Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 3

Durch diese- Stiegen können auch die Glocken stube, die Dachplatte, die Laterne der Kuppel und die Kuppel selbst erreicht werden. Die Kup pel selbst und der Tambur waren mit Kupfer platten überzogen und vergoldet gedacht. Auf den beiden Türmen der Eingangshalle sind die Statuen der beiden Landesheiligen, St. Severin und St. Leopold, als krönender Schmuck an gebracht. Der eigentliche Innenraum der Kirche zeich net sich durch äußerste Helligkeit aus, eine weitere Neuerung im Kirchenbau, die Otto Wag ner hier einführte und die bei dieser Anstalts kirche schon aus hygienischen Gründen als eine Notwendigkeit erscheint. Große helle Glasfenster von Kolo Moser, nur in hellen Scheiben und einigen leuchtenden Farbpunkten gestaltet, erleuchten den Raum taghell, wobei das Presbyterium, der Hochaltar und das Hochaltarbild noch eine zusätzliche Be leuchtung durch zwei unsichtbare Fenster er halten. Aus akustischen Gründen wurde die Höhe des Kuppelraumes mit 20 m fixiert. Die Wandflächen sind aus denselben Gründen rund und uneben gestaltet selbst im Mauerputz. Die im Kirchenraum schwebenden elektri schen Lichtquellen sind an Kränen befestigt und können hochgezogen werden. Die Kräne können auch ein Schwebegerüst zur Reinigung des Kuppelraumes tragen. Der Innendekor erscheint durch die Konstruk tion und den Zweck fixiert. Bis zu einer Höhe von drei Metern sind die Wände mit Marmor verkleidet, darüber mit gewelltem, Weißputz. Bei den Raumdecken und in der Kuppel wirkt die Konstruktion als gliederndes Element. Sie besteht aus einem aus T-Trägern gebildeten Netz, in das Rabitzplatten eingesetzt wurden, die miteinander durch Drahtschlingen verbun den sind. Das Eisennetz hängt an der eigent lichen Dachkonstruktion, die wiederum auf paarweise gekuppelten Pfeilern ruht. Die Farben des Innenraumes wurden auf Weiß-Gold beschränkt. Damit wird die Haupt farbwirkung auf den Hochaltar und das dahin ter liegende Altarbild konzentriert. Der Hoch altar ist aus Marmor und Bronze mit reicher Vergoldung. Das Hochaltarbild von Kolo Moser, für die damalige Zeit von einer revolutionären Anwendung verschiedenster Materialien, ver wirklicht die Intentionen des Architekten, der weder ein Fresko noch ein auf Leinwand ge maltes Bild vorgesehen hatte. Köpfe und Hände der Figuren sind aus Mosaik oder wenig bombier ten farbigen Tonplatten, die Gewänder aus' wei ßen und farbigen, zum Teil polierten, zum Teil rauhen Marmorplatten, in die Glas und Bronze inkrustiert sind. Der landschaftliche Teil des Bil des besteht aus Tonfliesen, die Glorie aus Gold glasscheiben. Alle diese Materialien wurden in weißem polierten Stuck eingelassen. Ähnlich aber reicher im Detail sind die Bilder der Sei tenaltäre ausgestaltet. Wenn diese Kirche hier ausführlicher besprochen wurde, so deshalb, weil sie in ihrem revolutionären Elan und in ihrer Konsequenz Gedanken in den Kirchenbau einführte, ohne die er heute nicht mehr zu den ken ist. 1906 wird er vollendet und er zeugt noch heute für die Worte Otto Wagners, wenn er da mals sagte: „Die Baukunst unserer Zeit sucht Form und Motive aus Zweck, Konstruktion und Material herauszubilden. Sie muß, soll sie unser Empfin den klar zum Ausdruck bringen auch möglichst einfach sein. Diese einfachen Formen sind sorg fältig untereinander abzuwägen um schöne Ver hältnisse zu erzielen, auf welchen beinahe allein die Wirkung von Werken ,unserer Baukunst' beruht." Diese Gedanken Otto Wagners wirken in einer Kirche weiter, die Prof. Clemens Holz meister als Kanzler-Gedächtniskirche für die beiden österreichischen Kanzler Ignaz Seipel und Engelbert Dollfuß im Jahre 1937 baute. In ihrer schlichten und komplexen Anlage vermag sie sich wie ein heiliger Bezirk innerhalb der sie umgebenden Mietskasernen zu behaupten. Ein einfaches unschematisches Maß gliedert ihre Fassaden. Der wechselnde Höhenrhythmus der Baukörper gibt dem geschlossenen Ganzen Leben. Einfache, betonte und unbetonte, geglie derte und ungegliederte Flächen sind zuein ander in Beziehung gebracht, überzeugen durch die stille Würde ihrer Ordnungen. Der einfache hell durchlichtete Innenraum, der aus der Einengung durch die Empore auf schließt, sammelt sich in dem" stark erhöhten Hochaltar wie in einer aufbrausenden Welle. Sie wird aufgefangen und rückgewendet durch das mächtige stark byzantinisierende Mosaik Prof. Karl Sterrers, das den thronenden Chri stus darstellt. Seiner Überzeugung getreu — und an die Idee Otto Wagners vom Gesamtkunst werk eines Baues anschließend — sind sämtliche Details der Innenausstattung und die Geräte von Prof. Holzmeister selbst entworfen und durch geformt worden. Als Beispiele der jüngsten Entwicklung seien einige Werke junger Architekten angeführt, die deren Einstellung zu dem ewig neuen Problem des sakralen Raumes zeigen möge. Die Architektengruppe 04 bekam den Auf trag in Parsch bei Salzburg aus einem alten 17

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