INHALT SEITE GELEITWORT LITURGIE ALS GRUNDLAGE SAKRALER KUNST G. Egger (Wien) 2 BAROCK IN ÖSTERREICH Dr. Günther Heinz (Wien) .... 7 DIE ENTWICKLUNG DER MODER NEN CHRISTLICHEN KUNST IN ÖSTERREICH Klaus Pack (Wien) 15 DAS FORUM 20 RONCHAMP UND DIE FOLGEN .. 22 DIE WALLFAHRTSKIRCHE NOTREDAME DU HAUT IN RONCHAMP . .24 BUCHBESPRECHUNGEN 26 Titelbild: M. Steinle: Leopold I., Wien, Kunsthistorisches Museum EINZELPREIS DES HEFTES: 10 SCHILLING CHRISTLICHE KUNSTBLATTER, Eigentumer, Verleger und Herausgeber: Diözesan-Kunsfverein, Linz o. d. D., Herrensfraf^e 19. Schriftleiter: Pro fessor Dr. Norbert Miko, Linz, Pefrinum, — Für die Diözese St. Pölten: Prälat Dr. K. 8. Frank, St. Pölten, Domplatz 1. — Der Jahrgang besteht aus 4 Heften. Bezugspreis für den ganzen Jahrgang: 40 S. Postscheck konto Wien 26.090; für das deutsche Bundesgebiet 8 DM, Postscheckamt München, Konto Nr. 120.088; für das übrige Ausland 2 $. Druck: Jos. Feichtingers Erben, Linz. — Klischees: Kühler & Co., KG., Linz.
..N . yeieitwort 0a'as Subsekretariat Kunst der FAX ROMANA — MIEC (mouvement inter national des etudiants catholiques), das seinen Sitz in Düsseldorf hat, ver anstaltete in der Zeit vom 18. bis 22. Mai dieses Jahres in Linz a. d. Donau seinen dritten internationalen Kongreß über das Gesamtthema „Christliche Kunst in Österreich — Tradition und neue Wege". Unter den 53 Teilnehmern waren Vertreter aus Österreich, der Schweiz, Holland und Deutschland, mit einer eigenen Gruppe aus dem Saarland. Über den Verlauf der Tagung wurde bereits in einem eigenen Bulletin berichtet, das an die Federationen in allen Ländern der Welt verschickt worden ist. Als ein besonderes Entgegenkommen begrüßen nun der Leiter und die Teilnehmer an der Tagung dankbar, daß der Herausgeber der „Christlichen Kunstblätter" in Oberösterreich, Herr Professor Dr. Norbert Miko, sich bereit erklärt hat, die auf der Tagung gehal tenen wertvollen Referate an dieser Stelle hier einer breiteren Öffentlichkeit zugängig zu machen. So wird es auch den übrigen europäischen und außer europäischen Federationen, die nicht an der Tagung teilnehmen konnten, möglich, sich weiter über die ernsthafte Arbeit in Linz zu orientieren und eine Diskussionsbasis für ihre eigene Gruppenarbeit zu finden. Sinn und Zweck solcher alljährlich stattfindenden internationalen Zusammenkünfte soll ja der sein, durch Vorträge und Gedankenaustausch in Gesprächen lebendigen Kon takt untereinander zu bekommen und vor allem über den sichtbaren Ausdruck in der Kunst mit dem geistigen und christlichen Gut desjenigen Landes, das zu der Tagung einlädt. Die Tagung in Linz a. d. Donau war unter diesem Gesichtspunkt zweifellos ein schöner Erfolg. Ihr werden im März 1957 für die nordischen Federationen in Dänemark und zu Pfingsten 1957 in Italien gleiche Tagungen folgen. Dr. Leonhard Küppers Direktor des Subsekretariats Kunst FAX RÖMANA — MIEC Va- '
G. Egger (Wien) Liturgie als Grundlage sakraler Kunst Vortragsresüme Die Kirche hat zur praktischen Religionsaus übung der Gläubigen, begründet auf Theo logie und Tradition, den Gottesdienst eingerich tet, der durch einzelne Bestimmungen geregelt und festgelegt ist. Dieser Dienst, die Liturgie, bedarf zu seiner Durchführung gewisser For men. Diese Formen können innerhalb der durch die Bestimmungen gesetzten Grenzen allgemei nen historischen Wandlungen unterworfen sein. Sie erfassen den Raum, das Gerät, das Gewand, das Bild und schließlich auch die Musik, die Sprache und die Gebärde. Diese Dinge können unter gewissen Voraussetzungen Kunstwerke sein, stehen aber immer in Abhängigkeit von der Liturgie. Aus einem liturgischen Erfordernis muß wohl eine Form, aber noch kein Kunstwerk entstehen; ~ daneben kann es im kirchlichen Be reich Kunstwerke geben, die von liturgischen Erfordernissen unabhängig sind. Wenn somit die Liturgie nicht die einzige Erklärung für Form und Gestalt sakraler Kunstwerke sein kann, so besteht im großen gesehen eine starke Zuordnung von Liturgie und Kunstwerk. In erster Linie steht hier der gottesdienstliche Raum. In der Geschichte der hl. Messe — ich berufe mich in diesen Fragen auf das Werk: Missarum solemnia von Jungmann — ist das erste entscheidende Phänomen, daß ihr Kern, der Canon actionis, von der vorkonstantinischen Zeit an in seinen wesentlichen Teilen unver ändert blieb. Dieser Teil ist weder an einen bestimmten Raum noch an einen bestimmten Ort gebunden. Es ist zwar naheliegend, und in den meisten Fällen auch so geübt worden, diese Messe in einem Innenraum abzuhalten, aber auch das war keine unbedingte Notwendigkeit. Es war möglich, diese Messe in einem Haus, in einem Grab, in einem unterirdischen Gewölbe oder sonst irgendwo, sogar auch im Freien ab zuhalten. Es besteht also aus den ursprünglichen liturgischen Bestimmungen keine räumliche Gebundenheit. Diese Einrichtung ändert sich in der konstan tinischen Zeit, die eine der wichtigsten Ab schnitte in der Geschichte der Kirche ist, grund-" sätzlich. Jungmann hat festgestellt, daß in dieser Zeit sehr bedeutende Teile der ursprünglichen Messe hinzugefügt wurden. Diese sind: das Anlegen der Gewänder, der Wink mit der Mappa, der Introitus, der Gesang „Ecce sacerdos magnus", die Prozession und die Prozessions litanei, an die sich später das Kyrie eleison anschloß, die Verwendung von Weihrauch, das Vor antragen von Licht durch Akolythen und die Incensio. Alle diese Teile stehen am Anfang der hl. Messe als vorbereitende, einführende Handlungen und hängen mit der Feierlichkeit des Gottesdienstes und einer Prozession zu sammen. ■ Diese liturgischen Bestimmungen sind nun nicht mehr wie die früheren Einrichtungen von Raum und Ort der Messe unabhängig, sondern verlangen eine bestimmte Form des Raumes. In dieser Zeit entstanden auch die ersten christ lichen Monumentalbauten. Aus der Befreiung der Kirche durch Konstantin ergab sich die Möglichkeit und Notwendigkeit nach öffent lichen religiösen Gebäuden, etwa in Form eines Tempels oder eines Versammlungshauses, aber noch keine bestimmte einzelne Form. Wie schon in früheren Zeitabschnitten griff die Kirche hier auf ~die basilikale Konstruktion der römi schen Versammlungsgebäude. Wenn dieser Bau typus auch aus der römischen Kunst ableitbar ist, so sind doch die konstantinischen Großbau ten Roms in ihrer Anlage neu. Sowohl die Lateran- wie die St. Peterskirche bestehen, ab gesehen