Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 2

Kunst anerkennt, mißaditet, oder aber sie bedeu ten das Durdigangsstadium zu einer Wiedergeburt der sakralen Kunst. Nietzsche, Baudelaire, Mallarm6 und Apollinaire haben sich für die erste Deutung entschieden und Malraux folgt ihnen. Uns aber scheint die Bewegxmg schon gegenläufig zu werden und der stark hervortretende Subjektivismus die schwächste Seite im Buche Malraux'. Die französische Originalausgabe des „muse6 imaginaire" und die erste deutsche Ausgabe im Waldemar Klein-Verlag waren viel mehr Bilder ais Textbücher. Viele der glänzenden Einzelthesen von Malraux — und seinen sicheren Instinkt für Qualität muß man bewimdern — werden erst durch die Bilder „einsichtig". Vielleicht ist es gut, daß die rowohltsche Ausgabe nur wenige Bilder wiedergibt und wir dadurch gezwungen sind, uns mit dem Text im einzelnen auseinanderzusetzen. Ein Vorzug der neuen, billigen Ausgabe ist ein umfangreiches Literaturverzeichnis zum ganzen „imaginären Mu seum", das Gurt Grützmacher dankenswerterweise zusammengestellt hat. G. R. Kunstgesdüchte Renate Wagner-Rieger, Die italienische Baukunst zu Beginn der Gotik. 1. Teil: Oberitalien. Verlag Hermann Böhlaus Nachf., Graz-Wien, 1957. 170 Sei ten, 28 Tafeln, 27 Fig. im Text, 55 Abbildungen, broschiert, S 110.—. Das Werk erscheint als 2. Band der „Abhand lungen" in der Serie „Publikationen des österrei chischen Kulturinstituts in Rom, Abteilung für historische Studien", welche von Leo Santifaller herausgegeben werden. Die Autorin hat sich die Aufgabe gestellt, die Wurzeln und die Anfänge der italienischen Gotik in Italien zu untersuchen. Dabei beschränkte sie sich in vorliegender Arbeit auf jene Phase von etwa der Mitte des 12. Jahrhimderts bis zirka 1225, in welcher die Baukunst der Zister zienser das Leitmotiv in der allgemeinen Entwick lung bildet. Im II. Teil soll die Behandlung der arc^tektonischen Leistungen dieser Periode in Mittel- imd Süditalien folgen. Innerhalb der Zisterzienserarchitektur, welche um die Mitte des 12. Jahrhimderts noch eine prägotische Stufe kennt, erfolgt, am besten faßbar, die Ausbil dung der oberitalienischen Gotik. Wagner-Rieger hat sich von jener wertenden Methode klar distan ziert, welche in der Gotik dieses Landes bloß ein fremdes Gewand über italienisch-romanischem For mengut sieht — eine These, die vor allem sehr häufig bei italienischen Forschern, z. B. Toesca, zu finden ist. Es geht ihr primär um eine möglichst vorurteilsfreie stilistische und formengenetische Untersuchung des zur Verfügung stehenden Ma terials nach der entwicklungsgeschichtlichen Valenz, welche ihm im Prozeß der Stilausbildung zukommt. Und das Ergebnis dieses Prozesses ist ein durchaus originäres Stilphänomen, welches mit der englischen oder deutschen Gotik verglichen werden kann. Der kritisch-selektive Genius Italiens hat dem Formen gut der nordischen Gotik jene Elemente entnom men, die zur Ausbildung seiner Sondergotik not wendig waren. Die Autorin betont, daß gerade aus der Gotik, welche dem italienischen Nationalstil größere Geschlossenheit und Einheitlichkeit verlie hen hat, wesentlidie Stoßkräfte für die Entwicklimg auf die Renaissance hin gekommen sind. In der stilkritischen Behandlimg der in reicher Auswahl vorgeführten Denkmäler, welche sich be wußt auf die Analyse der Raum- und Struktur formen konzentriert, xmterscheidet Wagner-Rieger zwischen der Zisterzienserarchitektur und jener Baukunst, die