Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 2

Domschatz von Regensburg gelten, die im Jahre 1950 durchgeführt wurde'). Bei dieser Weberei mit der monumentalen Darstellung der Kreuzi gung mit Heiligen und Stifterfigur, die in drei großen, grob aneinandergenähten Fragmenten erhalten war, wurden zuerst diese Nähte gelöst und bei der neuen Montierung auf einer Leinen unterlage zwischen den einzelnen Stücken schmale Zwischenräume freigelassen, um das Fehlen von Figuren und Teilen anzudeuten. Aber weniger dieser Verlust einzelner Partien als der Zustand des ganzen Gewebes, vor allem der Oberfläche, machten hier eine Konservie rung dringend notwendig. Durch eine sorgfältige Reinigung und die Sicherung der sehr stark abgeriebenen Oberfläche durch Legen eines fei nen Gitters aus naturfarbenen Seidenfäden in der oben geschilderten Art wurde das Stück nicht nur vor weiterer Beschädigung und Ver fall geschützt, sondern auch sehr störende Fehler des Gesamteindruckes behoben. Vor allem die Klarheit und Größe der Zeichnung kam wieder deutlich zum Vorschein, die früher sowohl an den Konturen als auch in der Binnenzeichnung durch die schadhaften und aufgerauhten Stellen der Oberfläche wesentlich beeinträchtigt worden war. Ein wesentlich vielfältigerer und schwierige rer Fragenkomplex ergibt sich bei der Frage der Restaurierungen, die über die bloße Erhaltung ■und Sicherung des Vorhandenen hinausgehen. Als wichtigstes Problem tritt hier die Frage auf, ob eine solche Restaurierung, vor allem wenn es sich um die Ergänzung oder Füllung größerer und kleinerer Partien eines Stückes handelt, am vollendeten Stück sichtbar bleiben, oder ob eine möglichst genaue und unsichtbare Angleichung an den originalen Teil erfolgen soll. Das Konzept, das in einem Kunstgegenstand seinen materiellen Niederschlag gefunden hat, ist die Schöpfung des Künstlers, die an sich durch Beschädigungen des verwendeten Materiales nicht beeinträchtigt wird. Es bleibt daher auch bei verschiedenartigen Fehlern, die im Laufe der Zeit entstehen, in gleicher Weise bestehen und wird nur in seiner Wirkung auf den Beschauer beeinträchtigt. Es kann daher der originale künstlerische Wert eines Stückes gerade in dieser Hinsicht durch die Ergänzung und Beseitigung von Schäden nicht verringert werden, da der künstlerische Gehalt ja im Kon zept und nicht an dem mehr oder weniger be schädigten Material liegt. Diese Tatsache gibt daher die Möglichkeit und Notwendigkeit, Er gänzungen auf Grund des künstlerischen Kon zeptes vorzunehmen, die den Eindruck auf den *) Sigrid Flamand Christensen, ein Frühwerk deutscher Textilkunst, Das Münster, 3. Jahrgang 1950, S. 77 ff. 12 Beschauer im ursprünglich beabsichtigten Sinn wiederherstellen. Jede derartige Ergänzung ist selbstverständlich nur dann zulässig, wenn die volle Sicherheit der historischen Richtigkeit, also der Originaltreue gegeben ist, weil sonst die Gefahr einer Veränderung oder sogar Ver fälschung besteht. Eine Art Kompromißlösung, die in manchen Fällen gerade bei Paramenten oder Gewändern notwendig erscheint, ist die Ergänzung, die aber als solche klar ersichtlich bleibt. Gerade bei der Frage der sichtbaren oder unsichtbaren Restaurierung eines Werkes bieten die Textilien im allgemeinen keine so schwie rigen Probleme wie etwa Gemälde, nicht des anderen Materiales, sondern ihrer andersartigen künstlerischen Konzeption nach, da es sich in den meisten Fällen um eine fortlaufende Flä chendekoration handelt. In einer bildmäßig geschlossenen Komposition mit räumlicher Tie fenwirkung ist die sichtbare Ergänzung von Fehlstellen durch neutral gehaltene Ausfüllung für den Gesamteindruck viel auffallender und störender, weil diese Stellen wie aufgeklappte Flächen wirken, die die einheitliche räumliche Vorstellung beeinträchtigen. Bei Textilien, auchsolchen mit flguralen Kompositionen, dagegen handelt es sich im allgemeinen um eine Projek tion des Bildvorwurfes in eine einheitliche Fläche, in der dementsprechend auch neutral eingesetzte Flächen für den Gesamteindruck nicht so empfindlich spürbar sind. Eine Aus nahme bilden hier etwa die Tapisserien mit ihrer Verwendung großer malerischer Vorlagen. Wo hier eine Ergänzung der ausgefallenen und zerstörten Teile schon aus konservatorischen Rücksichten geboten erscheint, wird im allge meinen auch eine der Darstellung entsprechende Art der Ergänzung gewählt werden, die dem künstlerischen Vorwurf folgt und auf die Erhal tung des intakten Gesamteindruckes abzielt. Ist ein Werk jedoch durch den Verlust großer und wichtiger Partien seines ursprünglichen Bestandes zum Fragment geworden, so ist grundsätzlich von einer Ergänzung abzusehen und es muß dieser fragmentarische Zustand als Gegebenheit hingenommen werden. Allerdings sind die Grenzen zwischen großen Fehlstellen und einem fragmentarischen Zustand oft nicht ganz klar zu ziehen und es muß der einzelnen Entscheidung von Fall zu Fall vorbehalten blei ben, die Frage, ob ein Stück als Fragment anzu sprechen ist oder nicht, zu lösen. Eine Ergänzung von Fehlstellen kommt bei Textilien nur dort in Frage, wo partienweise das ganze alte Mate rial verlorengegangen ist, also nicht etwa bei der zuvor geschilderten Oberflächenverwetzung. Auch an stark beschädigten Stellen ist hier die

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