von dem vorgelagerten Eingangshof, aus einem langgestreckten basilikalen Bau (Abb. 33), einem quergelagerten Raum und einer abschließenden Apsis. Dieses ganze Ge bäude ist durchwegs nach innen gekehrt. Die Wand des nach außen geschlossenen Gebäudes ist im unteren Geschoß durch Säulenreihen auf gelöst, im zweiten durch Bilder verziert und schließt oben durch eine Fensterreihe ab. Das hohe Mittelschiff ist von niederen Seitenschiffen begleitet. Alle Schiffe münden in den in Mittel schiffshöhe errichteten Querraum ein. Die ganze Anlage findet in der Apsis mit dem vorgestellten Altar ihren Abschluß. Es handelt sich hier um einen Raumkomplex in einer ganz bestimmten Abfolge, die von einem Eingang zu einem Ziel punkt hinführt; eine Raumabfolge also, die wie ein Weg für einen feierlichen Einzug angeordnet ist und in einen Versammlungsraum mündet. Diese Raumkonstruktion ist ein ideales Beispiel für den Zusammenhang zwischen einer litur gischen Einrichtung und einer künstlerischen Bauform, denn in dieser Zeit kamen alle Feier-
lichkeiten des Gottesdienstes zur Messe hinzu. Durch diesen Raum bewegte sich der Zug, um vorne am Altar im Querhaus das Eigentliche des Gottesdienstes zu beginnen. Man kann es als eine begründete Annahme hinstellen, daß diese Einrichtungen direkt auf die Initiative des Kaisers zurückgehen. Jungmann selbst ist der Meinung, daß diese neuen Einrichtungen aus dem römischen Kaiserkult und Kaiserzeremo niell in die römische Papstmesse übernommen wurden. Alföldi und Klausner haben nachgewie sen, daß die kirchlichen Gewänder durch beson dere Stiftung Konstantins aus den kaiserlichen Zeremonialgewändern entstanden sind. Da die beiden Hauptkirchen Roms, die Kirche des Lateran und die alte Peterskirche, unmittelbar im Anschluß an die Befreiung der Kirche in Rom auf kaiserliche Stiftung begründet wurden — der Lateran sogar auf dem Boden eines kaiserlichen Palastes —, so ist der Zusammen hang mit einer kaiserlichen Stiftung noch mehr in die Nähe gerückt. Diesem Typus kommt in gewisser Weise eine gründende Bedeutung zu. Wir können in der Geschichte der Kunst durch die Jahrhunderte vor allem des Mittelalters sehen, daß sich dieses System im wesentlichen erhalten hat und daß es die Grundlage vor allem für die gesamte mittelalterliche aber auch nachmittelalterliche kirchliche Architektur bil det. Es ist ja tatsächlich auch von dem liturgi schen System der Messe im wesentlichen nicht abgerückt worden. Es gibt zwar eine Reihe von Veränderungen, die auch immer gleich wieder räumliche Konsequenzen nach sich zogen, aber im Grunde blieb das System gleich. In den west lichen Teilen Europas entstand in den nachfol genden Jahrhunderten ein reduziertes System einer querhauslosen Basilika, die sich aber ihren längsgerichteten Charakter erhielt, wie ja auch in der Liturgie vom Einzugsritus nicht abgese hen wurde. Bezeichnenderweise ist das Querhau.3system im 9. und 10. Jh. in den nördlichen Gegenden Europas, vor allem am Rhein wieder aufgenommen worden. Diese Kirchen standen im Zusammenhang mit den kaiserlichen Ein richtungen der karolingischen und ottonischen Zeit. Jungmann hat darauf hingewiesen, daß die Veränderungen und Neuerungen in der Li turgie der Messe nun nicht mehr wie bisher durch die römischen Einrichtungen, sondern durch nördliche gemacht wurden. Vor allem der Ordo von Seez in der Normandie und das Pontifikale von Mainz aus dem Jahre 950 brachten die entscheidenden Veränderungen. Es waren sogar kaiserliche Gottesdienste, wie z. B. die Krönung Heinrichs II. im Jahre 1014 oft ent scheidend für Neueinführungen, wie bei dieser z. B. das Credo. Der Monumentalisierung der Liturgie und der Betonung des feierlichen Cha rakters der Messe entspricht architektonisch die Wiederaufnahme des Querhaussystems in den basilikalen Bau, das dann von nun an im Kathe dralbau des Mittelalters nicht mehr verloren geht. Im Zusammenhang mit liturgischen Verände rungen oder Besonderheiten entstanden im Mittelalter bei den einzelnen Orden neue Bau formen oder gewisse Abweichungen von diesem System. An erster Stelle stehen hier die Bene diktiner, deren bedeutendste Abtei zweifellos Cluny war. Die beiden cluniazensischen Ordines — einer aus der Mitte des 11. Jh.s und der Ordo Udalrichs von 1080 — bestimmten besondere Feierlichkeit, besonderes Chorgebet und gestei gerte Reliquienverehrungen mit Prozessionen in vielfältiger Weise. Daraus entstand ein fast permanenter Gottesdienst mit bedeutenden räumlichen Konsequenzen. Der erste Bau der Klosterkirche von Cluny war sehr klein. Der zweite von 950 bis 981 brachte eine bedeutende Vergrößerung und bereits ein Querhaussystem, aber der dritte, der von 1088 bis 1130 aufgeführt wurde, brachte eine monumentale Vielräumlich keit. Das System war ein langer Weg mit stufen weiser Steigerung. Auf einen Törbau und Vor hof folgte das basilikale fünfschiffige Langhaus, dann ein Querhaus mit einem mächtigen Vie rungsturm und einzelnen Türmen über den Querarmen, dann ein Zwischenschiff und ein zweites Querhaus. An dieses waren einzelne Kapellen angeschlossen. Dann erst kam der Chorraum, der mit Chorumgang und einer Reihe von Ostkapellen den Komplex abschloß. Wie sicherlich alle einzelnen Formen dieses Gebäu des nicht ohne weiteres nur aus liturgischen Einrichtungen erklärbar sind, so handelt es sich hier um einen Bau, der besonders auf die litur gischen Neuerungen und Besonderheiten des Ordos von Cluny eingegangen war. Die vielen Kapellen waren zur Aufnahme der Reliquien notwendig, die wieder verschiedene Prozessio nen möglich machten. Auf den Charakter und Rhythmus der Prozession weist vor allem auch die Verdopplung des Querhauses und der Chor umgang hin, da das Querhaus jedesmal eine Art „Haltepunkt" ist, während der Chorumgang, in neuartiger Weise, das Umschreiten des Altares möglich macht. Die Tendenz zur Vielräumigkeit der Benediktinerkirchen wird durch die Grup pierung der Teilnehmer am Gottesdienst noch gefördert. Jede Gruppe: die unmittelbar betei ligten Priester, die singenden und nichtsingen den Mönche, die Kranken und schließlich die Laien haben alle verschiedene Raumteile für sich. Vor allem aber spielt die große Rolle in diesen Kirchen die Prozession. Zu allen gottes-
