Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 1

BUCHBESPRECHUNGEN NEUERSCHEINUNGEN ZUR KUNST DER GEGENWART Kirdienbauten von Hermann Baur und Fritz Metzger. Mit Beiträgen von Hermann Baur, Fritz Metzger, P^re Regamey, P^re Cocagnae und Rudolf Sdiwarz. Echter Verlag, Würzburg 1956. DM 22.90 Den gleichen Ausgangspunkt und den gemeinsam zurückgelegten Weg führt Hermann Baur als Be gründung für das ungewöhnliche Unternehmen an, das Werk von zwei Architekten gewissermaßen stellvertretend für die Entwicklung der neueren kirchlichen Architektur in der Schweiz herauszu stellen. Man möchte hinzufügen; das Unternehmen rechtfertigt sich vor allem durch den hohen Rang dieser Kirdienbauten, der sie von allem abhebt, was sonst in der Schweiz geschaffen wurde. Gemeinsamer Ausgangspunkt war die Situation der zwanziger Jahre; auf der einen Seite der Aufbruch in der Welt des Bauens, die neuen Einsichten in die Möglichkeiten und Voraussetzun gen einer eigenen Formensprache, auf der anderen Seite, in der Kirche, ein neues Erfassen des Wesent lichen vom Ursprung her. Aber keine Brücke schien über den Abgrund zu führen, der sich zwischen der Welt des Bauens und der Welt der Kirche schon seit viel längerer Zeit aufgetan hatte. Wer damals Kirchen bauen wollte, stand — nach Baurs eigenen Worten — zunächst „ein wenig verloren zwischen den Fronten". Um so nachhaltiger mußten auf die beiden jungen Architekten die ersten Versuche in dieser Richtung wirken; einerseits die französi schen Bauten, die den Lehrer der beiden, Karl Moser, zur Antoniuskirche in Basel inspirierten, andererseits die Fronleichnamskirche in Aachen von Rudolf Schwarz. Gemeinsam zurückgelegter Weg; er wird vor allem aus den Grundrissen und aus den Abbildungen deutlich. Wohl gibt es bei beiden Ar^tekten unverwechselbar eigenes —; so bei Her mann Baur Ziborium und Altarbaldachin —doch ist der stete wechselseitige Einfluß imverkennbar. Bei beiden, lassen sich zwei Perioden unterscheicien. So wohl S^t. Karl und Maria Lourdes in Zürich und die Kirche in Oberuzwil von Metzger als auch die Kirche in Dornach von Baur — die Kirchenbauten vor dem großen Kriege — lösen die Aufgabe, die Gemeinde im Einheitsraum zusammenzufassen, auf klare und einfache Weise. Der Gemeinderaum ist immer rechteckig. Nach dem Kriege werden Por tal, Gemeinderaum und Chor meist deutlicher unterschieden, jedoch werden sie durch freiere Grund rißformen wi^er zu einem Ganzen verbunden. Her vorragende Beispiele dafür sind: St. Franziskus in Basel, St. Felix und Regula in Zürich, die Bruder klausenkirche Gerlafingen (von Metzger); St. Martin in Zuchwil, die Bruderklausenkirche in Bern und die Bruderklausenkirche in Basel-Birsfelden (von Baur). Wo Hermann Baur in dieser Zeit noch den rechteckigen Grundriß wählt, erhält die darüber erbaute Kirche eine konsequente Bewegung zum Altarraum hin, wie etwa die Allerheiligenkirche in Basel. Immer überzeugender wii^d auch das Ver hältnis zur baulichen Umgebung gestaltet (wie in Ölten) und, wo sich die Möglichkeit dazu bietet, eine geschlossene Baugruppe erstellt (wie in Basel-St. Michael, wo Kirche, Pfarrhaus, Gemeindesaal und Altersheim zu einer Gruppe zusammengeschlossen werden). Die europäische Bedeutung dies^ Bauten würdigt Rudolf Schwarz; „Wir hatten in den zwanziger Jahren begonnen, das Unsere zu einer helleren, schöneren, leichteren Welt beizu tragen. Aber bei uns erlosch dann das Licht dieser Hoffnung. Die Schweiz hat es brennend erhalten." Und; „In der reichen Frucht unserer neuen Kirchen (naich dem Kriege) ist viel Saat aufgegangen, die in der Schweiz treu bestellt worden ist, und das mag so etwas wie ein Dank sein." Die beiden Architekten wissen sehr wohl, daß wir beim Erreichten nicht stehen bleiben dürfen. Hermann Baur selbst schreibt; „Vielleicht ist mm der Moment gekommen, wo wir, und vor aUem eine p.achrückende Generation, wieder hi einen freieren Raum des Schöpferischen eintoeten kön nen." Im gegenwärtigen Augenblick ist ims vor allem die Aufgabe gestellt, die malerische und bild nerische Kunst der Architektur zuzuorcinen, was uns bisher nicht überzeugend gelungen ist. Äußerste Wachsamkeit aber ist am Platze, wo sich profane Eleganz in unseren Kirchen produzieren will. Auch Baur und Metzger haben, so scheint mir, das Ein dringen solch unsakraler Elemente in ihre Kirchen bauten nicht ganz vermieden. In der wirtschaft lichen Blütezeit der letzten Jahre sind viele deut sche und österreichische Architekten dieser Ge fahr erlegen. Im ganzen gesehen müssen wir den beiden Schweizer Architekten dafür dankbar sein, daß sie „Maß und Mitte" gefunden haben (Rudolf Schwarz). Sie gehören ohne Zweifel zu den großen Durchbrechem einer „duckmäuserischen Konvention" (Rouault), haben statt „nichtssagender Kirchen, die überall und nirgends hin passen" Kirchen gebaut, in denen „Qualität und sakraler Char^ter" inte griert sind und in denen die „Gläubigen hinge führt werden ins geheimnisvolle ,Über-hinaus' der Dinigie und der Herzen" (Pere Regamey). G. R. Willy Weyres, Neue Kirchen im Erzbistum Köln 1945—1956. Mit einem Vorwort Sr. Eminenz, des Kardinals Frings. Schwann Verlag, Düsseldorf, 1957, DM 28.—. „Neue Kirchen sind der Regel nach nur in r^anischem oder gotischem, bzw. sogenanntem Uber gangsstile zu bauen. Für unsere Gegenden empfiehlt sich durchgängig am meisten der gotische Stil." So stand im „Kirchlichen Anzeiger für die Erzdiözese Köln" laut allerhöchstem Erlaß vom 7. Februar 1912 geschrieben. Von da war ein weiter Weg über die Kirchenbauten Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre (von Dom. Böhm und Rudolf Schwarz) bis zu jenen nach dem zweiten Weltkrieg. Seine Eminenz, Kardinal Frings, weist deutlich auf die veränderteSituationhin, die „sowohldurch die neuen Baustoffe wie durch die neue Auffassung von Sinn und Aufgabe der Liturgie und durch eine völlig neue Mentalität des Menschen von heute" entstanden ist. Da alle Emeuenmg im Geiste be ginnt, war zuerst eine vertiefte Einsicht in das Wesen des Meßopfers notwendig; es wird durch Christus imd den zelebrierenden Priester vollzogen und von der Kirche — dem Priester und den Gläu bigen — dargebracht. Für den Kirchenbau ergibt sich daraus die Dialektik der Absonderung des Altarraumes vom Gemeinderaum imd der Integra28

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2