Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 1

uns auf den Satz des Johannes-Evangeliums festlegen, dann können wir es wagen, ohne miß verstanden zu werden, dem johanneischen Satz noch eine weitere Abwandlung zu geben zu den schon kursierenden hinzu: „Im Anfang war das Bild" (Bernoulli). „Im Anfang war das Wort" — das sagt eine Rangfolge aus. „Im Anfang war das Bild", damit meinen wir unter Wahrimg jener Rangfolge jetzt lediglich eine geschicht liche Reihenfolge. Für die frühen Stufen der menschlichen Entwicklung ist das Bild, nicht der Logos das Medium der Erkenntnis und der Verständigung. Auf dieser Stufe gibt es denn auch im Bereich der Offenbarung Bekundimgen Gottes im Bild, die später fortfallen oder in ihrer Bedeutimg zurücktreten, weil der Logos das Bild abzulösen beginnt. Das ist der Grund, warum das Alte Testament um so vieles bild hafter ist als das Neue Testament. Der Gegenstand dieses Berichtes soll ein Über^ blick über die Formen solcher Bekundimgen sein. Im wesentlichen ist die Frage: Wie wird Gott vom eidetisdien Vermögen aufgenommen? Dabei müssen wir uns auf eine bloße Auswahl beschränken und ims äußerster Vereinfachung befleißigen, mit denen allein Ihnen für Ihre Fragestellung gedient ist. Insbesondere schieben wir alle historischen, kritischen, religionshisto rischen und besonders alle psychologischen Fra gen resolut beiseite. Unter solchen Vorausset zungen versuchen wir die Phänomenologie des Heiligen zu beschreiben. In einem zweiten Teil, der aus inneren Gründen, die zu nennen sein werden, wesentlich knapper ausfällt, fragen wir nach den Bekundungen der Gegenmächte, nach der Erscheinungswelt des Dämonischen. Erster Teil: PHÄNOMENOLOGIE DES HEILIGEN Zur Phänomenologie des Heiligen gehören sowohl Vorgänge, in denen Gott sinnenhaft erfahrbar wird, als auch Vorstellungen, die in Israel entstanden sind, dort heimisch ge worden sind und allezeit geholfen haben, sich ein sinnliches Bild des immer als wesenhaft geistig, d. h. unsinnlich verstandenen Gottes geheimnisses zu machen. Mit einer ungeheuren und bewunderungswür digen Anstrengung stemmte sich Israel gegen die Versuchung, Gott im Schnitzbild darzu stellen. Und dennoch wimmelt das ganze Alte Testament von Bildern, von Bildern der Sprache, von Manifestationen Gottes, die die Sinne des Menschen und über sie sein Herz erregen. Es handelt sich vor allem um folgende Phä nomene: I. Weisen der Gegenwart (ruhende Gegenwart), Hypostasen, II. Theophanien (dramatische Akte), III. Symbole imd Bilder. Zuerst handeln wir von den Hypostasen. Was ist damit gemeint? Es handelt sich dabei um Bekundungen Gottes, die als Erscheinungs formen Gottes selbst aufgefaßt sind, natürlich nicht in dem Sinn, als wären sie gegenständ lichen Charakters, also mit der Sinnesapparatur des Menschen oder mit dem physikalischen Ge rät faßbar. Dieser Offenbarungen des göttlichen Wesens gibt es vier, Gottes Namen, Gottes Engel, Gottes Glanzherrlichkeit, Gottes Angesicht. Name Gottes, das ist einfach Gott selber in seiner Benennbarkeit, in seiner Anrufbarkeit, also in der Möglichkeit der unmittelbaren Ver gegenwärtigung. Von diesem alten und schönen Namenglauben wissen wir Heutige nicht mehr viel, obwohl wir unser Gebet imd unser Werk zu tun vorgeben im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und obwohl wir uns im Gebet dafür einsetzen, daß der Name Gottes in der Welt geheiligt werde (2. Gebot!). Gottes Engel meint jetzt nicht die Engels scharen, sondern eine einzelne geheinmisvolle Gestalt, die in der Bibel des Alten Testamentes häuflg erscheint und die dann wohl in der IchForm redet (Gen. 21, 18. 22, 11), die also eigent lich Gott selbst ist, nicht in cier Transzendenz seiner Göttlichkeit, sondern gewissermaßen Gott „übersetzt" in sinnenfällige Gestalt. Der Engel Jahves in diesem Sinne ist nichts anderes als: id a s Erscheinen Gottes. Man hat ihn den Wesir Gottes genannt unter Verwendung orientalischer Vorstellungen (er ist das alter ego); man könnte ihn auch den Christus des Alten Testamentes nennen. Gottes Glanzherrlichkeit (kabod, doxa, gloria) ist wohl empfunden als wolkenumhüllteFeuer masse (Eichrodt II, 10). Was wir hier mit „Glanz herrlichkeit" wiedergeben, ist eines der Herz worte des religiösen Denkens der alten Bibel. Und es ist auch im Neuen Testament bedeutsam geblieben, insofern die Existenz in Gnade und Glorie mit eben diesem Wort beschrieben wird. Gottes Glanzherrlichkeit besagt nichts anderes als die sachliche Gewichtigkeit des göttlichen Wesens, die strahlenhaft den Kreaturen auf geht, die Summe aller Vollkommenheiten Got tes in ihrem Aufleuchten. Hier ist also das „Feuer-Motiv" in gesteigertster Form gegeben, von dem noch zu reden sein wird (Ex. 24, 15 ff.; Dt. 5, 20 ff.; Ps. 97 [96], 1—6). Diese Glanzherr lichkeit ist vielleicht die anspruchsvollste und adäquateste Bekundung Gottes. Im Sanctus der 3

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