Welche Folgerungen können wir nun aus die ser Übersicht ziehen: Zunächst sind die Darstellungen aus dem Weihnachts- und Osterfestkreis nicht in einer Ansicht zusammen zu sehen, je nach Art der Flügelstellung sind einmal Begebenheiten aus diesem, das andere Mal aus jenem Festkreis gezeigt. Der Altar der Marienkirche von Krakau aus der Hand des Veit Stoss dagegen zeigt in einer Ansicht beide Festkreise vereinigt (Ver kündigung, Geburt, Anbetung, Auferstehung, Himmelfahrt, Pfingsten), ebenso der Altar des Hans Seyfer in der Kilianskirche zu Heilbronn (Geburt, Auferstehung, Pfingsten, Tod Mariens). Pastoraltheologisch gesehen ist diese Vereini gung sicher ein Vorteil, da dem Volke dann gleichsam die ganze Heilsgeschichte in ihren wichtigsten Abschnitten zugleich vor Augen tritt. Weiters fällt bei den erwähnten Beispielen aus Oberösterreich auf, daß hier die Bilder aus dem Weihnachtsfestkreis den Vorrang haben vor denen aus dem Osterfestkreis; dies insofern, als sie bei ganz geöffnetem Schrein — also am Festtag — das Auge erfreuen, und dies ohne Rücksicht, ob Weihnachten, Ostern, Pfing sten gefeiert wird. Der Weihnachtsfestkreis überstrahlt gleichsam alle Hochfeste des Kir chenjahres, der Osterfestkreis wird meist nur bei halb- bzw. ganz geschlossenem Altar —r also an den weniger festlichen Tagen des Jahres — sichtbar. Es können hierfür verschiedene Gründe an geführt werden: Zunächst sind die Altäre, bei denen an Feiertagen der Weihnachtsfestkreis vor die Augen der Gläubigen tritt — mit Aus nahme dessen von Kefermarkt —, Mutter gottesaltäre; im Schrein, der ja an Festtagen sichtbar wird, steht die Muttergottes, so müssen eben die bei einer solchen Ansicht auch ge sehenen Flügelbilder irgendwie auf die Mutter gottes bezogen werden, und dies ist zweifellos bei Bildern aus dem Weihnachtsfestkreis besser möglich (das Fest der Beschneidung des Herrn war ursprünglich ein Marienfest, das Fest der Darstellung im Tempel wird in der Liturgie als „Purificatio Mariae" bezeichnet, also auch hierin ein Ineinander von Herren- und Marienfest). Weiters umfaßt der Osterfestkreis neben der Darstellung der Auferstehung — bei den ober österreichischen Flügelaltären wird sie nur am Hallstätter Altar gezeigt — auch Szenen aus dem Leben und Leiden des Herrn, diese aber wer den nicht am Festtag, sondern an den gewöhn lichen Tagen und Sonntagen gezeigt, an denen eben der Altar zum Teil oder ganz geschlos sen ist. 16 Der letzte Grund für diese gewisse Dominanz des Weihnachtsfestkreises — ein besonders gutes Beispiel hierfür sind die vielen Weih nachtsaltäre Südtirols aus dem beginnenden 16. Jahrhunderts — ist jedoch ein dogmen geschichtlicher. P. Jungmann S. J. hat in seiner Rektorats rede im Jahre 1953 zum erstenmal darauf hin gewiesen, wenn er sagt: Es handelt sich letztlich um eine neue Weise, die Person Christi zu sehen. Der Arianismus hatte die Gottheit Christi in Frage gestellt. Und dieser Arianismus hatte in den germanischen Völkern des 5. und 6. Jahrhunderts, besonders im südgallischsoanischen Raum, nochmals einen mächtigen politischen Rückhalt gewonnen. Das bedeutete auf katholischer Seite die Notwendigkeit der Abwehr und somit die stärkere Betonung alles dessen, worin die göttliche Größe des Herrn, die Würde seiner Person zum Ausdruck kam, und andererseits eine gewisse Zurückdrängung jener Gedankenrüdcgänge, die im arianischen Sinne mißverstanden werden konnten. Weihnachten und Epiphanie waren nun Festtage, an denen die Person des Herrn geehrt wurde, und damit seine göttliche Größe und Würde — während an Ostern eigentlich nur das Werk des Herrn, das er in seiner Menschheit vollbracht hat, den Gegenstand der Feier bildete. So gewinnen die weihnachtlichen Festtage und der weihnacht liche Festkreis steigende Bedeutung . . ."^). Diese neue Einstellung, etwa mit der Jahr tausendwende beginnend, wurde dann im Laufe des Mittelalters besonders noch durch den hei ligen Franz von Assisi bestärkt, der ja im Jahre 1223 in einer Felsenhöhle auf dem Gute des Messers Giovanni Vellita bei Greccio die erste Krippe baute; der hl. Bonaventura berich tet uns in seiner Legenda maior von diesem Ereignis und läßt uns gleichzeitig erkennen, wie Franz und seine Brüder bestrebt waren, durch diese Tat den Gläubigen das Weihnachtsgeheim nis möglichst anschaulich zu machen. Um 1300 beschrieb der Franziskaner Johannes de Caulibus aus S. Gimignano in seinen „Me ditationen über das Leben Christi" die Geburt des Herrn, was dann die hl. Brigitta von Schwe den im 21. Kapitel ihrer Visionen in sehr phan tasievoller Weise weiterführte^). Dazu kam eine immer größer werdende Marienverehrung — ihre Wurzeln liegen in der Marienminne des hl. Bernhard von Clairyaiur ') Jungmann J. A., Liturgie und Kirchenkunst, Rektoratsrede, 1953, S. 12—15. Aust G., Die Geburt Christi, Lukas-Bücherei zur Christi. Ikonographie, B. V., S. XX, S. XXII.
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