außerhalb des Ordens steht. Das Ent scheidende in der Entwicklung vollzieht sich bei der Ordensarchitektur, während außerhalb^ ein Kontinuum kaum faßbar ist. Es ist sehr wichtig fest zuhalten, daß diese Zisterziensergotik ihre Anre gungen nicht aus den Kernländern des voll durchgebüdeten gotischen Stils — der Ue de France oder Nordfrankreich —, sondern aus jenen peripheren Gebieten holt, die den reinen Gliederbau ablehnen und die Mauermasse betonen, wie z. B. Burgund, Provence, Anjou, Poitou usw. Daher auch finden Lösungen, die der französischen Hochgotik mit ihrer diaphanen Struktur — immer noch mit Abstand — näherkommen (z. B. das Baptisterium zu Parma), keine Nachfolge. Als Höhepunkt und bedeutsamster Vertreter der oberitalienischen Zisterziensergotik, an welchen die zweite Phase der Stilwerciimg, die Bettelordensarchitektur, anschließt, wird die Kirche der Abtei Morimondo hervorgehoben, ein in den wesentlichen Teilen der Konzeption für das letzte Viertel des 12. Jahrhunderts überlieferter Bau, der lombardische und burgundische Qualitäten ver schmilzt und besonders charakteristisch zeigt, wohin das italienische Kunstwollen der Gotik tendiert: Weite und Klarheit des Raumes und seiner Teile, Betonung der raumabschließenden Funktion der Mauer, kein Gliederbau, der die Flächen auflösen möchte, wie bei den klassischen Bauten der fran zösischen Hochgotik. Die Autorin hat selbst auf die Grenzen ihrer Ar beit hingewiesen: es fehlt eine gleich ^ündliche Be handlung der architektonischen Kleinformen der Bauten, welche den Rahmen der gestellten Aufgabe, die gewissermaßen die Vorbedingung einer solchen Sonderuntersuchung darstellt, zweifellos gesprengt hätte; weiters konnte nicht alles Material erfaßt werden, ein Umstand, den fast jeder in Kauf neh men muß, der die zusammenfassende kimsthistorische Darstellung eines größeren Gebietes wagt. Wir glauben aber nicht, daß dies hinsichtlich der wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung relevant ist. Die Forschimg, welche gerade dieses Gebiet bis her ziemlich stiefmütterlich behandelt hat, ist der Verfasserin für ihre gründliche Leistung zu Dank verpfiichtet. Dr. N. Wibiral. Josepha Weiser — von Inffeld, Das Buch um Ghirlandaio; Eine Florentiner Chronik. Rascher Verlag, Zürich und Stuttgart, 1957, 232 Seiten mit 47 Kunstdrucktafeln, Leinen, sfr. 18,25. Eigentlich hieß dieser Florentiner Maler Domenico di Tommaso Bigordi (1449—1494), erhielt aber seinen Künstlernamen von den „Ghirlanden", einem von ihm in Goldschmiedearbeit gefertigten weiblichen Kopfschmuck. Er ist beeinfiußt von den Realisten Verrocchio, Uccello und Castagno; unter den zahlreichen Schülern seiner Werkstatt befand sich auch Michelangelo Buonarroti. Ghirlandaio, der Sohn und Schüler eines Goldschmiedes, ist am be deutendsten in seinen Fresken; sein Anteil an der Kunstgeschichte ist die Eroberung der vielgestal tigen Umwelts-Wirklichkeit für die Monumental malerei. Seine religiösen Darstellungen spiegeln das weltliche Treiben der Renaissance wider, zeigen das Florentiner Leben und zeitgenössische Personen in frischester Wirklichkeit und dokumentieren zugleich auch tiefstes kompositorisches Vermögen. Sein Werk ist die Vorstufe der idealisierenden Be herrschung der Dinge in der klassischen Malerei des Cinquecento bei Michelangelo und Raffael. Er war in Florenz, San Gimignano, Pisa, Rom und an vielen Orten der Toskana tätig. 22 %

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2