Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 2

denberg und Neukirchen a. d. Enknach über nommen werden konnte, wie für Quincunxräume. Bei den Dreistützenkirchen treten zum Mittelpfeiler, der den Raum zweischiffig teilt, im Westjoch zwei paarige Stützen in dreischiffiger Anordnung. Vereinzelt hat man noch zwei weitere Stützen im Osten hinzugefügt und die Zahl der Stützen im Rhythmus 2:1:2 auf ins gesamt fünf erhöht''). Und schließlich hat man Kirchen mit vier Stützen errichtet, von denen zwei paarige nebeneinander in dreischiffiger An ordnung stehen und die beiden anderen hinter einander in zweischiffiger Disposition"). Keine dieser Kirchenbauten, unter denen sich Bauten befinden, die im späten Mittelalter ihresgleichen an Raumschönheit suchen, hat Analogien in ir gendeinem anderen Gebiet des europäischen Sa kralbaues. Zwar ist dieses Parierische Rauten netz, das ein struktiv offenes Wölbungskontinuum von inandergehängten konkaven Sternge wölben und konvexen Rautenschirmen darstellt und nach allen Richtungen hin beliebig erweitert werden konnte, auch für Einstützenräume ver wendet worden (Obernbuch), aber es war keines wegs aus dem Wesen des Einstützenraums allein entwickelt. Daher hat es die Ausbildung selb ständiger Schirmgewölbe lange Zeit eher ver hindert. Erst gegen das Ende des 15. Jahr hunderts sind dann auch für die rechteckigen Einstützenkirchen Lösungen gefunden worden, bei denen das Ganze der V/ölbung von der zen tralen Stütze allein hervorgebracht wird. Zu nächst hat man ähnlich wie in England und in Westdeutschland den Versuch gemacht, den hochgotischen Dreistrahlschirm durch Flechtrip pen in einem Rautenschirm umzudeuten. In Badgastein ging man dabei vom achteckigen Dreistrahlschirm aus, in W a r t b e r g a. d. Krems von dem ungleich selteneren sechs eckigen. Auch Dreistützenräume sind ver einzelt so gewölbt worden (Berg b. Spittal). Dann hat man einen sechseckigen Rautenschirm aus dem Parierischen Rautennetz isoliert, die Rippen bis zur Wand verlängert, einzelne Drei strahle gedreht und Füllrippen hinzugefügt (St. Marien bei Linz, Steinbach am AttprsppV Auch vom siebeneckigeii bChlrm ging man fall weise aus (U n g e n a c h, ÖO., Abb.), indem man diesen in der Osthälfte als halbes Sechseck, in der Westhälfte als halbes Achteck bildete; und schließlidi auch vom symmetrisch achteckigen Rautenschirm, der allerdings nicht mehr aus dem gleidiseitigen, sondern aus dem gleichschenkeligen Dreieck konstruiert ist (W e i ß e n k i rchen bei Vöcklabruck, vgl. Abb.). In ") St. Leonhard in Augsburg. ") Kreuzen, Ried, Mauthausen, Gösau. diesen zuletzt genannten Kirchen kulminiert eine Entwicklung, die in einer Unterströmung des abendländischen Wölbungsbaues, wie die karolingischen Schirmgewölbe und Dreistrahle dartun, von Anfang keimhaft vorgebildet war. Nur in Österreich allerdings wird diese Stufe erreicht. Die skandinavischen Einstützenkirchen kamen niemals über das Gratgewölbe hinaus, die niederdeutsdien kaum über den vier jochigen Typus mit Kreuzrippen gewölben, die böhmischen verharren auf dem Mischtypus (Kombination von rechteckigen Jochen mit Dreistrahlen). Auch die bayerischen blieben auf dem vierjochigen Typus stehen, nur daß man zuletzt die Kreuzrippengewölbe durch Sterngewölbe ersetzt. Doch hat man in Bayern immerhin den Dreistrahlschirm zum erstenmal auf die rechteckige Einstützenkirche übertragen (St. Thomas am Römlingin Regens burg). Unter den mosel-eifelländischen Ein stützenkirchen überwiegt ebenfalls der Mischty pus, nicht mit Kreuzrippengewölben allerdings, wie in Böhmen, sondern mit Sterngewölben, doch hat man fallweise auch die älteren Typen durch Flechtrippen zu schirmartigen Netzgewöl ben erweitert, ohne freilich den Wölbungsgrund sinngemäß zu verändern. Das Erstaunliche aber nun ist, daß man das Schirmgewölbe im Südosten auch auf reguläre dreischiffige Hallenkirchen übertrug und diese dadurch struktiv grundsätzlich umdeutete. Ge rade hierin liegt die allgemeinere Bedeutung dieses wölbungsgeschichtlichen Prozesses. Zwar stehen die Stützen weiterhin in Reihen, aber da die Scheidbogen wegfallen, treten sie nicht mehr zu einer wandähnlichen Arkadenabfolge zu sammen. Nicht die Schiffe oder Joche sind struk tiv entscheidend, sondern die Stützen. Jede ist ein struktives Zentrum für sich, das die Wöl bung nach allen Richtungen hin symmetrisch hervorbringt. Der Akzent hat sich verlagert (Dingolfing). Am großartigsten demonstriert dies der Hallenchor der Franziskanerkirche in Salzburg. Der axiale Pfeiler steht wie eine visionäre Erscheinung im Zentrum des strahlend lichten Hallenchors. Schließlich wird das Schirmgewölbe dann von der „Barockgotik" ergriffen und tritt in das Stadium der Expan sion. Die Rauten werden durch Fischblasen oder lanzettähnliche Formen ersetzt, die sich um den Gewölbefuß legen. In der dreischiffigen Hallen kirche von Königswiesen stehen die Stüt zen wie Fackeln im Raum. Weder die ehemalige Augustinerkirche in Nürnberg, noch die wundervollen Wölbungen Benedikt Riehts in Böhmen oder die Hallen der Erzgebirgsschule sind ohne die Vorstufen dieser bayerisch-öster13

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