G. Egger (Wien) Liturgie als Grundlage sakraler Kunst Vortragsresüme Die Kirche hat zur praktischen Religionsaus übung der Gläubigen, begründet auf Theo logie und Tradition, den Gottesdienst eingerich tet, der durch einzelne Bestimmungen geregelt und festgelegt ist. Dieser Dienst, die Liturgie, bedarf zu seiner Durchführung gewisser For men. Diese Formen können innerhalb der durch die Bestimmungen gesetzten Grenzen allgemei nen historischen Wandlungen unterworfen sein. Sie erfassen den Raum, das Gerät, das Gewand, das Bild und schließlich auch die Musik, die Sprache und die Gebärde. Diese Dinge können unter gewissen Voraussetzungen Kunstwerke sein, stehen aber immer in Abhängigkeit von der Liturgie. Aus einem liturgischen Erfordernis muß wohl eine Form, aber noch kein Kunstwerk entstehen; ~ daneben kann es im kirchlichen Be reich Kunstwerke geben, die von liturgischen Erfordernissen unabhängig sind. Wenn somit die Liturgie nicht die einzige Erklärung für Form und Gestalt sakraler Kunstwerke sein kann, so besteht im großen gesehen eine starke Zuordnung von Liturgie und Kunstwerk. In erster Linie steht hier der gottesdienstliche Raum. In der Geschichte der hl. Messe — ich berufe mich in diesen Fragen auf das Werk: Missarum solemnia von Jungmann — ist das erste entscheidende Phänomen, daß ihr Kern, der Canon actionis, von der vorkonstantinischen Zeit an in seinen wesentlichen Teilen unver ändert blieb. Dieser Teil ist weder an einen bestimmten Raum noch an einen bestimmten Ort gebunden. Es ist zwar naheliegend, und in den meisten Fällen auch so geübt worden, diese Messe in einem Innenraum abzuhalten, aber auch das war keine unbedingte Notwendigkeit. Es war möglich, diese Messe in einem Haus, in einem Grab, in einem unterirdischen Gewölbe oder sonst irgendwo, sogar auch im Freien ab zuhalten. Es besteht also aus den ursprünglichen liturgischen Bestimmungen keine räumliche Gebundenheit. Diese Einrichtung ändert sich in der konstan tinischen Zeit, die eine der wichtigsten Ab schnitte in der Geschichte der Kirche ist, grund-" sätzlich. Jungmann hat festgestellt, daß in dieser Zeit sehr bedeutende Teile der ursprünglichen Messe hinzugefügt wurden. Diese sind: das Anlegen der Gewänder, der Wink mit der Mappa, der Introitus, der Gesang „Ecce sacerdos magnus", die Prozession und die Prozessions litanei, an die sich später das Kyrie eleison anschloß, die Verwendung von Weihrauch, das Vor antragen von Licht durch Akolythen und die Incensio. Alle diese Teile stehen am Anfang der hl. Messe als vorbereitende, einführende Handlungen und hängen mit der Feierlichkeit des Gottesdienstes und einer Prozession zu sammen. ■ Diese liturgischen Bestimmungen sind nun nicht mehr wie die früheren Einrichtungen von Raum und Ort der Messe unabhängig, sondern verlangen eine bestimmte Form des Raumes. In dieser Zeit entstanden auch die ersten christ lichen Monumentalbauten. Aus der Befreiung der Kirche durch Konstantin ergab sich die Möglichkeit und Notwendigkeit nach öffent lichen religiösen Gebäuden, etwa in Form eines Tempels oder eines Versammlungshauses, aber noch keine bestimmte einzelne Form. Wie schon in früheren Zeitabschnitten griff die Kirche hier auf ~die basilikale Konstruktion der römi schen Versammlungsgebäude. Wenn dieser Bau typus auch aus der römischen Kunst ableitbar ist, so sind doch die konstantinischen Großbau ten Roms in ihrer Anlage neu. Sowohl die Lateran- wie die St. Peterskirche bestehen, ab gesehen von dem vorgelagerten Eingangshof, aus einem langgestreckten basilikalen Bau (Abb. 33), einem quergelagerten Raum und einer abschließenden Apsis. Dieses ganze Ge bäude ist durchwegs nach innen gekehrt. Die Wand des nach außen geschlossenen Gebäudes ist im unteren Geschoß durch Säulenreihen auf gelöst, im zweiten durch Bilder verziert und schließt oben durch eine Fensterreihe ab. Das hohe Mittelschiff ist von niederen Seitenschiffen begleitet. Alle Schiffe münden in den in Mittel schiffshöhe errichteten Querraum ein. Die ganze Anlage findet in der Apsis mit dem vorgestellten Altar ihren Abschluß. Es handelt sich hier um einen Raumkomplex in einer ganz bestimmten Abfolge, die von einem Eingang zu einem Ziel punkt hinführt; eine Raumabfolge also, die wie ein Weg für einen feierlichen Einzug angeordnet ist und in einen Versammlungsraum mündet. Diese Raumkonstruktion ist ein ideales Beispiel für den Zusammenhang zwischen einer litur gischen Einrichtung und einer künstlerischen Bauform, denn in dieser Zeit kamen alle Feier-
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