dienstlichen Abschnitten gibt es immer wieder Einzüge und Hinzüge zu besonderen Zielpunk ten und daher wird in jedem Raumteil immer wieder die Richtung betont, über die die eine Richtung, die durch das Ganze zum Hauptaltar durchführt, die ganze Raumfülle zusammenfaßt. Diese Einrichtungen haben schließlich zu den riesenhaften Kirchen mit Längenausdehnung bis zu 150 und 160 Meter geführt, in denen man nur mehr in der feierlichen Prozession das Ganze als Einheit sehen kann (Abb. 34). In bewußtem Gegensatz zu diesem System wurde durch den über usuum der Zisterzienser aus dem Jahre 1119 alles an entbehrlicher Feier lichkeit und Vielseitigkeit in Liturgie und Kir chenraum weggelassen und in Betonung der Schlichtheit und Einfachheit alles auf das not wendigste Maß beschränkt. Da an den Haupt teilen der liturgischen Einrichtungen nichts geändert wurde, bleibt im wesentlichen der langgestreckte Prozessionsraum erhalten, aber alle Vielräumigkeit wird weggelassen. Daraus entsteht ein dreischiffiger basilikaler Langhaus bau mit einem quergelagerten Raum und in den ursprünglichen Beispielen ein gerade abgeschlos sener Chor. Die straffe Gliederung dieser Räume hat die Ausbreitung der Frühgotik in ganz Europa sehr begünstigt (Abb. 35). Die für das spätere Mittelalter so bedeutende Tendenz nach Reduzierung und Vereinfachung des architektonischen Systems wurde von den Bettelorden sehr wesentlich gefördert. Die Do minikaner bestimmten durch den Ordo von 1244, der im Jahre 1256 Gesetz wurde, wesentliche Veränderungen für den Gottesdienst in ihren Kirchen. Es waren vor allem Kürzungen, die eingeführt wurden: im Stufengebet, Graduale und vor allem am Beginn der Messe. Diesen Kürzungen entgegengesetzt wurden Dramatisie rungen des Hauptteiles, z. B. das Ausbreiten der Arme und die Predigt neu eingeführt. Diese Änderungen spielen liturgisch eine große Rolle, da durch sie die Eröffnungsfeierlichkeiten ver schwinden und einem neuen Teil, der Predigt, das Ubergewicht geben. Kirchengeschichtlich hängt das mit der Ketzer- und Häretikerbewe gung des späten Mittelalters zusammen und der daraus folgenden Notwendigkeit, die Gläubigen auch bei der Messe zu unterweisen. Diese litur gischen Einrichtungen brachten in der Bauweise der Bettelorden sehr bedeutende Konsequenzen. Das idealste Beispiel dafür ist die Dominikaner kirche von Toulouse aus der zweiten Hälfte des 13. Jh.s, die mit dem gesamten System mittel alterlicher großer Kathedral- und Klosterkirchen bricht und den Typus eines zweischiffigen Saa les, in dem in der Mitte eine Säulenreihe steht, verwendet. Diese Raumeinrichtung eignet sich zu Prozessionen überhaupt nicht mehr. In so einer Kirche ist kein Einzug mehr möglich; hier kann der Altar sogar an eine Längswand ge stellt werden, was eine völlige Umordnung des Raumes ergibt. Das Ganze ist wie ein Versamm lungsraum, in den man von allen Seiten ein treten kann. Hierin finden wir innerhalb des Mittelalters eine der schärfsten Konsequenzen in räumlicher Beziehung auf eine liturgische oder bestimmungsmäßige Neuerung. Im Zusam menhang mit diesem stehen auch die sehr weit gehenden Konsequenzen der Franziskaner, die auch in ihren Ordines große Bedeutung auf Kürzungen, Vereinfachung und Schlichtheit leg ten. Dadurch wird von dem langgestreckten Bau immer mehr abgesehen. Das Mittelschiff wird breit und nähert sich einem quadratischen Grundriß mit kubischer Konstruktion. Die als Franziskanerkirche gebaute Wiener Minoritenkirche ist ein völlig quadratisch komponierter gotischer Raum, der gleichsam nach allen Seiten hin gleich geordnet ist und an jeder Stelle die Möglichkeit für die Aufstellung des Altares und der Kanzel bietet. Scharf im Gegensatz zu diesen klösterlichen Neuerungen steht der mittelalterliche Kathe dralgottesdienst, vor allem der Gotik des 13. Jh.s, der die Tradition der Benediktiner in gewisser Weise fortführt. Dorther stammen die Einrich tungen der Gottesdienste an den Kathedralen des Hochmittelalters. Entscheidend bei diesen war die Verstärkung des Gesanges und die Ver stärkung der Sichtbarkeit der Handlung, eine Intensivierung der Schaubarkeit der Messe als einem großartigen Geschehen. Jungmann nennt das die Auffassung der Messe als eine drama tisierte Darstellung des heilsgeschichtlichen Vor ganges, vor allem des Leidens, Sterbens und Auferstehens Christi, beginnend mit den Sehn suchtsrufen der Patriarchen und Propheten und schließend mit der Himmelfährt des Herrn. Zu diesem kommt die im 13. Jh. stärker betonte rememorative Allegorese der Messe: die Vor stellung der Gleichsetzung der Messe mit einer Wiederholung des Todes Christi. Das Erscheinen Gottes selbst steht dabei im Mittelpunkt, das durch die Neueinführung der Elevatio der Ge stalten seinen sichtbaren Ausdruck erhielt. Die ses Sehen der Gestalten wurde sogar der Kom munion gleichgehalten und es heißt in manchen Stellen, die Gläubigen stürzen am Sonntag von Kirche zu Kirche, um jedesmal bei der Elevation dabei zu sein, und riefen dem Priester zu, er solle sie noch höher halten. Durch diese Vor stellung ist die Ausbildung der gotischen Kathe dralchöre bedingt, deren Formelement das Schauen, Sichtbarmachen, das Licht und der lichterfüllte Raum sind. Es ist natürlich nicht
alles an der Form dieser Chöre durch die Liturgie erklärbar, was aber hier mit dem Litur gischen zusammenhängt ist die Lichtfülle und die Schaubarkeit. In diesen Räumen, wie etwa dem Chor der Kathedrale von Reims oder des Domes von Köln, spielte sich die dramatische Handlung der unblutigen Wiederholung des Kreuzestodes Christi ab, bei der die Menschen dabei sein können, um sie zu sehen (Abb. 36). Neben diesen Kirchengebäuden für die Feier der hl. Messe gibt es eine ganz andere Gruppe von Bauwerken, die aus dem Zusammenhang mit liturgischen Einrichtungen heraus eine be stimmte Form haben: die Zentralbauten. Die hervorragende Verwendung dieser Bauform in der frühchristlichen Zeit und im frühen Mittel alter ist das Grab. Die Tradition dazu stammt aus der römischen Kunst. Es gibt Texte, die im Zusammenhang mit der Grabweihe oder den Exequien die Vorstellung eines Weges nach unten und nach oben, ein Hinabsteigen und eine Himmelfahrt ansprechen. So z. B. bei der Grab weihe: „Es steige hinab in dieses Grab Dein Hl. Geist, damit auf Dein Geheiß der hier Ru hende zur Zeit des Gerichtes die Auferstehung mit allen Heiligen haben kann." Oder im Kar samstagshymnus vom Hl. Grab: „Da Dich oben auf dem Throne und unten in dem Grabe die Überirdischen und die Unterweltlichen