Messe konzentriert sich der ganze Kosmos ge schaffener Wesen auf die „Herrlichkeit" Gottes, um ihr die gebührende Rühmung widerfahren zu lassen (so wie ebenfalls im Gloria). Etwas besonders Schönes ist der Begriff des Antlitzes Gottes. Der Ausdruck begegnet uns häufig, vergleiche die Anrufung: „Zeige uns dein Angesicht und wir werden gerettet wer den!" Es ist dabei natürlich nicht empfunden als Umriß, als physiognomische Kenntlichkeit, son dern das Wort ist ganz dynamisch gemeint, als reine Gegenwärtigkeit, reines Gegenüber (Ex. 33,11 ff.; Dt. 5, 4; 34,10 etc.). Es ist hier keine unmittelbar sinnliche Erfahrung gemeint und doch ein unendlich sinnliches Wort gebraucht. Das Antlitz Gottes sehen, heißt in der Bibel vor allem den Kult feiern und im Kult und außerhalb des Kultes Gott als Nähe, als Gegen wärtigkeit, als das Visavis zu erfahren. Das wxmderschöne Segensgebet aus Num. 6, 24 läßt uns ja ahnen, was der Fromme erhoffte vom Aufieuchten des göttlichen Antlitzes: „Der Herr lasse sein Antlitz über dir leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende dir sein Angesicht zu und schenke dir Frieden" (Eichrodt II, 12—15, Haenel 208). II. Neben diesen Manifestationen Gottes stehen Theophanien, in denen nicht Gottes volles We sen präsent ist, sondern momentane Wirkungen, Eigenschaften, einzelne Wesensseiten erfahrbar werden. Beginnen wir mit den elementaren Vor gängen! Die zentralste, berühmteste Gottes erscheinung des Alten Testamentes, die jeder Generation immer neu zum Erlebnis wurde, ist die Sinai-Theophanie. Ihre Elemente, wahrscheinlich älterer Herkunft, bleiben durch die ganze Gesdiidite Israels erhalten und er leben immer neue Variationen. Was geschah nun eigentlich am Sinai? Exodus 19, 16—19 be richtet: „Am dritten Tage brachen, als es Morgen wurde, Donner und Blitze los. Schweres Ge wölk lagerte sich über dem Berge, und mäch tiger Posaunenschall ertönte. Das ganze Volk, das im Lager war, erbebte. Moses führte das Volk aus dem Lager Gott entgegen, und es stellte sich am Fuße des Berges auf. Der Berg Sinai war ganz in Rauch gehüllt, weil der Herr in Feuer auf ihn herabgestiegen war. Rauch quoll von ihm auf wie der Rauch eines Schmelz ofens. Der ganze Berg erbebte heftig. Der Posaimenschall wurde immer stärker. Moses redete, imd Gott antwortete ihm im Donner. Als nun der Herr auf den Gipfel des Berges Sinai hinabgestiegen war, berief der Herr den Moses auf den Gipfel des Berges. Moses stieg hinauf, und der Herr befahl dem Moses: ,Steige hinab, mahne das Volk, nicht zum Herrn durch zubrechen, um ihn zu sehen! Sonst würde eine große Anzahl davon umkommen. Selbst die Priester, die sonst dem Herrn nahen dürfen, sollen sich heiligen, damit der Herr sie nicht vernichte." Donner, Blitz, Trompeten, Feuer, Rauch, Erd beben — das alles sind die Begleiterscheinun gen der Theophanie, ihre Orchestrierung. Aber die Vorgänge sind zugleich mehr: Sie sind Aus druck des göttlichen Wesens in seiner gewal tigen Furchtbarkeit, Unnahbarkeit. Das Ver sengende und Bedrohende Gottes wird geahnt in den Erregungszuständen der Natur, die das Gotteszeichen der Bibel sind. Das Gewitter wird immer als unmittelbare Stimme Gottes erlebt. Der Blitz ist das Grelle, Überblendende, Töd liche seines Wesens. Der Donner ist seine mäch tig dröhnende Stimme. Dieses Gewittermotiv steht so breit im Alten Testament, daß es ganz aussichtslos wäre, auch nur die gewichtigsten Texte aufzuführen (Psalm 18, 8 ff.; 29 (28); 68 (67), 8 ff.; 77 (78), 17 ff.; 97 (96), 2 ff.). Noch einmal: Die erregte Natur vermittelt Ahnungen Gottes oder birgt seine Erscheinung, nicht die Natur in ihrer schaffenden, zeugenden Kraft. Es ist von äußerster Bedeutsamkeit, daß im Unterschied zu allen heidnischen Religionen der Umwelt, die ja immer Fruchtbarkeitskulte sind, in Israel Gott nicht primär erfahren wird in den Gestirnsmächten und in den Zeugimgs kräften der Erde, in Sonne, Mond, Quelle, Fluß, Baum und Hain. Gott ist nicht identisch mit den das Dasein speisenden Mächten des Sprießens, Blühens, Zeugens, sondern er tritt als der Er schütterer dieser kosmischen Gegebenheiten auf. In der Sinai-Offenbarung spielt Feuer und Licht die wesentliche Rolle (Haenel 77, 82). Feuer und Licht in ihrer seelischen Bedeutung (im Unterschied zur physikalischen) kann man natürlich nur begrifflich voneinander scheiden. Dennoch kann man mit einem gewissen Rechte sagen, im Feuer offenbare sich primär Gottes Heiligkeit, im Lichte seine Geistigkeit (Sellin, Theologie des Alten Testamentes, 1936; Seite 6, 19, 22). Gott wird von den großen religiösen Ge stalten Israels als Licht erlebt: Deut. 33, 2; Is. 6, 1; Hab. 3, 4; Ez. 1, 28; Psalm 18 (17), 13; Offbg. 1, 14, und das reicht bis zu Saulus Apg. 9, 3, der drei Tage blind ist, so sehr ist er von der Wirklichkeit der Transzendenz überblendet (Apg. 9, 9). Und es reicht bis zu der johanneischen Formel: „Gott ist Licht, und Finsternis ist nicht in ihm" (1. Joh. 1, 5). Das Feuer ist die Lohe des göttlichen Wesens. Es ist buchstäblich unnahbar, so wie Gott unnahbar ist. (Die Un nahbarkeit ist ein Wesenselement des biblischen 4
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