giösen Bildsinnes, vor denen man sich fragen konnte, ob sie nicht bis hart an die Grenze des Sakralen stoßen, so sehr ist hier das Übernatür liche Ereignis. Aber schon war kein Sakralraum dieser Zeit denkbar, der ihnen zugeordnet ge wesen wäre. Und so bleiben sie, wie das ganze Werk Marees', ein gegen die Zeit in eine postu lierte Überzeitlichkeit hineingetrotzte Monu mentalität ohne Gemeinde. Wo hätte auch im 19. Jh., das von dem Willen gezeichnet ist, die schon seit den Tagen des Frühhumanismus an gesetzte Gleichung zwischen Mensch und Natur in vollem Umfang durchzuführen, die Epiphanie des Heiligen auf glaubwürdige Weise statthaben sollen? Das Ergebnis jener Gleichimg war der Leerraum, in den hinein man den Tod Gottes ver kündete, wohl ahnend, daß damit auch die End lichkeit zu nichts als einem menschenfressenden Schlund geworden ist. „Es geht kein Mensch unter, außer der sich der Natur gleichgemacht hat", heißt es bei Konrad Weiß in einem Auf satz, der „ölberg der Zeit" betitelt ist. Und eben dieses Geschick des Untergangs an und in der Natur wiederholt sidi seit Hölderlin, seit G^rard de Nerval bis Nietzsche und in unser Jahrhun dert hinein ungezählte Male, in der Malerei auf eine besonders erschütternde Weise im Schicksal van Goghs. Das Leben dieses Malers hat die ganze Schärfe des Tragischen, weil es, vielleicht in der Ahnung dessen, was aus dieser Ausweg losigkeit hätte herausführen können, dieses Schicksal dennoch will. Konrad Weiß zitiert in seinem Vortrag über „das gegenwärtige Pro blem der Gotik"^) eine Briefstelle van Goghs, wo dieser „eine seiner Landschaften beschreibt und betont, er wolle zeigen, daß man die Im pression des Angstgefühls auch geben kann, ohne gleich geraden Wegs auf das historische Gethsemane loszusteuern." K. Weiß bemerkt zu dieser Briefstelle: „Das spricht ein Künstler, dessen subjektive seelische Erfahrimg vor dem Blick in die Natur bis zu der Ahnung von Gethsemane reichend wach wurde, der aber mit seinem seelischen Kampfe an die Natur und ihre Formantwort gebunden bleiben und den geschichtlichen Komplex ausgeschaltet haben wollte . . ." (A. a. O., S. 17.) Dieses haarscharf am geschichtlichen Gethsemane Vorbeigehen und eigensinnige Verharren in der Natur, wo bei Natur das Ganze der menschlichen Mög lichkeiten umspannt mit Ausnahme eben seiner menscheneigensten Möglichkeit, sich zu transzendieren, bezeichnet die Situation der modernen Kirnst, in die fast alle Künstler unseres Jahrhimderts, von wenigen aufzählbaren Sonder fällen abgesehen, willentlich oder nicht, immer aber schicksalhaft, hineingezogen sind. Auf dem Benno Filser Verlag, Augsburg 1927. Hintergrund dieser Vorentscheidung, die unser Zeitschicksal ausmacht, muß man die Sprüh garbe von Formtendenzen sehen, die vielleicht nicht nur aus dem Reichtum eines höchst lebens kräftigen Formtriebs kommen, sondern von der Not hervorgetrieben werden, durch die Form, das menschlich Absolute der Form, sich selbst zu gewinnen. Es wird sich vielleicht, ohne den Gegebenheiten Gewalt anzutun, zeigen lassen, daß in jeder dieser Formtendenzen ein beson deres Moment der künstlerischen Gestaltung die Führung hat und auf seine Tragfähigkeit für das ganze Gewicht der menschlichen Aussagelast bis zum Erliegen durchgeprobt wird. An das jeweilige Formmoment, wie es sich aus der ge schichtlichen Arbeit einer Kunstbewegimg her ausbildet, wird auch unsere Frage anzuknüpfen haben, welche Möglichkeiten die einzelnen Kunstrichtungen für die sakrale Kunstgestal tung jeweils bereithalten. Beginnen wir, ohne ims darum im weiteren an eine chronologische Folge zu binden, mit der zeitlich frühesten Bewegimg der modernen Kunst, mit dem Impressionismus. Der Impres sionismus, der von ganz konkreten Erfahrungen der Malweise ausgeht, dieser etwa, daß „zwei Farben gemischt, sich aufheben, aber nebenein andergesetzt sich gegenseitig erhöhen", wirft über die ganze Sinnenwirklichkeit das Netz solcher sich steigernden Farbenwerte und treibt dies Geschäft mit einer Hingebung und naiven Eroberungslust, als hätte er damit ein Mittel an der Hand, die Erde von allen Schlacken des Aiterns und der Bosheit zu reinigen. Der Im pressionismus ist der Rausch der Distanz zu aller substanziellen Wirklichkeit, zur eigenen wie zu der der Dinge, indem er sich auf der Mitte hält, wo beide nur ihre Oberfläche haben, ohne aber darum die Wirklichkeit ganz zu ver lieren. Der Sinnenreiz als die zarte Schwelle, wo der empfindende Mensch und die reiz geladene Oberfläche der Dinge sich treffen, ist niemals so absolut genommen worden wie dort. Man hatte den Schlüssel zu einem Reich un erschöpflicher Ekstasen, die zu allem noch das eine Gute hatten, zum Unterschied von den töd lichen Ekstasen der Romantik, daß sie nicht weit über den Boden hoben. — Man braucht weder Renoir noch Monet, weder Degas noch Sisley nach ihrem Kredo zu fragen, ihr malerisches Kredo läßt keinen Zweifel, daß sie auf die Gründe und Abgründe des Daseins nicht son derlich neugierig waren. Kulturkritiker haben im Impressionismus die Euphorie der sterben den bürgerlichen Welt gesehen, diese Maler selbst waren sieh dieses gefährlichen Hinter grunds ihres Tuns wohl kaum bewußt. Hier ist zum erstenmal und besonders deutlich zu be20
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