sahen, staunten sie, mein Erlöser, über Deinen Tod, denn über alle Vernunft erscheinst Du im Tod als Anfänger des Lebens." Diese Vorstellung drückt eine bestimmte Richtungsverbindung aus. Diese Verbindung von unten und oben hat eine räumliche Konsequenz, die zu einer völlig ande ren Form führen muß als der Raum für die hl. Messe. Die räumliche Konsequenz, die hier verlangt wird, ist die Betonung der Mitte. In der Mitte ist im Grab der Weg nach unten, dar über in der Kuppel, die in römischen und früh christlichen Beispielen oft eine Öffnung hat, der Weg nach oben. Diese Mitte ist in der Raum form nicht das Ziel, zu dem man hingeht, son dern der Platz, den man umschreitet. Dieser Vorstellungskomplex ist in Verbindung mit dem Zentralbau bis in die Prähistorie zurück verfolg bar und ebenso in primitiven Kulturen in vielen Teilen der Welt festzustellen. In Verbindung mit diesen Vorstellungen wurde das Zentralbau schema in die abendländische Kunst aufgenom men und erscheint vorerst als Grab- und Memorienbau. In diesen Bauten ist kein Platz zur Abhaltung der hl. Messe, zumindest nicht in ihrer Mitte (Abb. 37). Verwandt mit dieser Vorstellung ist eine Ein richtung, die in der frühchristlichen Zeit zu einer ähnlichen architektonischen Lösung führte: die Taufe. Dionysius Areopagita sagt: „Zutreffend ist das vollständige Verbergen im Wasser mit einem Bild des Todes" und in der Wasser weihe heißt es: „Es steige hinab in diese Quelle die Kraft des Hl. Geistes" und im Taufformular: „Wiedergeboren aus dem Wasser und dem Hl. Geist." Das Hinabsteigen unter das Wasser kommt hier einem mystischen Tod gleich, aus dem man entsteigt zu einem neuen Leben. Diese Vorstellungen führten im Frühchristentum zu einer Zentralbauform für Baptisterien, die erst im 12. Jh. mit dem Überhandnehmen'der Kin dertaufe verschwunden sind. In der Mitte dieser Räume ist die Taufpiszina, in die der Täufling hinabsteigt. Die anderen Gläubigen gehen oder stehen um diesen Mittelpunkt herum, wie in dem Kuppelmosaik des Baptisteriums der Or thodoxen in Ravenna die Heiligen in einer Pro zession um die Taufe Christi. Im Exequienrituale gibt es das gleiche ümschreiten des Sarges. Das gleiche gilt von der Wasserweihe, von der Abt Suger von St. Denis im 12. Jh. sagt, daß viele Priester während der Wasserweihe wie in einem feierlichen Tanz das Becken mit dem Wasser umschreiten. Hier findet eine völlig andere Art eines liturgischen Vorganges statt als bei der Messe und somit finden wir auch eine völlig andere Raumform. Vor allem durch die Reliquienrekondition im oder unter dem Altar bekommt die Gemeinde kirche schon in früher Zeit einen gewissen Memoriencharakter, wodurch zentralräumliche Tendenzen in den Langhausbau aufgenommen werden. Die erste große Richtungsbaukirche über einem Grab ist die Peterskirche in Rom. Im konstantinischen Bau dieser Kirche wird — und darin ist sie sicher ein Sonderfall — bis auf eine Confessio keine bauliche Rücksicht auf diese Tatsache genommen. Die Reliquienrekon dition im Altar wird erstmals 359 in Afrika erwähnt, ist aber im 5. und 6. Jh. allgemein üblich geworden. Aus dieser Zeit stammt auch das große Problem der Vereinigung von Kup pel- und Langhausbau, für das die 532 bis 537 unter Kaiser Justinian in Konstantinopel errich tete Hagia Sophia eine der frühesten und her vorragendsten Lösungen des Mittelalters bringt. Die Memorienvorstellung als Grundlage einer Zentralkomposition spielt beim Neubau von St. Peter in Rom eine entscheidende Rolle. Sowohl der Entwurf Bramantes von 1506 wie der Michelangelos von 1547 zeigen einen reinen Zentralbau. In der heutigen Gestalt der Kirche aber, die sie durch das von Maderna 1606 bis 1615 angebaute Langhaus erhalten hat, schließt sie sich der alten Richtungsbauvorstellung der Gemeindekirchen wieder an. Nicht nur beim Raum kommt dem Zusammen hang zwischen künstlerischer Form und Liturgie
eine wichtige Funktion zu, sondern auch bei Einrichtungsstücken im Raum. Der Haupt- und Zielpunkt der ganzen Kir chenanlage ist der Altar. Zu dem Altar hin führt der Prozessionsweg des Langhauses und vor diesem Altar stehen die Gläubigen im Querhaus aufgereiht. Im ursprünglichen Zustand der kon stantinischen Zeit ist dieser Altar ein Tisch, über dem ein Baldachin über quadratischem Grund riß errichtet ist. Dieser Altar dient nur dem Zweck der Abhaltung des Opfers. Eine ver änderte Form bringt der Konfessioaltar, der im Zusammenhang mit der Einrichtung der Reliquienverehrung und -rekondition, vor allem eines Grabes unter dem Altar steht. Er besteht aus einem Kasten mit einer Platte als Tisch; der Kasten ist an der Rückseite offen zugänglich mit einem Raum über dem Grab für Gebet, Opfe rungen und Weihungen. Gegenstände wurden hier hingelegt, um sie durch die Berührung mit dem Grab zu weihen und private Andachten verrichtet. Gregor von Tours berichtet, daß man in Rom an manchen Stellen den Kopf in so eine Konfessio hineinstecken mußte, um eine be stimmte Weihe zu erlangen. An solchen Altären wurden Lampen aufgestellt, Inzensierungen und Libationen vollzogen. Es sind also liturgisch kultische Einrichtungen, die, wenn sie auch am Rande der eigentlichen Meßliturgie stehen, diese Form des Haupteinrichtungsstückes des gottes dienstlichen Raumes formen (Abb. 38). Im späteren Mittelalter wird der Altar im Zusammenhang mit der Dramatisierung der Messe immer mehr zur Schauwand. Damit hängt einerseits die neue Wendung des Priesters zu sammen, der nun nicht mehr versus populum, dem Volke zugewendet, sondern in der Richtung des Volkes vor dem Altar stehend die Messe zelebriert, andererseits die Notwendigkeit und Möglichkeit, diese Wände besonders zu schmükken. Daraus entstand der Retable, der in frühesten Beispielen in Italien im 12. Jh. nachgewiesen werden kann und der als Schauwand mit einer reichhaltigen Bildergeschichte nicht nur dem Vollzug des Opfers, sondern auch der Unter weisung und religiösen Vorstellung dient. Diese Art des Altares hat sich nicht gleich entschieden durchgesetzt. Noch im 13. Jh. verbot z. B. ein über ritualis aus Magdeburg die gemalten und geschnitzten Bilder auf dem Altar und bezeich net sie als gottlos. Im 15. Jh. war aber dieser Typus als Retabel und Flügelaltar voll einge führt. Im Anschluß an das Tridentinische Konzil, in dem unter anderem auch über die ständige Gegenwart des Altarsakramentes abgehandelt