Günter Rombold Morphologie der sakralen Kunst Unter diesem Titel veranstaltete der Katholische Akademikerverband Österreichs in der Zeit vom 11. bis 14. Juli 1956 in Schloß Puchberg bei Wels (Oberösterreich) Tage der Diskussion. Sie sollten dem gleichen Ziel dienen wie die erste derartige Tagung in Wilhering (vgl. die Sondernummer der „Christlichen Kunstblätter' 1955, Heft 4): der Begegnung von Kirche und moderner Kunst. Künstler, Kunsttheoretiker und Kritiker kamen mit Theologen und den für den Kirchenbau Verantwortlichen ins Gespräch über das ebenso schwierige wie grundlegende Problem der „Morphologie der sakralen Kunst'. Eine besondere Freude war für alle Teilnehmer der Besuch Seiner Exzellenz, des Hochwürdigsten Bischofs von Linz, Franciscus Salesius Zauner. Exzellenz Zauner wies darauf hin, wie viele wichtige Aufträge die Kirche heute zu vergeben habe und wie sehr ihr daran gelegen sei, Künstler zu finden, die fähig sind, echt sakrale Kunstwerke zu schaffen. Tage der Diskussion in Puchberg Die Referate der Tagung waren als Diskus sionsgrundlage gedacht. Sie wollen auch so gelesen werden und nicht als „Prolegomena einer jeden künftigen Kunsttheorie". Gerade weil wir wissen, wie heikel die hier behandelten Probleme sind, sind wir den Referenten, die ihre Manuskripte zur Verfügung gestellt haben, be sonders dankbar. Sakral ist — wie schon das Wort sagt — jene Kunst, in der das Heilige transparent wird. Darum stand am Anfang der Tagung das Referat von Stadtpfarrer Bernhard Hanssler über die „Phänomenologie des Heiligen imd des Dä monischen in den Heiligen Schriften". Neben dieser theologischen wäre freilich auch eine philosophisdie Phänomenologie des Heiligen wünschenswert gewesen, die allerdings noch kaum versucht wurde, und wo es geschah, zu sehr unbefriedigenden Ergebnissen gekommen ist. Nach wie vor ist das Verhältnis des Sakralen außerhalb des christlichen Bereiches zu dem innerhalb desselben ungeklärt. Stadtpfarrer Hanssler sprach vor allem über die „Hypo stasen", Theophanien und Symbole des Heiligen Gottes im Alten Testament. In der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ob Christus — obwohl er in der Gestalt der Erniedrigung er schien — nicht auch eine, ja sogar für die christ liche Kunst die maßgeblichste Offenbarung des Heiligen sei. Im Gottesdienst tritt die Gemeinde vor den Heiligen Gott. Hier, und nicht da, wo der Heilige Gott dem einzelnen begegnet, ist der eigentliche Bereich der sakralen Kunst. Diese setzt daher immer ein Verständnis der „Gestalt" des Got tesdienstes voraus. Einen Versuch, diese zu um reißen, gab Dr. Heinrich Kahlefeldin einem zweiten theologischen Vortrag: „Morphologie des christlichen Kultes". Er untersuchte zcmächst das Phänomen des Kultes, und zwar des alttestamentlichen Kultes. Dann stellte er die Frage, ob es auch im Neuen Bund, nach Voll bringung des Erlösimgsopfers, noch einen Kult gebe. Er beantwortete sie dahingehend, daß Christus zwar den Tempelkult seinem Schicksal überließ, daß er damit aber das kultische Wesen nicht abgetan, sondern neubegründet habe. Die Gestalt des neutestamentlichen Kultes ist das Mahl, das schon von jeher für den Menschen Zeichen göttlicher Huld gewesen ist. Freilich sieht sich auch der neutestamentliche Kult stän dig den entgegengesetzten Gefahren der Verkidtung (der Isolierung des Kultes) und der Entkultung (der Bedrohung der Eigenständig keit des Kultischen) ausgesetzt. Ihnen kann nur dadurch begegnet werden, daß man sich immer wieder auf die Grundgestalt des Kultes (das „primär-Kultische") besinnt imd nicht das histo risch Hinzugewachsene (das „sekundär-Kul tische") damit verwechselt. — In der Diskussion wies Dr. Kahlefeld noch einmal darauf hin, daß sich aus der Morphologie des neutestamentlichen Kultes Fordenmgen ergeben, die die künst lerische Gestalt berühren. Der Künstler müsse sich die Frage stellen, wie sich der Raum zu dem ordne, was in ihm geschehen solle. Damit war bereits die Problematik des Refe rates von Dozent Gerhard E g g e r vorbereitet: „Strukturanalyse der sakralen Kunst". In der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ob Dozent Egger tatsächlich eine „Strukturanalyse" der sakralen Kunst geboten habe. Diesen Begriff und die mit ihm gemeinte Methode hat die Kunstgeschichte bekanntlich von der Psychologie übernommen. Diese versteht unter Struktur den inneren Aufbau eines Lebendigen zu einer Ein heit durch ein organisierendes Prinzip, unter Strukturanalyse deren Untersuchung. Die Kunst geschichte verwendet die Methode im allgemei nen zur Interpretation eines Einzelkunstwerks. Hier würde dagegen imter der sakralen Kunst ein „Typus" verstanden, dessen eigentümliche Struktur zu imtersuchen wäre. Ob diese Auf1
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