Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 2

Diskussion über andere Möglichkeiten erübrigt. Die Barockzeit ist in unserem Volke noch so lebendig, daß die richtige Farbgebung auch die entsprechende Stimmung im Beschauer hervor ruft. Es sind gewiß nur Ausnahmefälle, in denen die originale Behandlung des Innenraumes uns nicht als wohltätig erscheint. Das gleiche gilt aber auch von der gesamten Ausstattung der Kirchenräume. Marmorierung und Behandlung der Altäre ist meist dann ästhetisch am meisten befriedigend, wenn der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird. Es ist ein oft gemachter Fehler, daß die schwie rige Aufgabe der Marmorierung Kräften über tragen wird, welche dieser Aufgabe nicht ge wachsen sind. In vielen Fällen wurde mit der Freilegung des ursprünglichen Bestandes bei geringsten Kosten der beste Erfolg erzielt. Es müßten vielmehr Kräfte dafür geschult werden, solche Freilegungsarbeiten mit Ausbesserung der Fehlstellen sachgemäß durchzuführen. Originale Farbgebung der Einrichtungsgegen stände wird meist nur dann Schwierigkeiten für die Wirkung des Gesamtraumes bieten, wenn dieselben aus anderen Kirchen übertragen wor den sind. Es gibt einzelne Fälle, wo nach den Klosteraufhebungen unter Kaiser Josef die verschiedensten Einrichtungsgegenstände in einen Kirchenraum gebracht worden sind und nun so behandelt werden müssen, daß keine störenden Kontraste entstehen. Doch muß das Vorhandensein verschiedener Farbkompositionen in einem Raum nicht immer störend wirken. Eine weitere oft erörterte Frage geht dahin, ob und inwieweit bei Kirchenrestaurierungen dem Innenraum und seinen Einriclitungsgegenständen eine neuwertige Oberflächenwirkung gegeben werden soll und kann. Insbesondere bei den Vergoldungen wird häufig von den Pfarr angehörigen die Erwartung ausgesprochen, daß alles geschlossen und neu aussehen soll. Hiebei wird vergessen, daß damit die Gesamtwirkung schwer beeinträchtigt wird. Auch wirtschaftlich bedeutet eine solche völlig neue Vergoldung, wo sie nicht notwendig ist, eine schwere Einbuße für die Pfarrgemeinde. Mit dem roten Bolus, der für die barocke Vergoldung meist verwen det wurde, war ja die Absicht verbunden, dem Gold mehr Feuer zu geben und bei der zeitlich bedingten Abnützung die Plastik des Kunstwer kes zu steigern. Das alte Gold ist auch meist stärker und schöner als die neuen Goldsorten. Eine pflegliche Behandlung alter Vergoldungen verdient daher immer den Vorzug vor einer geschlossenen Neuvergoldung. Ein wichtiger Gesichtspunkt bei allen diesen Fragen ist, daß die Gesamtwirkung eines Innenraumes auf ein gewisses einheitliches Niveau gebracht werden muß. Es ist völlig falsch, etwa bei Vergoldungen einen neuwertigen Zustand hervorrufen zu wol len, während Ölgemälde und Deckengemälde durch den Alterungsprozeß verdunkelt bzw. in ihrem künstlerischen Bestand reduziert sind. Zu den schwierigsten Fragen der Kirchen restaurierung gehört die Behandlung des figuralen Schmuckes. Es gilt wohl als selbstver ständlich, daß gotische Plastiken nur einem geschulten Restaurator zur Behandlung über lassen werden dürfen. Meist ist man sich aber nicht bewußt, daß auch die Fassung barocker Figuren künstlerisch von höchster Bedeutung ist. Es wäre der Wunsch aller Denkmalpfleger, daß sich möglichst viele gewerbliche Kräfte finden, weldie in der Konservierung bzw. Freilegung der ursprünglichen barocken Fassung von Figu ren bewandert sind. Es ist mit Bedauern fest zustellen, daß bei Neufassung solcher Figuren sehr häufig unpassende Farben und eine fremd artige Oberflächenerscheinung Verwendung fin den. Wenn dies noch in der Weise erfolgt, daß ursprüngliche Fassungen mit ihrer Übermalung gänzlich entfernt werden, so liegt tatsächlich die Zerstörung eines künstlerischen Wertes vor. Die Entscheidung, wie Plastiken zu behandeln sind, kann daher nur im Einvernehmen mit dem Denkmalpfleger erfolgen, welcher auch auf die Wahl der geeigneten Fachleute drängen wird. Dasselbe trifft für die Behandlung alter Ge mälde in den Kirchen zu, ob es sich nun um Ölgemälde oder Fresken handelt. Besonders am Herzen liegt dem Denkmal pfleger die Erhaltung der Örgeln als alten Klangdenkmalen, welche in ihrer Unberührtheit von größter Kostbarkeit sind, wenn sie auch nicht immer so geschätzt werden, wie sie es verdienen. Niemals sollten wegen eines Wun sches, der vielleicht aus dem jeweiligen Zeit geschmack geboren ist, Veränderungen vorge nommen werden, welche dem Klangdenkmal seinen Charakter nehmen. Sorgfältige Pflege kann die Instrumente durch Jahrhunderte be wahren. öptisches und Akustisches bildet eine für jedes Zeitalter genau bestimmte harmonische Einheit. Jede eigenwillige Veränderung muß diese Einheit zerstören, wodurch unersetzliche ideelle und auch materielle Werte verloren gehen. Die Werke der Vergangenheit sind jeder Ge neration zur treuhändigen Verwaltung anver traut, man wird es unserer Generation zu dan ken wissen, wenn wir das anvertraute Gut unversehrt der Zukunft hinterlassen; wir wür den aber als schlechte Hausväter betrachtet werden, wenn die künftigen Generationen den Verlust kostbarer Schätze beklagen müßte.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2