wurde, vollzog sich wiederum eine sehr bedeu tende Neuerung in der Form der Altäre, da die Aufbewahrung einer konsekrierten Hostie im Altar verlangt wurde. Das führte zur Ausbil dung des Tabernakels. Durch diese Forderung nach ständiger Gegenwart Gottes im Altar wan delte sich die große mit Bildern und Plastiken besetzte Schauwand zu einem architektonischen Aufbau. Die wesentlichen Elemente aller Ba rockaltäre, die — stark im Zusammenhang mit den Jesuiten — von da ihren Ausgang nehmen, sind eine große, die ganze Ostwand der Kirche einnehmende Säulenarchitektur, die wie ein Baldachin den Tabernakel umstellt, und ein großes Altarbild oder eine plastische Gruppe, die die Rückwand der ganzen Anlage bilden und oft von Plastiken umrahmt sind. In die Reihe derartiger Zusammenhänge zwi schen Liturgie und Form gehört nun auch — um ein weiteres Beispiel zu nehmen — das Gefäß für die Aufbewahrung und Aussetzung des Sakramentes. In den frühesten Zeiten wurde die konsekrierte Hostie in eine Pyxis — mög licherweise anfänglich auch nur in den Kelch — gelegt, und mit diesem Gefäß im Baldachin über dem Altar aufgehängt. Dadurch war zumindest während der hl. Handlung eine ständige Gegen wart Gottes möglich. Für diese Einrichtung gibt es in gleichzeitigen Quellen eine Symbolerklä rung, nach der der Altar' mit der Bundeslade verglichen wird. 'Wie Gott über der Lade des Alten Bundes gegenwärtig war, so soll nun Gott in der konsekrierten Hostie in der Pyxis über der Lade des Neuen Bundes, dem Altar, ebenso gegenwärtig sein. In der Zeit wieder, in der der Gottesdienst auf das Sichtbare, Schaubare, Dra matisierte hinführt, wird dieses Aufbewah rungsgefäß verändert. Vorerst entstand die noch in mehreren Beispielen erhaltene Hostientaube des 12. und 13. Jh.s, die in den Baldachin über dem Altar aufgezogen wurde; die konsekrierte Hostie wird hier zwar selbst nicht sichtbar, die Gegenwärtigkeit aber durch das Symbol des Hl. Geistes bildlich unterstützt. Die entscheidendste Wandlung kam aber mit der Einführung des Fronleichnamsfestes durch Papst Urban IV. im Jahre 1264. Dieses Fest ist der höchste Ausdruck gotischer Sichtbarkeit des Gottesdienstes und Sichtbarkeit der verwandel ten Gestalt. Zu dieser Sichtbarkeit gehört ein Gegenstand, mit dem man die verwandelte Hostie in feierlicher Prozession sogar außerhalb der Kirche herumtragen kann. Dazu gehört ein Gerät, das in kostbarster Weise sichtbar in der Mitte den Platz für die Hostie wie eine Archi tektur, wie eine Kirche im kleinen umrahmt und dadurch gleichsam eine Funktion des Kir chengebäudes übernimmt. Die daraus neuent standene Monstranz hat sich als wichtigstes sakrales Gerät auch für den feierlichen Gottes dienst, besonders aber die Anbetung in der / ■
Kirche eingeführt. Das Formbestimmende dieses Gerätes bleibt die Sichtbarmachung der konsekrierten Hostie. In allen diesen Dingen handelt es sich also um einen Zusammenhang, zwischen Form und liturgischem Erfordernis. Es gibt keine kano nisch richtige Form und keine kanonisch falsche. Das gleiche gilt vom Stil. Man kann nicht sagen die Gotik sei katholischer oder liturgischer als die Renaissance, aber es gibt einen Zusammen hang zwischen Liturgie und Kunst innerhalb jeder Zeit. In jedem Stilausdruck gibt es Dinge, die in ihrer Form mitbestimmt werden von dem Zweck, dem sie zugeordnet sind. Dieser Zusammenhang wäre theologisch ge dacht im großen ungefähr folgender; An der Spitze einer Art Hierarchie steht die Offen barung mit der Erscheinung Gottes selbst, dann die Religion als Auswirkung dieser Offenbarung, die Lehre und die Beziehung zu dieser Erschei nung Gottes mit Liturgie und Kult, der die stän dige Wiederholung dieser Erscheinung Gottes repräsentiert; davon abgeleitet ist die Stellung des Kunstwerkes, das im kirchlichen Bereich dem Kult dient und in diesem Dienst ebenso wie die anderen Stufen dieser Hierarchie schließlich hinführt, zu der Herrlichkeit des auf Erden er schienenen Gottes. Dr. Günther Heinz (Wien) Barock in ösferreich Vortragsresüme Die folgenden Ausführungen geben in gekürz ter Form einen Vortrag wieder, der zur Einführung in die Probleme der österreichischen Kunst des 17. und 18. Jh.s diente. Es wurden hiebei die kirchlichen Denkmäler gegenüber den profanen besonders berücksichtigt. Zwangläufig konnte in der gegebenen Form nicht die Fülle der Erscheinungsformen des österreichischen Barocks gewürdigt, sondern nur einige beson ders bezeichnende Probleme berührt werden. Der strenge Barockstil hatte sich in Italien seit den Neunzigerjahren des 16. Jh.s durch gesetzt. Das heißt aber nicht, daß neben den revolutionären Künstlern wie Annibale Carracci und Caravaggio nicht ein breiter Strom von Werken den Stil des späten 16. Jh.s ins 17. Jh. hinübergetragen hätte, wodurch wir neben den klar die neuen Ideen vortragenden Werken der Bahnbrecher eine breite Schicht von Arbeiten eines Mischstiles antreffen. Selbst in Rom kann diese Beobachtung gemacht werden und wesent lich stärker außerhalb dieses künstlerischen Mittelpunktes, wie am Beispiel der florentinischen Malerei, aber auch der Kunstübung Nord italiens zu sehen ist. Die österreichische Kunst knüpft nun im frühen 17. Jh. gerade an diese Erscheinungen der Peripherie an, so daß von einem strengen Barock im italienischen Sinn gar nicht gesprochen werden kann. Das gilt für die figürlichen Künste fast noch stärker als für die Architektur. Die Auseinandersetzungen mit Italien sind das eigentliche Problem der öster reichischen Kunst im 17. Jh. und die Grundlage für die Weiterentwicklung in der Blütezeit. Die Kunst dieser bewegten Epoche wird von ein gewanderten Künstlern, von vorübergehend hier tätigen Meistern und wenigen einheimi schen Kräften geschaffen. Daneben spielen auch die Importstücke als Anregungspunkte wegen ihrer oft bedeutenden Qualität eine nicht un wesentliche Rolle. Es soll hier auch hingewiesen werden, daß im 17. Jh. die Galerie des Erz herzogs Leopold Wilhelm nach Wien gelangte, als eine reiche Quelle der Anregungen für die Entwicklung der österreichischen Spätbarock malerei. Die Kunst des österreichischen Gebietes wird von verschiedenen Zentren beherrscht. Wir haben als wichtigstes Zentrum selbstverständ lich die Metropole Wien. Allerdings haben diese Zentren in der zeitlichen Abfolge ihre Bedeu tung geändert. So ist Wien außerordentlich bedeutend zur Zeit Maximilians 11.; es verliert seine Bedeutung als Zentrum zur Zeit Ru dolfs 11., der bekanntlich seine ganzen Kunst ideen in Prag verwirklicht sehen wollte. Auch die Herrscher Ferdinand 11. und Ferdinand HI. haben Wien nicht gerade zu einem überragenden Kunstzentrum zu machen verstanden. Erst mit Leopold 1. beginnt die große Ära, die zur Zeit Josefs 1. und Karls VI. ihren Höhepunkt er reicht. Graz als eines der Zentren der Gegen reformation spielt gerade für den Anfang der Entwicklung eine außerordentliche Rolle, zu der Zeit, da Karl 11. von Innerösterreich und Fer dinand, der spätere Ferdinand II., italienische Künstler beschäftigt haben. Außerordentlich wichtig und vielleicht das wichtigste Zentrum
