute (13) ist so lustig anzuschauen, daß man ganz gut aufgelegt wird, wenn man ihn sieht. Nun ja, es sind auch die 60 besten von 32.000 Kinderzeichnungen, die anläßlich eines Wettbewerbs 26

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