reidiischen Rautenschirme denkbar, die ein run des Jahrhundert vorher zum erstenmal in den Dreistützenräumen in voller Reinheit aufgetre ten waren. Die deutsche Baukunst hat weder vorher noch nachher Räume von dieser traum haften Schönheit und Stille hervorgebracht (vgl. die Abbildungen!). Nur die zeitgenössischen Skulpturen der „Schönen Madonnen" sind von ähnlich lichter Anmut. Das Liciit bricht sich in den rautenförmigen Kappen wie in Facetten. Der Wölbungsgrund hebt und senkt sich ab wechselnd wie ein Gewölk. Die Gewölbefüße steigen leicht und drucklos aus den Schäften wie Fontänen. Dr. Ekkard Sauser (Innsbruck) Zur Theologie des Flügelaltares Der Flügelaltar des Spätmittelalters und der beginnenden Neuzeit ist ein ganz einzig artiges Denkmal im künstlerischen und religiö sen Leben des damaligen Menschen. Mit vollem Recht kann man ihn nicht nur ein Stück „reli giöser" Kunst schlechthin nennen, er verkörpert vielmehr eine wahrhaft „kirchliche" Kunst, indem er in seinen Darstellungen Heils geschichte den Betern vor Augen führt. Der Schöpfer eines solchen Altares war da her nicht nur ein Künstler, dem es an der rein ästhetisch schön durchgearbeiteten Formung der einzelnen Gestalten lag, er war auch ein Beter, der um die Tatsachen der Heilsgeschichte, wie sie der Priester im Evangelium verkündet, wußte und trachtete, diese Geschehnisse mit sei nen künstlerischen Ausdrucksmitteln möglichst ansdiaulidi dem christlichen Volke zu machen. Um der Bedeutung eines Flügelaltares ge recht zu werden, muß man ihn also vom künst lerischen und vom religiösen Standpunkt aus betrachten, alles andere wäre einseitig. Der Kunsthistoriker nun wird in einem sol chen Werk eine bestimmte Art der Altarentwick lung im Laufe der Jahrhunderte sehen. In den ersten christlichen Jahrhunderten war der Altar ein einfacher Tisch, aus Holz oder Stein, ganz ohne Schmuck und jegliche Zutat, im 4. Jahr hundert taucht in Byzanz drüben zum ersten mal eine Art Altarschmuck in Form von kost baren Decken auf, im 9. Jahrhundert stellt man bei den Franken Reliquienschreine auf den Altar, im 11. Jahrhundert wird auch ein Kreuz auf den Altar gestellt, im 14. Jahrhundert schaffen Künstler zwei- und dreiteilige Ge mälde oder Reliefs, sogenannte Diptychen bzw. Triptychen, die dann die Altarrückseite schmükken sollten, allmählich entwickelte sich ein gan zer Aufbau — Retabel (retrotabulum) — auf dem Altar heraus, woraus schließlich die Flügel altäre als oft mächtige Werke großer Plastiker und Maler der damaligen Zeit entstanden*). Ergänzend zu dieser Betrachtungsweise wird der Theologe in den vielen Gemälden, Reliefs und Vollplastiken eine Art „Katechese in Bil dern" für die damaligen Menschen sehen nach dem Grundsatz, der auf Aristoteles aufbaut: „cognitio incipit a sensibus". An Stelle der auf Piaton aufbauenden scharfen Trennung von Sinnen- und Ideenwelt, wie sie uns noch etwa in der Kunst Frankreichs im 13. Jahrhundert mit ihren stark symbolhaften Darstellungen ent gegentritt, ist nun eine audi dem einfachen Menschen leicht verständliche Bildersprache hier anzutreffen^). Was bringen nun diese Bilder? Sie zeigen Heilsgeschichte, das heißt, sie führen dem gläubigen Volke in sehr sinnfälliger Weise Tatsachen aus dem Leben unseres Herrn vor Augen, damit sie die Liturgie der Kirche, das Kirchenjahr besser verstehen und miterleben können, der Künstler hat also hier ein Stück Theologie dargestellt, so daß man mit Recht von einer Theologie des Flügelaltares sprechen kann. Was beinhaltet diese Theologie? Neben Heiligengestalten und mehr legen dären Szenen aus dem Leben dieser Heiligen sind hier an den Flügeln des Schreins, im Schrein, im Inneren der Predella sowie an den Predellatafeln und an der Schreinrückwand Ereignisse aus den zwei großen Festkreisen des Kirchenjahres: Weihnachtsfestkreis und Oster festkreis, gezeigt. CDer Barock verzichtet in sei nen großen Altarbildern auf die Darstellung von Zyklen aus der Heilsgeschichte; es wird immer nur .ein Ereignis aus dem Weihnachts- oder Osterfestkreis dargestellt, oft nur eine BeJungmann J. A., Der Gottesdienst der Kirche, 1955, S. 71—74. Jungmann J. A., Missarum Sollemnia, 1948, 1. B., S. 143. 14
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2