Ganze der Wirklichkeit aiiffängt und gegen wärtig setzt. Es wird eine weltliche Ikone, wobei weltlich nicht als Gegensatz zu geistlich gemeint ist, um so weniger, als im Herzen der Welt das Wort wohnt. Nur hier, nur an dieser Stelle, wo das wahre Kunstschicksal unserer Zeit durchgebrochen ist, kann die Auseinandersetzung lun das Wesen und die Möglichkeit moderner Sakrälkunst fruchtbar werden. Anders gesagt: wenn es nicht gelingt, die weltliche Ikone der modernen Kunst, ohne aus dem geschichtlichen Schicksal imserer Zeit in ein Niemands- und Nirgendsland eines Ewigen Friedens der Religion auszubrechen, in eine geistliche Ikone zu erhöhen, dann mag da und dort ein Bildwerk entstehen, das gewisse Eignungen aufweist, um in einem Sakralraum den Weihecharakter eines Sakralgegenstandes zu empfangen; es hat diesen aber niemals aus der Intensität des eigenen Lebens, d. h. es hat nicht die Kraft der letzten Gegenwärtigsetzung heiliger Wirklichkeit, es ist nicht „angenom men". Der Weg zur geistlichen Ikone ist, wenn wir den Blick auf die Wirklichkeit unseres Zeit alters gerichtet halten, einfach imabsehbar. Denn wenn Bild nur unter der Bedingung Ikone wird, daß es das Ganze der Wirklichkeit auf sich zu beziehen vermag, weil es virtuell, der Kraft nach, diese ganze Wirklichkeit schon ist, dann muß die Wirklichkeit imserer Lebenswelt selbst wieder geistlich werden, und das nicht nur im Bewußtsein des Künstlers selbst, son dern in dem einer Gemeinde, ja mehr noch, der Zeit. Wer aber will si^ eine künftige Zeit vor stellen, die aus der innersten Nötiguhg der Wahrheit geistlich gesonnen ist? — Wieder muß der Blick auf unser Zeitalter verzweifeln machen. Und doch können wir von der Wirk lichkeit unserer Zeit nicht wegsehen, denn der Weg zu jener andern, hur geahnten Möglichkeit einer geistlich durchlichteten Welt führt nur durch das Zeitgeschick hindurch. Es nützt nicht viel, sich immer wieder auf ein Fenster vöii Rouault oder Bazaine, ein Steinmosaik von Karl Knappe oder auf Le Cörbusiers Wallfahrtskirche von Ronchamp zu berufen, um zu beweisen, daß sakrale Kunst jetzt und hier möglich ist. Ja, sie ist möglich, aber immer nur als Angeld imd in der Bedrohung, mit dem Verschwinden ein maliger schöpferischer Potenzen für unbe stimmte Zeiten abzubrechen. Eben diese Gefahr wird nur gebannt, wenn der christliche Künst ler sich ohne Selbstschonung in die Formaus einandersetzung der Zeit hineinstellt. Konfrontieren wir jetzt in der Frageperspek tive unseres Themas noch einmal die abstrakte Kunst — die hier als Ganzes genommen sei, ungeachtet ihrer vielartigen geschichtlichen Er scheinungsformen — mit dem, was uns als ein durchgehender Zug der Sakralkunst erschien: der Bruch mit dem Rhythmus des Naturgesche hens, so drängt sich die Meinung auf, die ab strakte Kunst habe geradezu eine besondere Disposition zum Sakralen. Welche Einwände von großem Gewicht gegen diese Meinung er hoben werden können, soll hier nicht besonders erörtert werden. Diese Auseinandersetzung erfolgte in einem Re ferat, das auf einer Tagung im Stift Wilhering Juli 1955 gehalten wurde. Vgl. Christliche Kunst blätter (1955), Heft 3, S. 98 ff. Es mag genügen, einige Punkte anzuführen, die den ausgesprochenen Gedanken vielleicht nicht allzu befremdlich erscheinen lassen: Man hat sich z. B. bemüht, nachzuweisen, daß sich im Übergang der spätantiken christlichen Kimst zur frühmittelalterlichen Kunst des 6. und 7. Jahrhunderts die Tendenz geltend machte, alle Raumanspielungen illusionistischer oder plastischer Natur dem Gesetz der Fläche zu opfern, weil man von dem Gefühl der „Heilig keit der Fläche" durchdrungen war. Diese Ten denz mag zu den geschichtlichen, also nicht konstanten Erscheinungsformen des Sa kralen gehören, sie wirkt zweifellos bei Kandinsky imd in seinem Gefolge bei einer Reihe von abstrakten Malern vor allem des Bauhauses, fast noch eindeutiger in der Konsequenz der Flächenhaftigkeit bei Malevitch und Vordemberge-Gildewart nach, wenn hier progressiv alle raumerzeugenden Gestaltelemente ausgeschieden und die Fläche zum einzigen Ereignisfeld der Form gemacht wird. Der Natursinn der Formen kann nicht radikaler angefochten werden als durch diese unbedingte Bindung an die Fläche, ob sie nun zu strenger Geometrisierung oder zu einer freieren Zuordnung der Bildfelder führt. — Das scheint ein ganz immanentes Form problem zu sein, ist meist auch als solches von den Künstlern verstanden und jeweils zur Lö sung gebracht worden. Aber das schließt nicht aus, daß hier ältere Formerinnerungen nach wirkten und wir vor solchen „Kompositionen", wie sie gerne genannt werden, die (Gewalt des Gesetzhaften mit einer Intensität erfahren, die dem sakralen Schauer nahekommt. Gewiß, die Fläche auf den Formgefügen Mondrians hat nach der Absicht dieses Künstlers geradezu die Funktion, jeden Keim von Subjektivität und irrationalen Spannungen in der strahlenden Leere dieser rechtwinkligen Farbfelder zu tilgen und so einen unangefochtenen Ort von reiner rationaler Hiesigkeit zu schaffen. Aber die Intention eines Künstlers hat sich gegenüber der höheren Wirklichkeit seines Werks oft als soviel kurzlebiger erwiesen. Die Disziplin der Mondrianschen Flächenkunst ist bekanntlich 24
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