Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 1

Heiligkeitsbegriffes.) Immer wird in diesem Begriff des Feuers zugleich der Begriff des Schlackenlosen miterlebt, ob es sich mm um den brennenden Dornbusch handelt (Ex. 3, 2) oder um Feuer-Visionen, bei denen in der Außenwelt nichts stattfindet, sondern nur im erlebenden Subjekt. Der Donner ist die Stimme Jahves. Seine Stimme geht durch Mark und Bein, so wie der grollende Donner durdi Mark und Bein geht. Eben deswegen kann die Stimme Jahves auch mit der Stimme des Löwen verglichen werden, dessen Gebrüll dem Menschen durch und durch geht. Jahve selbst ist der Löwe, so sagen die Propheten (Is. 31, 4; Hos. 5, 14; 13, 7 f.). Gottes Wesen in seiner Übermacht wird allem Endlichen gefährlich. Unter seinem Schritt er bebt die Welt. Darum ist das Erdbeben seit der Sinai-Erscheinung eine der Theophanien des Alten Testamentes. In der dichterischen Rede heißt es dann wohl, daß die Berge rauchen unter Gottes Tritt und daß sie schmelzen wie Wachs (vgl. Ps. 68 (67), 1 ff., 8 ff.). Michäas 1, 3, heißt es: „Seht: Sdion verläßt der Herr seinen Platz, steigt herab, schreitet einher auf der Erde Höhen. Unter ihm schmelzen die Berge, bersten die Täler, wie Wachs vor der Glut, wie Wasser, das am Berghang herniederbraust" (ebenso Ps. 97 (96), 2—5). Zum Schönsten in dieser Rich tung gehört der Psalm 93 (92), der vom Erlebnis des Meeres handelt und es für die Interpretation einer religiösen Erfahrimg verwendet. Das Er lebnis des Meeres ist ein überwältigendes Urerlebnis; Gott aber ist noch überwältigender: „Mehr als das Donnern gewaltiger Wasser, hehrer noch als das brausende Meer ist hehr der Herr in der Höhe." III. In allem Bisherigen geschieht etwas. Es ereignet sich Begegnung und Begebnis. Vor gänge finden statt von Gott her, die auf den Menschen zielen und seine Gotteserfahrung er regen. Die Phänomene selbst liegen außerhalb des erlebenden Subjektes. Gott entschleiert sich selbst initiativ. In den angsterregenden Ausbrüchen kos mischer Gewalt wird Gott erahnt. Es ist das Ganz-Andere Gottes, was mit diesen Mitteln der Darstellung ausgesagt wird. Immerhin könnten dadurch Mißverständnisse und Einseitigkeiten entstehen. Deswegen korrigiert die Bibel sozu sagen sich selber. Sie nimmt gelegentlich die Behauptimg zurück, daß Gott nur im Gewitter sei. In 1 (3) Könige 19, 11, ist die berühmte Szene berichtet: „Gott erwidert dem Elias: ,Geh hinaus und stelle dich auf dem Berge vor den Herrn hin!' Da zog der Herr an ihm vorüber. Ein gewaltiger, heftiger Sturmwind, der die Berge zerriß und die Felsen spaltete, fuhr vor dem Herrn her. Aber der Herr war nicht in dem Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben, aber der Herr war nicht in dem Erdbeben. Nach dem Erdbeben kam ein Feuer. Aber der Herr war nicht in dem Feuer. Nach dem Feuer kam ein leises, sanftes Säuseln. Als Elias dies hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle. Da redete ihn eine Stimme an." Gott ist diesmal im Säuseln des Windes, in der sanften Stimme wie sonst in den dramatischen Vorgän gen der Natur. Damit tritt neben das schrekkende Geheimnis Gottes, wie es in Gewitter, Vulkanausbruch imd Flamme sich bekundet, auch das imendlich anziehende Geheimnis Got tes. Im allgemeinen freilich manifestiert sich dieses für das biblische Denken nicht in den Phänomenen der Natur, die ja grausam ist und nicht sanft und die nur der Kitschbefiissene für die Spenderin der Wonnen hält. Aus triftigen Gründen wird das Zarte im Wesen Gottes in der biblischen Welt durch die zwischenpersönlichen Beziehungen beleuchtet und allenfalls durch das Muttertier (z. B. die Glucke, die ihre Kücken sammelt).Doch davon später. Doch zunächst noch einmal ein Wort darüber, wie die Bibel sich gegen die Mißverständnisse sichert, als wäre der geistige imd also unsicht bare Gott ein Gegenstand sinnlicher Erfahrung. Gott ist nie identisch mit seinen Erscheinxmgsformen. Darum keimt das Alte Testament auch das bezeichnende Verfahren, zwar die aura Gottes zu beschreiben, das heilige Geheimnis selbst aber auszusparen. So verfährt Ex. 24, 10, wo von dem saphirblauen, hellstrahlenden Gnmd die Rede ist, die Gottesgestalt selber aber, die darauf stehend gedacht ist, nicht beschrieben wird. Ähnlich ist es in der so großartigen Stelle Is. 6, 1 — wir kennen sie alle vom Sanctus her, das daraus genommen ist —, wo der Saum des göttlichen Gewandes genannt ist, wo die Seraphe geschildert sind, die Erschütterung der Grund festen, und der Rauch, der den Raum schwelend erfüllt, wo aber von der Gottesgestalt selber nichts sichtbar gemacht ist. Sie ist ebenso aus gespart, wie sie es ist zwischen den zwei Cheruben der Bimdeslade. Daneben aber gibt es eine große Zahl von biblischen Versuchen, das Geheimnis Gottes aus zusagen in Bildern, Symbolen, Vergleichen. In ihnen expliziert der Mensch das, w£is er von Gott zu ahnen glaubt. Es werden dabei nicht etwa Begriffe veranschaulicht, sondern es liegen umgekehrt primäre Bilderfahrungen vor, aus denen spätere Zeiten Begriffe herausdestil lieren. „Im Anfang war das Bild." Unser heu-

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