Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 1

teswirklichkeit verblaßt ist. So haben auch wir keinen Grund, den Teufel an die Wand zu malen, um so weniger, als das die sicherste Methode ist, ihn zu zitieren und ihm Madit zu verschaffen. Wir wissen, wie die Volksphantasie imd die Völkerphantasie die Mächte des Widersacheri schen grotesk aufbauscht. Sie sind die Ungetüme, die Monstren, die Schreckgestalten. Zum Teufel gehört die Bocksgestalt. Er ist der gehörnte, stinkende Bock mit Bocksfüßen. Er ist das ge schwänzte Wesen. Er ist die mala bestia, die abstoßend, schreckend, mißgestaltet empfunden wird und mit dem Namen des Drachen belegt ist. Als der Schwarze wird der Teufel im bi blischen Bereich noch nicht bezeichnet, sondern erst in nachbiblischer Zeit (Bam. 4, 9; 20.1). Natürlich ist dieses Wort n^egelegt dadurch, daß die Bibel die dämonische Macht als die Macht der Finsternis bezeichnet. Sie ist die absolute Lichtlosigkeit. Insofern Gott — übri gens in fast allen Religionen — mit der Ldchterfahrung zusammenhängt, ist im Begriff der Finsternis der dämonische Charakter als Gegen welt Gottes bezeichnet. Die dämonische Sphäre wird bezeichnet mit dem Bild der Schlange im Paradiesesbericht und von da ab immer wieder. Das Schleichende, Falsche, Schillernde, Giftgeschwollene des Bösen wird darin mit seelischen Tiefenerfahrungen des Menschen gekoppelt. Das Böse ist aber auch als Drache bezeichnet, wie in allen Mythologien des antiken Raumes. In der Apokalypse ist das Drachenbild die gnmdlegende Erfahrung des Satanisch-Dämo nischen. Der Drache steigt auf aus der Chaos tiefe. Nach Apk. 12, 15, ergießt sich aus seinem Maul ein Wasserstrom, das besagt die Tendenz zur Überflutimg der Welt durch das Böse. In 1. Petrus 5, 8, begegnet das Dämonische im Löwenbild. Der knurrende Löwe schleicht um her, suchend wen er verschlinge. Die mensch liche Schreckbereitschaftgegenüberdem Löwen hat sich hier eine bildliche Darstellung geschaf fen. (Es ist bemerkenswert, daß der Löwe ambivalent für Gott imd für den Widersacher wird.) Auch die lästigen, ekelerregenden Tierwesen haben eine Affinität zum Dämonischen. Der Ausdruck Beelzebul heißt eigentlich der Baal des Mistes. Die Abwandlimg des Wortes in Beelzebub bedeutet den Fliegenbaal. Das Ge schmeiß, das Ungeziefer, das Widerwärtige ist die seelische Erfahrungsschicht, der der Dämon zugeordnet ist. Darum heißen summarisch im Neuen Testament die bösen Geister auch unreine Geister. Diese Formel ist der eigentliche Gegen begriff zum Begriff des Heiligen Geistes. Es fällt also auf, daß fast immer Tiere der Erfah rung des Dämonischen zugeordnet sind. Wenn in den Evangelien ein Dämon der Stummheit begegnet, den Jesus überwindet und wenn der heilige Paulus die Götzen, die eine spätere Zeit ja als böse Geister deutete, in 1. Kor. 2 als stumme Bilder bezeichnet, dann wird damit zum Ausdruck gebracht, daß die Welt des Dämonischen die Welt der absoluten Kontaktlosigkeit ist. Im Dämonischen ist alle Kontaktfähigkeit endgültig erloschen. Man muß zugeben, daß Jean Paul Sartre insofern die biblische Aussage adäquat getroffen hat. Diese Stummheit als Kontaktlosigkeit ist korrelat zur Finsternis als Kontaktlosigkeit. Wenn der Satan die Macht der Tiefe ist (Apk. 12 und 13), so wird auch' darin bildhaft ausgesagt, daß er die Gegenwelt Gottes ist. Gott ist der Gott, der in der Höhe thront. Sein Anti pode ist der Böse, der in der Tiefe haust. Hoch und tief sind ja für imser Erleben nicht nur Lokalisierungsbegriffe, die die Lage im Raum ausdrücken, sondern sie haben eine bestimmte seelische Valenz. Oben und unten hat seine be zeichnendste Erlebnisform in der hohen und in der niedrigen Gesinnimg, so wie wir sagen im Himmel oben, in der Hölle unten. Mit „Unten" hängt etwas anderes zusam men: Die Macht des Bösen bestand nicht immer, hauste nicht immer in der Tiefe. Luzifer ge hörte ursprünglich der Lichtsphäre zu und ist aus dieser Sphäre herabgestürzt ins Unten. Des wegen wird der Satan so oft als der Stürzende und Gestürzte beschrieben (Luk. 10, 18; Apk. 12, 9). Die Welt Satans ist die Welt der Täuschung, einer Täuschimg, die so weit gehen kann, daß er sich in einen Eiigel des Lichtes verkleidet (2. Kor. 11, 14). In der Beschreibung der dämonischen Welt macht die Bibel auch Anleihen bei dem Mythos. So scheint Lilith, der Nachtdämon (Is. 34, 14), den modische Literaten ja wieder aufgegriffen haben, babylonischer Herkunft zu sein (Eich rodt II, 120; vgl. A. Jeremias: Das Alte Testa ment im Lichte des Alten Orient, 684). Auch Zach. 5, 5—9, könnte einen solchen mythischen Hintergrund haben. Der Text gemahnt ja deut lich an die Büchse der Kandora (A. Jeremias 740). So ist die Welt des Abgrunds beschaffen. Der Mensch tut nicht gut, in sie hineinzustarren. Er soll sie bannen, und er vermag sie nur da durch zu bannen, daß sein Blick auf die Herr lichkeit Gottes gewandt ist und er in diesem versunkenen Schauen verwandelt wird von Herrlichkeit zu Herrlichkeit (2. Kor. 3, 18).

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