Christliche Kunstblätter, 95. Jg., 1957, Heft 1

erkannt werden. Wir können sie nur in Relation und Opposition erkennen, die sie mit ihres gleichen hat. Wir sind unfähig, einfache Er kenntnisse propter sibi zu erfassen, sondern nur verflochtene." Das heißt Gestalt, bezogen auf ein Höheres.Dem nun entspriditaudi die künst lerische Gestaltimg, sofern sie Anspruch auf Kunst und Gültigkeit hat. Sie ist Objektivie rung einer subjektiven Erkenntnis, Sie ist Ge staltung einer Ordnung und damit Gleichnis höherer Ordnung. Höher zu werten dann, wenn sie Ordnimg im Rahmen einer noch sicht baren, erkennbaren Welt nachweist als einer subjektiv bezogenen, nicht erkennbaren Welt. Während die gegenstandslose Kunst eine von sich aus gesetzte subjektive Ordnung setzt — im Sinne einer Hermeneutik, der Gnosis, ist die gegenstandsbedingte Kunst von Altamira bis Picasso darum bemüht in allen Verwandltmgen, die der (Gegenstand in ihr gemäß den sich wan delnden Raumvorstellungen anzunehmen ver mag, aus der sichtbaren Welt jene Ordnung herzustellen, die gleichnishaft das Irdisdie mit jener höheren Realität konfrontiert, die der Künstler als Gtesdiöpf mit seinen schöpferischen Möglichkeitenfühlt. Cezanne legt dafür Zeugnis ab, wenn er sagt: „Sie sprachen mir neulich von Kant. Vielleidit rede ich dummes Zeug, aber mir sdieint, daß ich das subjektive Bewußtsein dieser Landsdiaft wäre und die Leinwand das objektive Bewußt sein. Meine Leinwand und die Landschaft, bei des außer mir, aber die letztere chaotisch, flüch tig, wirr, ohne logisches Leben, ohne jede Ver nunft, die erstere dauernd kategorisiert, dau ernd teilhabend an der Modalität der Ideen." Und weiter: „Der Inhalt unserer Kunst liegt in dem, was imsere Augen denken. Es gibt einer eine malerische Wahrheit der Dinge: alles, was wir sehen, zerstreut sich, flieht. Die Natur ist zwar immer dieselbe, aber von ihrem Erschei nungsbild bleibt nichts. Unsere Kunst muß ihr das Erhabene der Dauer verleihen. Wir müssen ihre Ewigkeit erst sichtbar machen. Was ist hin ter den Naturerscheinungen? Nichts vielleicht, vielleicht alles? Die Landschaft — und damit das Objekt immanisiert sich, denkt sich in mir. Ich objektiviere und flxiere sie auf meiner Lein wand!" Dazu äußerte sich weiter Matisse: „Es gibt eine innere eingeborene Wahrheit, die in der äußeren Erscheinung eines Objektes enthal ten ist, und die in seiner Darstellung aus ihr heraus sprechen muß." Wir werden im Anhang sehen, wie weit dies dem Begriff James Joyces von der Epiphanie entspricht. Hören wir noch einmal Thomas von Aquin: „Das Wirken der Kunst und der Vernunft muß gleidiförmig sein, dem, was der Natur gemäß, also von der göttiichen Vernunft gegründet ist. Das Wissen der menschlichen Vernunft wird in bestimmtem Sinne von den Dingen verursacht, so tritt zutage, daß die erkennbaren Dinge das Richtmaß des menschlichen Wissens sind. Da durch nämlich, daß die Wirklichkeit sich so ver hält, ist ein Urteil der Vernunft wahr, nicht aber ist es umgekehrt. Der erkennende (Geist Gottes aber ist durch sein Wissen das Richtmaß der Dinge. Es ist also notwendig so, daß (Gottes Wis sen das Richtmaß der Dinge sei, wie die Kunst das Richtmaß der Kunstwerke ist, deren jedes soweit vollkommen ist, als es mit der Kunst übereinstimmt. Ganz ebenso also vergleicht sich (Gottes erkennender Geist den Dingen, wie die Dinge der menschlichen Erkenntniskraft." Was ist nun die geistige Realität letzten Endes? Rein psychologisch gesprochen, gibt es viele Formen dieser Realität. Die Realität der geistigen Welt des Schizophrenen ist unzweifelbar für das betroffene Subjekt von einer un bedingten Wirklichkeit. Sie ist aber ichbezogen und in einem höheren Sinne imgeordnet. Das Wesen der Kunst besteht aber in der Objekti vierung, die aus der Erkenntnis des Wesens des Speziellen fortschreitet zur Ablesung allgemein verbindlicher imd gültiger Beziehungen. Dabei erscheint der große Künstler letzten Endes immer wieder als anonym, das heißt, er geht in dem allgemeinen Ganzen seiner Darstellung auf, da er von ihm ergriffen ist. Das sinnvolle Ganze der Darstellung nun ist ein Gleichnis der Erkenntnis jener höheren, geistigen Realität. Von ihr gibt es verschieden wertvolle und wert mäßig gebimdene Wirklichkeiten. Ein Neger fetisch entspricht einer geistigen Wirklichkeit, die eine bestimmte strukturelle Disposition des Menschen zur Realität der Natur voraussetzt. Einer magisch gebundenen und bedingten Wirk lichkeit. (Gebimden hier in einem tieferen Sinne, weil Abhängigkeit und Identiflzierung mit Kräf ten, die auf Grund geheimer Operationen zu beherrschen sind, das Weltbild bestimmen. Dies ist aber nur eine mögliche Form der Wirklich keit. Die der Renaissance zum Beispiel setzt den Glauben an eine unmittelbare Beziehung zu einer realen materialistischen Wirklichkeit vor aus, in der der Mensch vereinsamt in der Un endlichkeit steht. Sie ist gottfemer als andere Möglichkeiten der Darstellimg. Warum aber? Weil sie den Menschen aus einem großen Sinn zusammenhang löst, der früher bestand imd der den Menschen in der Einheit des sakralen Rau mes in den Rahmen der Offenbarung stellte. Dieser Sinnzusammenhang, der den Menschen als teleologisch gesehenen Anlaß und Mittel punkt der Heilsgeschichte sah, wurde zerbrochen 14

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