der als Plastik das Gnadenbild steht, sowohl im Inneren als auch von außen her sichtbar. Gleich beim Eintreten in die Kirche fällt der Blick auf die, durch die schon erwähnten Fensterluken auf gelockerte, Südwand. Von hier und von einem zwischen den Wänden und der hängenden Decke liegenden schmalen Glasband bekommt der ganze Raum sein Licht, naturgemäß ein etwas spärliches Licht, so daß auch von da her immer wieder zur Rechtfertigung von Ronchamp als christliches Got teshaus Begriffe wie Katakombe oder Grotte geprägt werden, nicht zuletzt um das Vorhanden sein des für eine christliche Kirche wesensnotwen digen Momentes der Sammlung beweisen zu kön nen. Ich muß allerdings gestehen, daß die Lichtluken der schrägen Südwand, sehr einfach im Glas, naiv beschrieben und mit Zeichnungen in Schwarzlot versehen, das Moment der Sammlung stark beein trächtigen. Als wirklich echte Räume der Samm lung vermag man eigentlich und ohne Mühe ledig lich die Altarnischen unter den drei erwähnten Lichtschächten zu erfassen, die verborgene Räume sind, vom Gesamtraum her zunächst nicht spürbar. Aber auf was hin soll sich hier im Ge samtraum Sammlung vollziehen? Es müßte zweifel los der Altar sein; denn er ist immer Zentrum der katholischen Kirche und, wo er überhaupt ist, als Opferaltar, konsequenterweise also als Mittler, gemeint. Hier in Ronchamp, wo er ein wenig aus der Achse herausrückt und, wenn auch nur um weniges, nach links ausweicht, ist das anders; denn dieses Ausweichen ist ein Ausweichen zugunsten der Madonna, zugunsten des Gnadenbildes rechts oben im verglasten Wanddurchbruch. Vor ihr stehen auch der große Leuchter für brennende Kerzen und längs der Südwand eine Gruppe hintereinandergereihter schwerfälliger, zum Knien kaum ge eigneter Bänke. Zweifellos hat Le Corbusier sich die Sache nicht leicht gemacht und hier im Innern der Kirche den Versuch unternommen, Liturgie und Volksfrömmigkeit, wie sie bei Wallfahrten vor herrschend ist, in Einklang zu bringen. Ob es ihm gelungen ist, möchte man allerdings nicht in naiver Begeisterung ohne weiteres mit einem Ja beant worten. Es scheinen vielmehr die zwei Bereiche, der liturgische und der privat-fromme, hier doch ein wenig zu nahe beieinander zu liegen und sich fast zu vermischen. Dem kann auch nicht dadurch widersprochen werden, daß man behauptet, Maria wäre ,ia tatsächlich seitlich abgerückt. Es bleibt vielmehr die Frage, ob nicht die Ostwand oder wenigstens die zentrale Wand in einer Kirche — mag sie Wallfahrtskirche oder Gemeindekirche sein — immer nur dem Opferaltar zu gehören hat, wennschon in einer Kirche überhaupt geopfert wird. Wo aber geopfert wird — und in Ronchamp ist es so —, da kann es immer nur geschehen auf das eine zentrale Faktum hin, daß echte Ge meinde werde. Von hier aus gesehen ist Ron champ problematisch. Ganz sicher aber wird man beim ehrlichen und berechtigten Suchen nach neuen und zeitgemäßen Formen für den Kirchenbau von heute nicht gerade in „Notre-Dame du Haut" in Ronchamp den wegweisenden Beginn einer neuen Ära des Kirchenbaues zu suchen haben. — Damit würde man Le Corbusier selber kaum eine große Freude machen; denn, wenn nicht alles täuscht und wenn man ihn selbst zur Sache hört, hat er niemals an eine derartige Sendung und Wirkung seiner Kirche gedacht. Damit möchte aber keineswegs einer Negation des Corbusierschen Werkes das Wort gesprochen werden. Man wird durchaus voller Bewunderung z. B. die Konsequenz dieses Bauwer kes anerkennen körmen und die gute Harmonie der Teile zum Ganzen bestaunen dürfen, man wird es gelten lassen können, wenn da immer wieder von der „grandiosen Plastik in der Landschaft" gespro chen wird, ja man kann es sogar gelassen, auch wohl ein wenig mit Humor, hinnehmen, wenn die Besonderheit der Südwand, vielleicht sogar ihre Schönheit, immer wieder hervorgehoben wird mit einem Hinweis auf Mondriaansche Gemälde. Vor allem aber: man wird die kosmische Einheit von Architektur und Landschaft hier bestaunen können. Was aber ist mit all dem und mit vielem anderen Lob des Details eigentlich Aufregendes gesagt! Es kann schließlich dahin führen, daß man vor lauter bewunderten Details das Eigentliche übersähe. Im Falle Ronchamp ist es tatsächlich so! Dieses Eigent liche drängt sich in die Frage: Ist „Notre-Dame du Haut" in einem klaren Sinne eine christliche, eine katholische Kirche? Sie müßte es sein um des Opfers willen, das in ihr auf dem Altar gefeiert wird. Dann aber wäre da noch etwas anderes zu erfüllen, was zweifellos in dem sonst sehr beach tenswerten Bau, in diesem mutigen und, man soll es zugeben, auch in vieler Hinsicht schönen Bau, nicht vorhanden ist, die Einheit nämlich von einem echten unsensationellen Innen und einem ebenso echten und unsensationellen Außen. Man sollte es an dieser Stelle nicht verschweigen, daß gerade für uns Heutige beim Suchen nach neuen Kirchenbauformen dieses Merkmal wichtig ist. So wahr es ist, daß in einer Kirche, in der das Opfer Jesu Christi am Altar dargebracht wird, sich das immer auch ereignet auf die Gemeindewerdung einer Menge hin, auf das Gottesvolk werden eines Volkes hin, so wahr ist es auch, daß der Kirchenbau nicht etwa nur auf dieses Faktum hin, dieses litur gische Faktum hin, gebaut werden muß, sondern daß er als solcher bereits die Gemeinde vorzu bilden hat. Der Bau als solcher schon kann nicht darauf verzichten, die Gemeinde erkennen zu lassen. Daß unter solchen Gesichtspunkten bei Le Corbusiers „Notre-Dame du Haut" Bedenken anzumelden sind, dürfte keinem ehrlich Bemühten entgehen. Auf keinen Fall aber ließe sich zur Rechtfertigung einer entgegengesetzten Meinung anführen, man müsse Ronchamp erlebt haben, wenn die Kirche bis zum letzten Platz mit betenden Menschen gefüllt sei. Hier verschieben sich, wie so oft beim Urteil über Ronchamp, die Gesichtspunkte. Eine Kirche, aucii eine Wallfahrtskirche, wird selbst ohne die Ansammlung von Massen die Merkmale der Samm lung und die Vorbildhaftigkeit des Gottesvolkes, der Gemeinde, offenbaren müssen, soll sie gut sein, soll sie als Kirche gut sein. 21 .Ü',. / :/■, :w- •
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