neben Wien ist Salzburg. Es ist historisch nicht vollständig korrekt, nun von diesen drei Städten als Zentren österreichischer Kunst zu sprechen.. Salzburg gehört nämlich nicht zu den Erblanden in der Epoche, mit der wir es hier zu tun haben, zum Unterschied z. B. von Prag. Eigentlich sind also die Zentren des österreichischen Barocks Wien, Prag und Graz. Der böhmische Barockstil ist für sich ein abgeschlossenes Phänomen und würde daher einen eigenen Vortrag bedingen. Es mag daher gerechtfertigt erscheinen, von der Betrachtung der Kunst des böhmischen Raumes hier abzusehen, während hingegen durch die enge Verbindung, die Salzburg vor allem durch die hin- und herwandernden Künstler mit Wien hatte, dieses Zentrum in die Betrachtung des österreichischen Barocks eingeschlossen werden kann (Titelbild!). Das erste der zu behandelnden Probleme ist die Übertragung des Stiles, der sich um 1600 in der Lombardei ausgebildet hatte, nach Öster reich. In der Lombardei ist kein eigentliches Zentrum des strengen Barocks entstanden. Trotz der sehr bedeutenden Leistungen der Mailän dischen Kunst des 17. Jh.s sowohl in der Archi tektur als auch in der Dekorationsplastik und der Malerei entspricht der hier herrschende Stil nicht den neuen Ideen, die in der bolognesischen Malerei oder dem strengen Barock in Rom ent halten sind. Es ist dies nicht aus einer Unfähig keit des lombardischen Stammes zu der strengen Form zu erklären, denn gerade ein großer Teil der Künstler des strengen Barocks sind Lombar den von Geburt, so z. B. Caravaggio oder Ma derna. In der Lombardei selbst ist hingegen der Mischstil ausschlaggebend, wie ihn vor allem Cerano vertritt, bei dem ja die charakteristische Neigung zu malerischen Effekten sowohl in einer Verbindung zu Werken des späten 16. Jh.s als auch zu der niederländischen Malerei deut lich wird. Ein ähnlich fließender stilistischer Übergang vom 16. ins 17. Jh. wie bei Werken der Malerei kann auch in der Dekorationsart in der Nachfolge Tibaldis festgestellt werden. All mählich werden Elemente der neu entwickelten Barockkunst aus Rom und Bologna mitver arbeitet. Nun haben wir in Österreich am Anfang der für uns zu betrachtenden Periode eine Menge von Künstlern tätig, die aus der Lombardei stammen und die diese interessante Zwischen stellung vom 16. und 17. Jh. nach Österreich bringen. Ich möchte mich vor allem hier mit drei Künstler-Ünternehmern beschäftigen, Elia Castello, Pietro de Pomis und Santino Solari, von denen der erste und der letzte in Salzburg, der mittlere in Graz tätig war. Castello ist ein Künstler der Innendekoration, wir wissen von ihm, daß er vor allem als Mosaizist beschäftigt war; er hat aber nicht nur Fliesendekorationen, sondern auch Stuckarbeiten geschaffen und wohl auch selbst Gesamtdekorationen entworfen. Das bedeutendste dieser Werke ist die Grabkapelle für den Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau in Salzburg. Castellos Stil ist vermutlich vom ligurischen und lombardischen Kunstschaffen herzuleiten. So ist im Figürlichen vielleicht an einen Einfluß des genuesischen Spätmanierismus zu denken, wie er in den Fresken der Castellos und vor allem des Cambiaso vor Augen tritt. Nur finden wir bei Castello in den Neunziger jahren des 16. Jh.s eine allmähliche Verfestigung der Form gegenüber seinen genuesischen Vor bildern. Als Schöpfer einer Gesamtdekoration, wie es das Mausoleum darstellt, huldigt Castello mehr malerischen als architektonischen Gestal tungsprinzipien: glänzende farbige Fliesen be decken die gesamte Wandfläche, Lichtreflexe und reiche koloristische Reize bestimmen den Ein druck dieses Innenraumes. Ein direktes Vorbild hat sich nicht nachweisen lassen, aber man muß doch unwillkürlich an die Möglichkeit einer Übertragung maurischer Innenausstattungen aus Spanien denken. Pomis hat in Graz ein großes Unternehmen besessen; es sind aus diesem Unternehmen Architekturen, Dekorationen und Bilder hervor gegangen, die alle mit seinem Namen verbunden sind, weswegen wir aber nicht annehmen müs sen, daß er alles mit eigenen Händen gearbeitet hat. Die stilistische Herkunft seiner Kunst ist am Mausoleum in Graz, seinem Hauptwerk, deutlich zu erkennen. Es ist der Kreis der spätmanieristischen lombardischen Kunst um Pellegrino Tibaldi. Deutlich ist das Grazer Werk in seinen Proportionen vor allem der Außenglie derung von Sto. Stefano in Mailand abhängig, in der schweren, nach Licht und Schatten geglie derten Fassade mit dem betont plastischen Charakter wird man an die Fassade von San Paolo beziehungsweise an die Portale des Domes in Mailand erinnert (Abb. 39). Der bedeutendste von diesen Unternehmern ist zweifellos Solari, der Erbauer des Salzburger Domes. Solari ist von Geburt Lombarde und hat das lombardische Dekorationssystem nach dem Norden übertragen. Der Salzburger Dom wurde ursprünglich von Scamozzi entworfen und ist daher in seinem ersten Plan ein Werk des Venezianischen Kunstkreises. Solari hat gemäß seiner Schulung den vorliegenden Bauplan weit gehend umgearbeitet, wobei ihm möglicherweise der Grundriß und die monumentale Pilastergliederung von S. Vittore in Mailand zum Vor bild gedient haben könnte. Allerdings sind auch einzelne venezianische Motive übernommen 8
xvjtiLti m; Iii m Die alte Peterskirche. Schema . , -'i -* '""^feswv • V ' -; ;ij, •»"%' t ,, * »-1 ,r;..j.,Ä":'Ä^ ^ Ii'*''5., ' -%5 t ' .. .. -aÄ , s##£i
Stiftskirche Heiligenkreuz, jetziger Zustand, Blick nach Westen Photo: Bundesdenkmalamt Wien
I 1 --s;- - I W.^ t Chor des Domes von Köln
- .< " Ä* ?'» ' . »";s ■^$1 Grabeskirche in Jerusalem ., * ,41 Ji- «r-rfc»! sli Toulouse - Basillque St. Sernin, Romanischer Hochaltar, 11. Jh.
