dienstlichen Abschnitten gibt es immer wieder Einzüge und Hinzüge zu besonderen Zielpunk ten und daher wird in jedem Raumteil immer wieder die Richtung betont, über die die eine Richtung, die durch das Ganze zum Hauptaltar durchführt, die ganze Raumfülle zusammenfaßt. Diese Einrichtungen haben schließlich zu den riesenhaften Kirchen mit Längenausdehnung bis zu 150 und 160 Meter geführt, in denen man nur mehr in der feierlichen Prozession das Ganze als Einheit sehen kann (Abb. 34). In bewußtem Gegensatz zu diesem System wurde durch den über usuum der Zisterzienser aus dem Jahre 1119 alles an entbehrlicher Feier lichkeit und Vielseitigkeit in Liturgie und Kir chenraum weggelassen und in Betonung der Schlichtheit und Einfachheit alles auf das not wendigste Maß beschränkt. Da an den Haupt teilen der liturgischen Einrichtungen nichts geändert wurde, bleibt im wesentlichen der langgestreckte Prozessionsraum erhalten, aber alle Vielräumigkeit wird weggelassen. Daraus entsteht ein dreischiffiger basilikaler Langhaus bau mit einem quergelagerten Raum und in den ursprünglichen Beispielen ein gerade abgeschlos sener Chor. Die straffe Gliederung dieser Räume hat die Ausbreitung der Frühgotik in ganz Europa sehr begünstigt (Abb. 35). Die für das spätere Mittelalter so bedeutende Tendenz nach Reduzierung und Vereinfachung des architektonischen Systems wurde von den Bettelorden sehr wesentlich gefördert. Die Do minikaner bestimmten durch den Ordo von 1244, der im Jahre 1256 Gesetz wurde, wesentliche Veränderungen für den Gottesdienst in ihren Kirchen. Es waren vor allem Kürzungen, die eingeführt wurden: im Stufengebet, Graduale und vor allem am Beginn der Messe. Diesen Kürzungen entgegengesetzt wurden Dramatisie rungen des Hauptteiles, z. B. das Ausbreiten der Arme und die Predigt neu eingeführt. Diese Änderungen spielen liturgisch eine große Rolle, da durch sie die Eröffnungsfeierlichkeiten ver schwinden und einem neuen Teil, der Predigt, das Ubergewicht geben. Kirchengeschichtlich hängt das mit der Ketzer- und Häretikerbewe gung des späten Mittelalters zusammen und der daraus folgenden Notwendigkeit, die Gläubigen auch bei der Messe zu unterweisen. Diese litur gischen Einrichtungen brachten in der Bauweise der Bettelorden sehr bedeutende Konsequenzen. Das idealste Beispiel dafür ist die Dominikaner kirche von Toulouse aus der zweiten Hälfte des 13. Jh.s, die mit dem gesamten System mittel alterlicher großer Kathedral- und Klosterkirchen bricht und den Typus eines zweischiffigen Saa les, in dem in der Mitte eine Säulenreihe steht, verwendet. Diese Raumeinrichtung eignet sich zu Prozessionen überhaupt nicht mehr. In so einer Kirche ist kein Einzug mehr möglich; hier kann der Altar sogar an eine Längswand ge stellt werden, was eine völlige Umordnung des Raumes ergibt. Das Ganze ist wie ein Versamm lungsraum, in den man von allen Seiten ein treten kann. Hierin finden wir innerhalb des Mittelalters eine der schärfsten Konsequenzen in räumlicher Beziehung auf eine liturgische oder bestimmungsmäßige Neuerung. Im Zusam menhang mit diesem stehen auch die sehr weit gehenden Konsequenzen der Franziskaner, die auch in ihren Ordines große Bedeutung auf Kürzungen, Vereinfachung und Schlichtheit leg ten. Dadurch wird von dem langgestreckten Bau immer mehr abgesehen. Das Mittelschiff wird breit und nähert sich einem quadratischen Grundriß mit kubischer Konstruktion. Die als Franziskanerkirche gebaute Wiener Minoritenkirche ist ein völlig quadratisch komponierter gotischer Raum, der gleichsam nach allen Seiten hin gleich geordnet ist und an jeder Stelle die Möglichkeit für die Aufstellung des Altares und der Kanzel bietet. Scharf im Gegensatz zu diesen klösterlichen Neuerungen steht der mittelalterliche Kathe dralgottesdienst, vor allem der Gotik des 13. Jh.s, der die Tradition der Benediktiner in gewisser Weise fortführt. Dorther stammen die Einrich tungen der Gottesdienste an den Kathedralen des Hochmittelalters. Entscheidend bei diesen war die Verstärkung des Gesanges und die Ver stärkung der Sichtbarkeit der Handlung, eine Intensivierung der Schaubarkeit der Messe als einem großartigen Geschehen. Jungmann nennt das die Auffassung der Messe als eine drama tisierte Darstellung des heilsgeschichtlichen Vor ganges, vor allem des Leidens, Sterbens und Auferstehens Christi, beginnend mit den Sehn suchtsrufen der Patriarchen und Propheten und schließend mit der Himmelfährt des Herrn. Zu diesem kommt die im 13. Jh. stärker betonte rememorative Allegorese der Messe: die Vor stellung der Gleichsetzung der Messe mit einer Wiederholung des Todes Christi. Das Erscheinen Gottes selbst steht dabei im Mittelpunkt, das durch die Neueinführung der Elevatio der Ge stalten seinen sichtbaren Ausdruck erhielt. Die ses Sehen der Gestalten wurde sogar der Kom munion gleichgehalten und es heißt in manchen Stellen, die Gläubigen stürzen am Sonntag von Kirche zu Kirche, um jedesmal bei der Elevation dabei zu sein, und riefen dem Priester zu, er solle sie noch höher halten. Durch diese Vor stellung ist die Ausbildung der gotischen Kathe dralchöre bedingt, deren Formelement das Schauen, Sichtbarmachen, das Licht und der lichterfüllte Raum sind. Es ist natürlich nicht
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