Stadel und dem dazugehörigen Bauernhaus Kirche und Pfarrhof im Rahmen eines Umbaues zu gestalten. Ohne den Baukern anzugreifen fanden sie eine ebenso glückliche wie überzeu gende Lösung. Der Altar wurde auf zwei Drittel des alten Grundrisses verlegt und der Kirchenraum durch zwei Eingänge zugänglich gemacht, die einander gegenüber liegen. Das Dach wurde aufgebrochen und ein großes Rah mengerüst eingezogen, so daß zwei ineinander greifende Dachneigungen entstanden. Während die steilere Neigung überdacht wurde, entstand bei der flacheren ein riesiges Glasfenster, das den Altar und den Kirchenraum mit seiner gan zen Breite überstrahlt. In dem über ihm gebil deten Raum zur steileren Dachneigung wird das Geläute aufgehängt. Weitere Glasfenster an den Seitenwänden von dem jungen Wiener Maler Josef Mikl tragen zur Belichtung des Raumes bei. Von derselben Architektengruppe stammt der Entwurf für eine kleine Kirche in Liechten stein, die sich in ihrer äußeren Formgebung aus der Landschaft entwickelt und das dominierende Motiv der sie umgebenden Berge architektonisch variiert. Zwei andere junge Architekten, Achleitner und Gsteu, haben für St. Martin bei Linz ein Kirchenprojekt ausgearbeitet, das den Gedan ken des Zeltes als äußeres Gewand des Baues abwandelt. Diese Form entstand aus rein tektonischen' Überlegungen. Wieder werden die Glocken frei gehängt und ein großes, hinter dem Hochaltar liegendes Glasfenster schließt und öffnet einen Raum, der an Gedanken des mo dernen amerikanischen Kirchenbaues anknüpft. Es wird also auch in der jungen Architekten generation der sakrale Bau als das Hauptanlie gen der Architektur verstanden und auch sie sucht nach neuen Formen und Wegen um ihm gerecht zu werden. Die jungen Kräfte in Öster reich versprechen durchaus, mit jenem Ernst an der Lösung des schwierigsten aller Architektur probleme unserer Zeit beteiligt zu sein, der gül tige Ergebnisse verspricht und zu denen erst Le Corbusier 1955 mit Ronchamp einen ersten wirklichen Durchbruch gefunden hat. Die sakrale Malerei in Österreich läßt sich im eigentlichen auf das Werk eines einzigen Malers reduzieren, der gleichzeitig zweifellos die stärkste Persönlichkeit der österreichischen Malerei im 20. Jahrhundert ist: es ist dies der 1894 in Klagenfurt geborene Herbert Boeckl. Sein malerisches Werk ist von Anfang an von einer leidenschaftlichen und fruchtbaren Aus einandersetzung mit der großen westlichen Tradition der europäischen Malerei durchdrun gen. Wie kein anderer auf deutschem Boden setzte er sich mit dem Erbe Cezannes und van Goghs auseinander und gewann dadurch jene Formdichte und künstlerische Kraft, die ihn heute befähigt, zu den Quellen und Grundpro blemen künstlerischen Schaffens hinabzustei gen, um neue Wege einer künstlerischen Form und Raumgestaltung einzuschlagen und damit wieder die österreichische Malerei mit jener großen europäischen Tradition zu verbinden, von der sie so lange getrennt war. So erscheint es auch kein Zufall, daß sein Hauptwerk sich zum Teil in Kirchen und Klö stern vollzieht, wieder jene geistigen Bögen spannend, von denen bereits am Anfang die Rede war. Im Gegensatz zu den Architekten entsteht das sakrale Werk bei Boeckl nie aus einem äußeren Auftrag, sondern es ist immer ein innerer Auf trag des Künstlers, der ihn dem Bilde weiht, das Zeugnis eines vom Religiösen zutiefst durch drungenen Lebens. Schon das erste Werk, das 1928 entstandene Fresko für die Kirche Maria Saal in Kärnten, ist eigentlich Votivgabe des Künstlers. Das von expressiven Elementen bestimmte Bild stellt den auf den Wassern des Sees Genezareth wan delnden Christus dar, der dem sinkenden Petrus zu Hilfe eilt. Die knappe und raumgreifende Zeichnung und die ins symbolische gesteigerte Farbe lassen an van Gogh denken. Der Christus typ Boeckls ist dabei nicht von falscher Roman tik, sondern kraftvoll, herrlich, streng, beinahe brutal in seiner zwingenden Macht. Die Farb komplexe des Bildes schichten sich in erregter Bewegung breit zusammen. Obwohl dieses Fresko die begeisterte Zustim mung des damaligen Unterrichtsministers Dok tor Schmitz fand, wurde es mit einem Vorhang verhängt, hinter dem es bis heute verblieben ist, ein Vorgang, der um so schwerer zu verstehen ist, wenn man die nicht verhängten Machwerke in der Seitenkapelle der Kirche St. Peter in Salzburg betrachtet, die einen geschlossenen und schönen Raum in ihrem dummen Eklekti zismus zerstören und dabei mit dem Anspruch auftreten „moderne Kunst" zu sein. Das zweite große sakrale Werk Herbert Boeckls ist sein großer Flügelaltar, der in den Jahren von 1933—1946 entstand. Geöffnet zeigt der Altar als Hauptbild den Hymnus an Maria: Maria auf der Mondsichel, die Schlange und den Drachen überwindend. Der linke geöffnete Flü gel zeigt St. Stephanus, der rechte St. Nepomuk. Das Mittelbild, 1934 vollendet, wird durch das leuchtend blaue Kleid der Madonna beherrscht, dem das Rot und Grün der Engel antwortet. Wie im Fresko Maria Saal spricht im Mittelbild noch deutlich das vitale Erbe des Barocks, ja selbst 18
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