worden, wie etwa die Balustrade an der Fassade oder die Öffnung der Oratorien mit Baikonen im Inneren. Die Dekoration, die in Salzburg ausgezeichnet erhalten ist, zeigt die Übertragung des lombar dischen Dekorationssystems nach dem Gebiet nördlich der Alpen. Wir finden hier die stark plastische Dekoration, wobei die stark hervor tretenden Einzelglieder des Rahmensystems der ursprünglichen Kassettendecke sich vor dem dunklen Fond aufblättern, ein stark auf Hell dunkelwirkung berechnetes System. Diese Art finden wir in der Nachfolge der Tibaldischen Dekorationsart, am ähnlichsten dem Salzburger Beispiel in der Dekoration der Querschiffapsiden von San Fedele in Como (Abb. 40). Es gibt in Salzburg nicht nur diese lombar dische Dekorationsart in Stuckarbeiten, sondern auch in der Malerei, wofür die Deckenausstat tung des Oktogons in Hellbrunn, die von Arsenio Masca^ni ausgeführt wurde, ein gutes Beispiel ist. Im Zusammenhang der Bauunternehmen die ser Zeit in Salzburg, die meist mit der Person Solaris verbunden sind, entstanden auch Werke der Malerei, die der Mailändischen Schule ein zuordnen sind. Daneben ist allerdings auch der florentinische Spätmanierismus durch Arsenio Mascagni, einem Schüler Ligozzis, nach Salzburg vermittelt worden. Mascagnis Werke sind durch eine strenge zeichnerische Auffassung gekenn zeichnet, fast eine Geometrisierung, ein Anein anderstoßen von Flächen, wie es die Dekora tionsart seit den Arbeiten des Bernardino Pocetti in Florenz gewesen ist. Es ist interessant zu sehen, daß Mascagni persönlich in der Zeit der Blüte des strengen Barocks an einem Hauptwerk der Barockmalerei mitgearbeitet hat und trotz dem fast keine Spur einer Beeinflussung zeigt. Er ist also ein typischer Vertreter der Stil-Über schneidung. Er hat mit Guido Reni zusammen in San Gregorio Magno gearbeitet, also möchte man meinen, daß davon irgend etwas auf den österreichischen Barock übergegangen wäre, und doch läßt sich nicht die geringste Spur von einem Einfluß des großen bolognesischen Mei-' sters feststellen. Dafür hat er aber Errungen schaften der römischen illusionistischen Malerei übernommen, wie die perspektivische Erweite rung des Illusionsraumes mit einer Durchlöche rung des illusionistischen Architekturgerüstes nach oben, ein System, das von Tassi in Rom ungefähr um dieselbe Zeit entwickelt wurde und ein Vorbild für die illusionistische Malerei des 17. Jh.s gewesen ist. De Pomis zeigt uns als Maler eine Vermi schung des lombardischen und venezianischen Ideengutes. Wir haben es also hier mit der Fortsetzung eines venezianisch-manieristischen Stiles zu tun, womit ein weiteres Zentrum Nord italiens als Einflußquelle erschlossen ist. Deut lich sind die Figurentypen aus dem späten Oeuvre Tintorettos übernommen, wobei außer dem, namentlich im Kompositionellen, auch an den späten Veronese angeknüpft wird. Der Wiener Hof hat im Laufe des 17. Jh.s ebenfalls keine Stellung zum Problem des stren gen Barocks bezogen, vielmehr finden wir in der Kunsttätigkeit um Ferdinand 11. und Ferdi nand 111. immer noch das Fortwirken der rudolfinischen Kunstideen. So z. B. arbeiten die Mei ster der Hofwerkstatt bis in die Zeit Ferdi nands III. hinein, wie z. B. Dionysio Miseroni. Nichtsdestoweniger kann man auch bei Miseroni wie bei allen Meistern, von denen wir gespro chen haben, die allmähliche Verfestigung der Formen des späten 16. Jh.s feststellen. Der klare einfache Aufbau der berühmten Pyramide Miseronis ist ein Beispiel dafür, während die Dekoration ganz dem Geschmack des späten 16. Jh.s entspricht. Dieses Nachwirken manieristischer Ideen ist auch bei anderen Künstlern am Hofe Ferdinands III. festzustellen. An einem charakteristischen Beispiel dieses Geschmackes, und zwar dem Grab Ferdinands 111. von Daniel Neuberger, also einer Art manieristischer Toten tanzdarstellung — nichtsdestoweniger doch erst nach 1657 entstanden — ist das Fortsetzen des manieristischen Stieles rustique bis in das zweite Drittel des 17. Jh.s zu verfolgen. Auch spätere Arbeiten des Wiener Hofkreises zeigen das Nachwirken des Stiles rustique. Der Maler, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, am Wiener Hof ist Franz Lüycx. Er führt uns in ein weiteres Problem, die Frage der Ab leitung von barocken Vorbildern ein. Die Phä nomene, die sich um die drei großen ünternehmer gedreht haben, um Solari, de Pomis und Castello, sind einfach das Problem der mitwir kenden Aufnahme barocker Ideen auf der Grundlage der Kunst des späten 16. Jh.s. Bei Lüycx nun und einer Menge anderer Künstler, von denen noch zu sprechen sein wird, handelt es sich um die Verarbeitung eines barocken Vor bildes in einer Weise, die auf die Formenwelt des 16. Jh.s zurückweist. Luycx, ein Maler des Rubenskreises, hat sowohl was die Auffassung der Figuren, als auch was die Durchführung be trifft, sich von der vorbildlichen Malweise des Rubens abgewendet, um einen mehr linearistischen Stil auszubilden, der bis zu einem ge wissen Grade an die Arbeiten van Dycks der zweiten Antwerpener Epoche anschließt, die ihrerseits ein Ergebnis der Auseinandersetzung mit dem späten 16. Jh. sind. So finden wir um
die Mitte des 17. Jh.s die Wiederaufnahme der manieristischen Formenwelt. Meister, wie Sandrart und Schönfeld oder auch Adriaen Bloemaert, die vorübergehend in Österreich gearbeitet haben, zeigen von ihrer persönlichen Stellung her gesehen ähnliche Phänomene wie Luycx, also eine Ableitung von barocken Vorbildern im Hinblick auf das späte 16. Jh.; charakteristisch vor allem bei Schönfeld, wenn man an seine späten Werke denkt. Aber auch bei Sandrart findet man die Streckung der Figuren, die Auflösung der strengen Form in einzelne flimmernde Lichtflecke, wie es vor allem das große Hochaltarbild der Schotten kirche in Wien zeigt, oder wie es auch die bes seren Arbeiten der Lambacher Stiftskirche vor Augen führen, die im großen und ganzen wohl Werkstattarbeiten sein dürfen. Bei Bloemaert, der in Salzburg tätig war, finden wir die Ablei tung des Vorbildes von Rubens und de Crayer ganz im Geschmack des späten 16. Jh.s, so daß man bei ihm fast den Eindruck hat, er hätte unter dem Einfluß von Stichvorlagen nach Parmegianino bzw. nach Werken von Barocci ge arbeitet. Die Mitte des Jahrhunderts ist also ein retardierendes Moment in der Entwicklung, ein Hinwenden auf die Leistungen des Spätmanie rismus. Ich möchte nur nebenbei hinzufügen, daß diese Verbindung mit dem Spätmanierismus sich nicht nur auf die großen Zentren be schränkt, sondern auch in den Leistungen, die in. den Klöstern des Landes entstanden sind, festzustellen ist; so gehören z. B. die Arbeiten der Familie Grabenberger unbedingt in diesen Zusammenhang. Es wurden wohl auch Vorbilder des römischen Hochbarocks verarbeitet, doch immer wieder auf manieristische Vorbilder zu rückgegriffen, wie es am besten wohl die Fres ken der Kirche von Waldhausen zeigen. Die Familie der Carlone hat wie viele andere Länder auch Österreich mit ihren Werken über schwemmt und eine Menge von Architekturen und Dekorationen hier hinterlassen. Ich möchte nicht näher auf das Carlone-Problem eingehen, das zu den schwierigsten Teilproblemen der österreichischen Kunstgeschichte gehört. Die Carlone-Dekoration ist doch letzten Endes eine Fortsetzung des lombardischen Systems, aller dings mit Aufnahme hochbarocker Elemente, was besonders in den figuralen Teilen der Stuck dekorationen zum Ausdruck kommt. Wir kom men mit den Carlones in das Gebiet der Ausein andersetzung mit dem römischen Hochbarock. Diese Auseinandersetzung erfolgt in den Zen tren Wien und Salzburg durch eingewanderte Künstler aus Italien und dann durch wenige, da für aber um so bedeutendere österreichische Künstler. So ist z. B. die Fassade des Stadtpalais Liech tenstein in Wien von Martineiii eine ganz deut liche Übernahme