Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 3

eine wichtige Funktion zu, sondern auch bei Einrichtungsstücken im Raum. Der Haupt- und Zielpunkt der ganzen Kir chenanlage ist der Altar. Zu dem Altar hin führt der Prozessionsweg des Langhauses und vor diesem Altar stehen die Gläubigen im Querhaus aufgereiht. Im ursprünglichen Zustand der kon stantinischen Zeit ist dieser Altar ein Tisch, über dem ein Baldachin über quadratischem Grund riß errichtet ist. Dieser Altar dient nur dem Zweck der Abhaltung des Opfers. Eine ver änderte Form bringt der Konfessioaltar, der im Zusammenhang mit der Einrichtung der Reliquienverehrung und -rekondition, vor allem eines Grabes unter dem Altar steht. Er besteht aus einem Kasten mit einer Platte als Tisch; der Kasten ist an der Rückseite offen zugänglich mit einem Raum über dem Grab für Gebet, Opfe rungen und Weihungen. Gegenstände wurden hier hingelegt, um sie durch die Berührung mit dem Grab zu weihen und private Andachten verrichtet. Gregor von Tours berichtet, daß man in Rom an manchen Stellen den Kopf in so eine Konfessio hineinstecken mußte, um eine be stimmte Weihe zu erlangen. An solchen Altären wurden Lampen aufgestellt, Inzensierungen und Libationen vollzogen. Es sind also liturgisch kultische Einrichtungen, die, wenn sie auch am Rande der eigentlichen Meßliturgie stehen, diese Form des Haupteinrichtungsstückes des gottes dienstlichen Raumes formen (Abb. 38). Im späteren Mittelalter wird der Altar im Zusammenhang mit der Dramatisierung der Messe immer mehr zur Schauwand. Damit hängt einerseits die neue Wendung des Priesters zu sammen, der nun nicht mehr versus populum, dem Volke zugewendet, sondern in der Richtung des Volkes vor dem Altar stehend die Messe zelebriert, andererseits die Notwendigkeit und Möglichkeit, diese Wände besonders zu schmükken. Daraus entstand der Retable, der in frühesten Beispielen in Italien im 12. Jh. nachgewiesen werden kann und der als Schauwand mit einer reichhaltigen Bildergeschichte nicht nur dem Vollzug des Opfers, sondern auch der Unter weisung und religiösen Vorstellung dient. Diese Art des Altares hat sich nicht gleich entschieden durchgesetzt. Noch im 13. Jh. verbot z. B. ein über ritualis aus Magdeburg die gemalten und geschnitzten Bilder auf dem Altar und bezeich net sie als gottlos. Im 15. Jh. war aber dieser Typus als Retabel und Flügelaltar voll einge führt. Im Anschluß an das Tridentinische Konzil, in dem unter anderem auch über die ständige Gegenwart des Altarsakramentes abgehandelt wurde, vollzog sich wiederum eine sehr bedeu tende Neuerung in der Form der Altäre, da die Aufbewahrung einer konsekrierten Hostie im Altar verlangt wurde. Das führte zur Ausbil dung des Tabernakels. Durch diese Forderung nach ständiger Gegenwart Gottes im Altar wan delte sich die große mit Bildern und Plastiken besetzte Schauwand zu einem architektonischen Aufbau. Die wesentlichen Elemente aller Ba rockaltäre, die — stark im Zusammenhang mit den Jesuiten — von da ihren Ausgang nehmen, sind eine große, die ganze Ostwand der Kirche einnehmende Säulenarchitektur, die wie ein Baldachin den Tabernakel umstellt, und ein großes Altarbild oder eine plastische Gruppe, die die Rückwand der ganzen Anlage bilden und oft von Plastiken umrahmt sind. In die Reihe derartiger Zusammenhänge zwi schen Liturgie und Form gehört nun auch — um ein weiteres Beispiel zu nehmen — das Gefäß für die Aufbewahrung und Aussetzung des Sakramentes. In den frühesten Zeiten wurde die konsekrierte Hostie in eine Pyxis — mög licherweise anfänglich auch nur in den Kelch — gelegt, und mit diesem Gefäß im Baldachin über dem Altar aufgehängt. Dadurch war zumindest während der hl. Handlung eine ständige Gegen wart Gottes möglich. Für diese Einrichtung gibt es in gleichzeitigen Quellen eine Symbolerklä rung, nach der der Altar' mit der Bundeslade verglichen wird. 'Wie Gott über der Lade des Alten Bundes gegenwärtig war, so soll nun Gott in der konsekrierten Hostie in der Pyxis über der Lade des Neuen Bundes, dem Altar, ebenso gegenwärtig sein. In der Zeit wieder, in der der Gottesdienst auf das Sichtbare, Schaubare, Dra matisierte hinführt, wird dieses Aufbewah rungsgefäß verändert. Vorerst entstand die noch in mehreren Beispielen erhaltene Hostientaube des 12. und 13. Jh.s, die in den Baldachin über dem Altar aufgezogen wurde; die konsekrierte Hostie wird hier zwar selbst nicht sichtbar, die Gegenwärtigkeit aber durch das Symbol des Hl. Geistes bildlich unterstützt. Die entscheidendste Wandlung kam aber mit der Einführung des Fronleichnamsfestes durch Papst Urban IV. im Jahre 1264. Dieses Fest ist der höchste Ausdruck gotischer Sichtbarkeit des Gottesdienstes und Sichtbarkeit der verwandel ten Gestalt. Zu dieser Sichtbarkeit gehört ein Gegenstand, mit dem man die verwandelte Hostie in feierlicher Prozession sogar außerhalb der Kirche herumtragen kann. Dazu gehört ein Gerät, das in kostbarster Weise sichtbar in der Mitte den Platz für die Hostie wie eine Archi tektur, wie eine Kirche im kleinen umrahmt und dadurch gleichsam eine Funktion des Kir chengebäudes übernimmt. Die daraus neuent standene Monstranz hat sich als wichtigstes sakrales Gerät auch für den feierlichen Gottes dienst, besonders aber die Anbetung in der / ■

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