Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 3

neben Wien ist Salzburg. Es ist historisch nicht vollständig korrekt, nun von diesen drei Städten als Zentren österreichischer Kunst zu sprechen.. Salzburg gehört nämlich nicht zu den Erblanden in der Epoche, mit der wir es hier zu tun haben, zum Unterschied z. B. von Prag. Eigentlich sind also die Zentren des österreichischen Barocks Wien, Prag und Graz. Der böhmische Barockstil ist für sich ein abgeschlossenes Phänomen und würde daher einen eigenen Vortrag bedingen. Es mag daher gerechtfertigt erscheinen, von der Betrachtung der Kunst des böhmischen Raumes hier abzusehen, während hingegen durch die enge Verbindung, die Salzburg vor allem durch die hin- und herwandernden Künstler mit Wien hatte, dieses Zentrum in die Betrachtung des österreichischen Barocks eingeschlossen werden kann (Titelbild!). Das erste der zu behandelnden Probleme ist die Übertragung des Stiles, der sich um 1600 in der Lombardei ausgebildet hatte, nach Öster reich. In der Lombardei ist kein eigentliches Zentrum des strengen Barocks entstanden. Trotz der sehr bedeutenden Leistungen der Mailän dischen Kunst des 17. Jh.s sowohl in der Archi tektur als auch in der Dekorationsplastik und der Malerei entspricht der hier herrschende Stil nicht den neuen Ideen, die in der bolognesischen Malerei oder dem strengen Barock in Rom ent halten sind. Es ist dies nicht aus einer Unfähig keit des lombardischen Stammes zu der strengen Form zu erklären, denn gerade ein großer Teil der Künstler des strengen Barocks sind Lombar den von Geburt, so z. B. Caravaggio oder Ma derna. In der Lombardei selbst ist hingegen der Mischstil ausschlaggebend, wie ihn vor allem Cerano vertritt, bei dem ja die charakteristische Neigung zu malerischen Effekten sowohl in einer Verbindung zu Werken des späten 16. Jh.s als auch zu der niederländischen Malerei deut lich wird. Ein ähnlich fließender stilistischer Übergang vom 16. ins 17. Jh. wie bei Werken der Malerei kann auch in der Dekorationsart in der Nachfolge Tibaldis festgestellt werden. All mählich werden Elemente der neu entwickelten Barockkunst aus Rom und Bologna mitver arbeitet. Nun haben wir in Österreich am Anfang der für uns zu betrachtenden Periode eine Menge von Künstlern tätig, die aus der Lombardei stammen und die diese interessante Zwischen stellung vom 16. und 17. Jh. nach Österreich bringen. Ich möchte mich vor allem hier mit drei Künstler-Ünternehmern beschäftigen, Elia Castello, Pietro de Pomis und Santino Solari, von denen der erste und der letzte in Salzburg, der mittlere in Graz tätig war. Castello ist ein Künstler der Innendekoration, wir wissen von ihm, daß er vor allem als Mosaizist beschäftigt war; er hat aber nicht nur Fliesendekorationen, sondern auch Stuckarbeiten geschaffen und wohl auch selbst Gesamtdekorationen entworfen. Das bedeutendste dieser Werke ist die Grabkapelle für den Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau in Salzburg. Castellos Stil ist vermutlich vom ligurischen und lombardischen Kunstschaffen herzuleiten. So ist im Figürlichen vielleicht an einen Einfluß des genuesischen Spätmanierismus zu denken, wie er in den Fresken der Castellos und vor allem des Cambiaso vor Augen tritt. Nur finden wir bei Castello in den Neunziger jahren des 16. Jh.s eine allmähliche Verfestigung der Form gegenüber seinen genuesischen Vor bildern. Als Schöpfer einer Gesamtdekoration, wie es das Mausoleum darstellt, huldigt Castello mehr malerischen als architektonischen Gestal tungsprinzipien: glänzende farbige Fliesen be decken die gesamte Wandfläche, Lichtreflexe und reiche koloristische Reize bestimmen den Ein druck dieses Innenraumes. Ein direktes Vorbild hat sich nicht nachweisen lassen, aber man muß doch unwillkürlich an die Möglichkeit einer Übertragung maurischer Innenausstattungen aus Spanien denken. Pomis hat in Graz ein großes Unternehmen besessen; es sind aus diesem Unternehmen Architekturen, Dekorationen und Bilder hervor gegangen, die alle mit seinem Namen verbunden sind, weswegen wir aber nicht annehmen müs sen, daß er alles mit eigenen Händen gearbeitet hat. Die stilistische Herkunft seiner Kunst ist am Mausoleum in Graz, seinem Hauptwerk, deutlich zu erkennen. Es ist der Kreis der spätmanieristischen lombardischen Kunst um Pellegrino Tibaldi. Deutlich ist das Grazer Werk in seinen Proportionen vor allem der Außenglie derung von Sto. Stefano in Mailand abhängig, in der schweren, nach Licht und Schatten geglie derten Fassade mit dem betont plastischen Charakter wird man an die Fassade von San Paolo beziehungsweise an die Portale des Domes in Mailand erinnert (Abb. 39). Der bedeutendste von diesen Unternehmern ist zweifellos Solari, der Erbauer des Salzburger Domes. Solari ist von Geburt Lombarde und hat das lombardische Dekorationssystem nach dem Norden übertragen. Der Salzburger Dom wurde ursprünglich von Scamozzi entworfen und ist daher in seinem ersten Plan ein Werk des Venezianischen Kunstkreises. Solari hat gemäß seiner Schulung den vorliegenden Bauplan weit gehend umgearbeitet, wobei ihm möglicherweise der Grundriß und die monumentale Pilastergliederung von S. Vittore in Mailand zum Vor bild gedient haben könnte. Allerdings sind auch einzelne venezianische Motive übernommen 8

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