allein: Es ist das Genie, bescheidener gesagt das Talent, Dies ist wie die Gnade, es wendet sich dorthin, wo es will ohne Rücksicht auf die gerech ten Gesetze. Darum müssen wir bescheiden sein vor dem Phänomen der künstlerischen Schöpfung. Um glücklich zu sein, müssen wir die Ziele über uns selber hinaussetzen. Das heißt nicht, daß v/ir außerordentliche Täten vollbringen. Aber was je der leisten kann: daß wir em großes Ziel im Auge behalten und die kleinste Sache diesem großen Ziel entsprechend vollbringen. Das Ziel unseres Glücks liegt in der Arbeit, die unserer inneren Vervollkommnung dient. Ich liebe die Gottes furcht eines Pere Teilhard de Chardin, man spürt, bei ihm die Ehrfurcht vor dem religiösen Gefühl. Wahrhaftig, wir haben unseren Glauben zu leben, zu hüten in unserer Tiefe drin als unseren einzi gen Lebenszweck, wir haben ihn auch auf die an dern zu übertragen in Form der Handlung oder des plastischen Ausdrucks. Wir haben daraus kein Ausstellungsstück zu machen. Ja, hier steckt die Wurzel des Problems. Wenn wir gläubig sind, können wir nicht zulassen, daß die menschliche Gemeinschaft den Weg zum Him melreich nicht findet. Unter den Mitteln, die uns gegeben sind, dies zu erreichen, kann die Kunst das eine sein, wenn auch nicht das reinste, so doch eines der wirksamsten, der bedeutendsten. Luzern, den 5. Oktober 1955. BERICHTE Zur Ausstellung A. Birkle im Landesmuseum zu Linz: Moderne Glasfenster In gotischen Kirchen Ein Hinwels auf das malerische Schaffen von Albert Birkle (Salzburg) Von Wilhelm A. Jenny (Linz) Dazu Abb. 31, 32 Die Bedeutung, die dem farbigen Bildfenster im Gesamtgefüge des gotischen Kirchenraumes zukam, kann kaum hcch genug veranschlagt werden. Es tritt im vollentwickelten gotischen System an die Stelle des verschwundenen Steingewändes ist also Wand, Lichtquelle und Bild zugleich. Seine juwelenhaft leuchtenden Farben — Purpur, Kobalt, Smaragd und Topas — hüllen den Raum in eine sakrale Lichtatmosphäre, die auf Erden sonst kein Gegenstück hat; sie bedeuten dem Gläubigen, ge mäß der universalen Bausymbolik der Gotik,' zu gleich ein Abbild des Edelsteinglanzes, in dem das überirdische Vorbild des Kirchenbaues, das himmliche Jerusalem erstrahlt (Hans Sedlmayr). In den bildlichen Darstellungen entrollt sich in idealer, wandhafter Zweidimensionalität der gewaltige Zy klus der christlichen Heilsgeschichte — nicht als biblia pauperum, sondern als tief durchdachte theo logische Konzeption, deren vollen Sinn wir eben erst zu erschließen beginnen. Es ist daher kaum zu viel gesagt, wenn Peter Meyer die igotische Glas malerei — die kein Malen auf Glas, sondern ein Malen mit zugeschnittenen Glasstücken, und ein fassenden Bleistegen war — hinsichtlich Rang, gei stigen Gehalt und universaler Verbreitung als die führende Kunstgattung in den Ländern nordwärts der Alpen bezeichnet. Erst von der Mitte des 15. Jahrhunderts ab, muß sie diese ßteUung an die nunmehr aufkommende Schrein- und Tafelmalerei abgeben. Heute stehen wir vor der Tatsache, daß nur noch ein verschwindend geringer Teil unserer gotischen Gotteshäuser im Besitze seiner ursprün,glichen Farbfenster ist. Die überwältigende Mehrzahl aller gotischen Kirchenräume präsentiert sich dem Be schauer mit Fenstern aus späterer Zeit, die in keiner Weise der Intention, des gotischen Gesamtkunst werkes entsprechen. Am harmlosesten erweist sich noch die schlichte weiße Verglasung, die nur ein reines Minus an Werten bedeutet; schlimmer schon die geblich getönte Glastafel des Barock, die bereits die Lichtatmosphäre des Raumes verfälscht. Am unerträglichsten jedoch erscheinen uns heute die pseudogotischen Fenster des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die in ihrer mißverstandenen Technik, in ihrer blutleeren Dünnfarbigkeit und süßlich-naturalistischen Formensprache so ziem lich das genaue Gegenteil originalgotischer Fenster darstellen. Sie verfälschen nicht nur den Eindruck des Raumes, sondern korrumpieren ihn. Hier erscheint Abhilfe nicht nur wünschenswert, sondern ein dringendes Gebot kirchlicher Denk malpflege. Welcher Weg aber soll beschriften wer den? Der Versuch einer Stilnachahmung, wie ihn das 19. Jahrhundert unternahm, scheidet von vorn herein aus. Er ist nicht nur mit dem Odium künstlerischer Unfruchtbarkeit und inferiorer Ge sinnung behaftet, sondern auch praktisch ohne Aussicht auf Erfolg. Jede Zeit sieht die Kunst einer vergangenen Epoche subjektiv, durch die Brille ihres eigenen Wesens, ihrer eigenen Geistig keit oder Ungeistigikeit. Eine Neugotik von 1956 würde vielleicht manche künstlerische Sünden der Brettelgotik von 1860 vermeiden, um auf der an deren Seite womöglich noch schlimmeren Mißver ständnissen zu verfallen. In Frage kommt also nicht eine Nachahmung, sondern eine völlige Neu schöpfung aus den künstlerischen Voraussetzungen und Möglichkeiten unserer Gegenwart selbst. Dieser Weg ist seit einem Vierteljahrhundert in einer Reihe europäischer Gotteshäuser, unter denen sich auch Kathedralen erster Ordnung, wie der Prager St. Veitsdom befinden, mit entschie denem, ja überzeugendem Erfolg beschriften wor den. Wir möchten ihn einen Weg lebendiger Denk25
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