berninesker Fassadenlösungen; Charakteristisch das Untergeschoß mit der Ver klammerung der Souterrain- mit den Parterre fenstern wie es am Palazzo Odescalchi von Bernini zu sehen ist. Eine ähnliche Übernahme der berninesken Architektur finden wir bei Zugallis Werken in Salzburg. Vor allem die Kajetanerkirche mit dem charakteristischen ber ninesken Querovalraum kann als Beispiel der Übertragung römischer hochbarocker Innen raumgestaltungen dienen. Die ziemlich starke Raumvereinheitlichung ohne Absetzen des un teren Geschosses von der Kuppel, das Domi nieren des einfachen Raumzylinders ist eine Leistung, die uns bei Fischer noch einmal be schäftigen wird. Von außen sind Zugallis Kir chen großformig, streng und relativ einfach gegliedert, wobei durch die wenigen aber sehr deutlich prononcierten Elemente der Gliederung eine Spannung zwischen flacher Mauer und dem plastisch empfundenen Motiv der Gliederung, wie wir es bei Bernini finden, entsteht. Die bedeutendste Persönlichkeit, die in diese Richtung gehört, ist Fischer von Erlach. Ich kann im Laufe der Ausführungen nicht das gesamte Öeuvre Fischers durchgehen, sondern nur einige Punkte des Problems bei Fischer aufzeigen. Etwa bei der Dreifaltigkeitskirche das Problem der gebogenen Wand, eine Übernahme des Bor rominesken Fassadenprinzips und zweitens das Problem der Raumvorstellung bei Fischer. Es ist zweifellos eine richtige Beobachtung, daß die Einziehung der Fassade bei der Dreifaltigkeits kirche nicht nur eine bewegte Schauwand dar stellt, sondern eine Beziehung zum Außenraum herstellen soll, womit eine Gestaltung des Plat zes vor der Kirche erzielt wird. Zweifellos hat Fischer in seinen Innenräumen ein stärkeres Empfinden des Raumes gehabt als seine Vor läufer. Die Fragen des Innenraumes bei Fischer stellt sich bereits bei seinem frühen Werk, dem Ahnensaal in Frain, der ein geschlossener, höhlenartiger Innenraum ist. Vorbilder dafür finden wir bereits im römischen Hochbarock. Der beste dieser ausgehöhlten, von innen nach außen gebuchteten Räume ist wohl die Capeila Spada von Fontana in der Chiesa Nuova. Die Raumein heit, wie sie Fischer anstrebt und wie sie in der Dreifaltigkeitskirche erreicht ist, wird auch in Werken französischer Architektur angetroffen, wobei für Fischer die Kreuzherrnkirche von Mathey in Prag als Anregung angenommen werden kann. Ich möchte auf das Problem des einheitlichen Raumes auf Grund der Fischerschen Dekorationen noch zurückkommen. Bezeichnend für Fischer. ist der Gegensatz des 10
abgeschlossen gedachten Innenraumes zu der für sich entworfenen Fassade. Am deutlichsten ist dieser Gegensatz von Kuppelraum und Fassadenwirkung bei der Karlskirche in Wien zu sehen, dem wichtigsten Bau Fischers. Auch die Kollegienkirche in Salzburg zeigt die Ver bindung der bewegten Fassade mit dem anders gearteten Innenraum, der seinerseits eine Aus einandersetzung mit dem Innenraumkonzept des Salzburger Domes dargestellt, wie z. B. die Ähnlichkeit der Gliederung der Pilaster und die Öffnung der Emporen zeigen. Hier ist außerdem auf das wachsende Interesse Fischers für die palladianische Architektur hinzuweisen, wie es sich im Chorraum der Kollegienkirche ausdrückt und wie es noch stärker im Innenraum der Karlskirche anzutreffen ist. Andererseits finden wir bei der Kollegienkirche das interessante Phänomen der Veränderung der Proportion mit Betonung der Höhe gerade im Gegensatz zum Salzburger Dom, der mehr oder weniger den Gesü-Typ auch in der Proportion variiert. Diese Streckung der Proportion ist nun nicht das erste Mal bei Fischer in der österreichischen Barock architektur anzutreffen, wenn es auch das erste bedeutende Beispiel ist, sondern wir finden in der Mitte des 17. Jh.s eine Richtung, die be reits das Verhältnis der Breite zur Höhe des Innenraumes vielleicht nicht unbeeinflußt von mittelalterlichen Vorbildern zu Gunsten der Höhe verändert. Eines der besten Beispiele ist die Architektur Darios, vor allem die Wall fahrtskirche Maria Piain bei Salzburg. Die Ideen Fischers zur Gestaltung eines ge schlossenen einheitlichen Innenraumes bedingen eine spezielle Behandlung der Raumbegrenzung, ein bestimmtes Verhältnis zu seiner Dekoration. Wir kommen mit diesem Problem der Fischerschen Dekoration zu dem Problem des Gesamt sehens, des Gesamteindruckes der Dekoration und der allmählichen Entwertung des Einzel stückes. So sind Fischers Altäre, die er teils selbst entworfen hat oder die in seinem Kreis von ihm stilistisch entsprechenden Künstlern ge arbeitet wurden, in die Mauermasse eingebun den, um damit den Raumeindruck, den Fischer erzielen wollte, zu ermöglichen. Gute Beispiele geben von Carlone gearbeitete Altäre in der Johannspitalskirche in Salzburg, die ganz mit der Wand als Raumbegrenzung verbunden sind, wo die Wand plastisch einen Altar bildet und dann wieder zurücksinkt. Der Meister, mit dem Fischer gern zusammen gearbeitet hat, und der zweifellos seine Ideen am besten gebracht hat, ist J. M. Rottmayer, der allmählich diese architekturgebunde dekorative Malerei ausgearbeitet hat. Rottmayers Kuppel dekorationen gehen von den späten Kuppel dekorationen des Cortonakreises aus, nicht von Cortona selbst. Man kann geradezu sagen, daß die frühesten Arbeiten Rottmayers ebenso wie die späten Arbeiten des Cortonakreises im Gegensatz zu den Hauptleistungen Cortonas selbst stehen, wie denn die Kuppel Giro Ferris in San Agnese ein ganz anderes System ver folgt als die Flachkuppel von Cortona in der Chiesa Nuova. So finden wir Rottmayer eigent lich als den Nachfolger Giro Ferris, der die Kup pelschale mit Figuren ausfüllt und wenig Frei raum gibt, das heißt, wir haben ein Aufreißen in den illusionistischen Freiraum vermieden, wie es zur selben Zeit in Wien die Decken Pozzos in der Jesuitenkirche und im Gartenpalais Liechtenstein vor Augen führen. Ich möchte dar auf hinweisen, daß das Problem des Verstellens des Freiraumes durch Figuren in der Kuppel schale und dann das Herstellen eines geschlos senen Eindruckes ein ebenfalls wieder spätmanierisitisches System ist, wie es z. B. in der Capeila Pazzi von Pocetti zu sehen ist, wo wirk lich die ganze Fläche von Figuren erfüllt ist. Rottmayer arbeitet dem barocken System ent sprechend zuerst mit den konzentrisch angeord neten Kreisen und geht dann allmählich dazu über, die'gesamte Fläche mit Wolken zu er füllen, die eine Folie bilden, auf der als einzelne Konzentrationspunkte Figuren sitzen. So ergibt sich eine Art illusionistischer Wand hinter der eigentlich tatsächlich gemauerten Wand, die eine gewisse Erweiterung des Raumeindruckes er zielt, ohne aber die Geschlossenheit der Raum wirkung aufzuheben. Dieses Problem der Wol kenwand scheint dem Fischerschen Dekorations prinzip sehr entsprochen zu haben. Eine Fort setzung des Rottmayerschen Systemes finden wir ausschließlich bei Daniel Gran, während andere Maler des österreichischen Barocks bald in Gegensatz zu dem Rottmayerschen Prinzip ge raten. Als Beispiel für Gran kann das Fresko mit der Allegorie der glücklichen Regierung in Mähren in Brünn oder auch das Kuppelfresko der Nationalbibliothek in Wien dienen. Auch Gran arbeitet mit einer relativ seichten Raum schicht, wo er einzelne recht fest gearbeitete Wolken gegeneinandersetzt und auf diesen Wol ken seine Figuren gemäß der neapolitanischen Kompositionsweise verteilt (Abb. 41). Die plastische Dekoration hat im Laufe des 17. Jh.s die Formen Berninis übernommen. Ent sprechend der Baukunst Zugallis findet man hier die hochbewegten dramatischen Formen Ber ninis auch in der dekorativen Plastik, wie sie der Stukkateur Francesco Brenno geschaffen hat. Auch mit Fischer hat ein Bildhauer der Bernininachfolge zusammengearbeitet, Bern hard Mandel. Er hat einerseits an den Altären 11
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