Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 3

BUCHBESPRECHUNGEN Dr. Karl B. Frank, Die Barockfassade des In stitutsgebäudes der Englischen Fräulein (B. M. V.) in St. Pölten und der Prandtauer-Krels, St. Pölten, 1956. Prälat Dr. K. B. Frank hat die Gelegenheit des 250,iährigen Bestandes des St. Pöltener Institutes der Englischen Fräulein benützt, um im Rahmen der Festschrift dieses Institutes ein für St. Pölten lokalgeschiclitlich interessantes Problem zu be handeln. Er führt zum Beweise seiner These, daß die Barockfassade des Institutes von Jakob Prandtauer stamme, soweit sie dem ersten Bauab schnitt aniglehört (1708/1718), eine Reihe von bio graphischen ünd stilkritischen Momenten an. Die Fortsetzung des Baues (1751/1769) war nach Franks Auffassung dem Baumeister Joseph Wißgrill anver traut, die Erstellung des plastischen Schmucks den Plastikern Peter Widerin und Andreas Gru ber. Uber das Lokalgeschichtliche hinaus bietet die Studie einen guten Überblick über das Schaffen Prandtauers und seines Kreises. Wichtig ist der Hinweis auf die Bedeutung der provinziellen Mei ster für das österreichische Barockzeitalter. M. Georg Grüll, Die Freihäuser in Linz. Linz 1955, Sonderpublikationen zur Linzer Stadtgeschichte. Herausgegeben von der Stadt Linz, Städtische Sammlungen. Grüll beschäftigt sich in dieser eingehenden Monographie mit dem Ursprung, der Bedeutung der Geschichte der sogenannten „Freihäuser" von Linz, d. h. von Häusern, die zum Teil oder ganz von den Lasten, die die Stadtbürger zu tragen hatten, be freit waren. Meist waren es Häuser der Regierung, des Adels und der Kirche. Grüll kommt bei der Behandlung seines Themas auf zahlreiche andere Fragen, vor allem wirtschaftlicher und sozialer Na tur zu sprechen. Da die Arbeit auf gründlichem Quellenstudium beruht, so wird sie unter den LinzBüchern bleibenden Wert behalten. M. Dora Heinz, Linzer Teppiche. Zur Geschichte einer österreichischen Teppichfabrik der Biedermeierzeit. Herausgegeben vom Kulturamt der Stadt Linz im Verlag Anton Schroll & Co., Wien-München, 1955, mit 27 einfarbigen Bildern und vier Farbtafeln; 68 Seiten Text. Wenn von Teppichkunst gesprochen wird, denken wir gleich an Persien oder an den Orient, überhaupt mit seiner .iahrhundertelangen Tradition der Teppichknüpferei, oder an die berühmten Gobelins aus den Werkstätten in Nordfrankreich und in den Niederlanden und übersehen, daß auch auf öster reichischem Boden seit der Barockzeit dieser Kunst zweig in Blüte stand, und zwar stand das größte und älteste Textilunternehmen dieser Art in Linz. Die vorliegende Monographie bringt zunächst einen kurzen Abriß der Geschichte der Linzer Fabrik. Am 11. März 1672 erteilte Kaiser Leopold I. dem Bür ger und Handelsmann zu Linz Christian Sindt das Privileg zur Errichtung einer Fabrik für Wollzeuge samt Färberei in der Vorstadt zu Linz. Nach mehr fachem Besitzerwechsel kam das Unternehmen 1722 an die damals erst vor wenigen Jahren gegründete „Privilegierte Orientalische Compagnie", und durch Dekret vom 9. November 1754 ordnete Kaiserin Maria Theresia die Übernahme der ganzen Fabrik durch den Staat an, in dessen Besitz und Verwaitung sie nun fast ein Jahrhundert lang verblieb. Um 1800 war sie auf ihrem höchsten Stand und ihrer größten Ausdehnung angelangt. 1811 setzte ein langsamer, aber stetiger Niedergang ein, der nicht mehr aufzuhalten war. Am 4. April 1850 wurde die Veräußerung genehmigt und mit Ende des Jahres der Betrieb eingestellt; Ende Juni 1858 erfolgte die endgültige Löschung der Fabrik. Nach fast 180- ,i ährigem Bestehen hatte damit das älteste und größte Textilwerk Österreichs sein Ende gefunden, das durch die große Anzahl von Menschen, die es beschäftigt hatte, maßgeblich beteiligt war am Auf stiege der Stadt Linz im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Ein weiteres Kapitel befaßt sich mit der Technik der Teppichherstellung und mit stilkritischen Untersuchungen, die durch zahlreiche Illustrationen hervorragend beleuchtet werden. Sie sind darum nicht nur für den Techniker, sondern auch für den Kunsthistoriker sehr interessant. Weil die orien talischen Teppiche wenig geeignet waren, sich einem einheitlichen künstlerischen Konzept der Innendekoration einzuordnen, schuf die Barockzeit eine neue Art von Teppichen als Ergänzung der einheitlichen Innenausstattung ihrer Räume nach den gleichen Stilprinzipien und mit den gleichen Dekorationsformen, welche die zeitgleichen Wandund Möbelgestaltungen besitzen. Die Maschinen teppiche des 19. Jahrhunderts bilden vor allem in der ersten Jahrhunderthälfte den Ausklang dieser Entwicklung in den Wandlungen, die vom Klassizis mus bis zum Historismus der zweiten Jahrhundert hälfte führen. Ein Katalog hält den Bestand der Teppiche fest, die mit Sicherheit als Erzeugnisse der Linzer Fa brik zu bezeichnen sind. So ist diese sorgfältige und vom Verlag prächtig ausgestattete Arbeit ein wertvoller Beitrag für die Heimatkunde von Linz und Oberösterreich. P. G. Karl Spieß, Neue Marksteine. Drei Abhandlungen aus dem Gebiete der überlieferungsgebundenen Kunst. Band Vll der Veröffentlichungen des Öster reichischen Museums für Volkskunde; im Selbst verlag des Österreichischen Museums für Volks kunde; Wien, 1955. 140 Seiten mit 40 Abbildungen auf Tafeln, Preis: kart. S 83.—. Die drei in dieser Schrift enthaltenen Abhand lungen hangen miteinander nicht zusammen, ,iede will für sich genommen sein. Aus der reichen Fülle des Materials kann hier nur eine kurze Inhalts angabe geboten werden. Der Verfasser ist bekannt durch seine Mythen forschung und geht in der ersten Abhandlung der zweifachen Herkunft des Lebensbaummotives in der europäischen Volkskunst nach. Zunächst ge- . langte der sasanidische Lebensbaum in die Länder nördlich der Alpen, im 9. und 10. Jahrhundert durch byzantinische Vermittlung. Sein Kennzeichen sind paarige Vögel im Gezweige und Wächter am Fuße. Gegen das Ende des 15. Jahrhunderts verdrängt der hellenistische Lebensbaum den sasanidischen. Des sen vordringliche Leitgestalt ist daß Blütengesprosse aus dem Doppelhenkelkruge, Motive, die in der Volkskunst bis in unsere Tage lebendig sind. Die zweite Abhandlung befaßt sich mit einem Thema der christlichen Kunst: Maria im Ähren kleide. Der Autor spürt der Verbreitung nach und sucht eine Sinnerschließung im bäuerlichen Uber lieferungsgut-, besonders in den Bräuchen um die Ernte. 26

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