Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 2

abträglicher Sein als die tatsächlich Vorhandenen Schäden. Hier ist in früheren Zeiten oft schwer gesündigt worden: Uberstopfen von Löchern mit groben Fäden, Zusammenziehen von Fehlstellen, das unbedingt ein weiteres Ausreißen an den Rändern nach sich zieht. Einsetzen von in Ma terial und Farbe nicht dazupassenden Stücken, Befestigung auf zu starken und zu knapp be messenen Unterstoffen, die das Stück verziehen, Falten bilden und die Ränder brechen lassen, wie das .einfache Zusammennähen von Stoff falten und das Einschlagen und Umnähen von Rändern sind hier immer wieder zu finden. Alle derartigen Ausbesserungen müssen vor einer gründlichen Konservierung unbedingt entfernt werden, was oft fast ebenso schwierig und zeit raubend sein kann wie die nachfolgende eigent liche Konservierungsarbeit. Wesentlich für jede Erhaltung vor allem sehr alter Stoffe ist sodann eine gründliche Reini gung. Die Reinigung alter Gewebe, wie sie seit Jahren sowohl bei großen Restaurierungsarbei ten als auch fortlaufend an den Beständen der großen Museen durchgeführt wird, erweist sich immer deutlicher als unbedingt notwendig. Gerade aus konservatorischen Rücksichten wurde das Waschen alter Stoffe früher ängstlich ver mieden, weil die Gefahren eines Zerfalles der an sich brüchigen und oft in größeren Partien lockeren und zerrissenen Gewebe bei Befeuch tung als zu groß erachtet wurden. Aber gerade der eingedrungene Staub und Ruß zeigt sich als einer der gefährlichsten Zerstörer alter Tex tilien. Durch starke Verschmutzung wird nicht nur der Gesamteindruck stärkstens beeinträch tigt, sondern auch die Fasern selbst werden durch die harte Verkrustung spröde und brüchig, was zu weiterer Zerstörung führt; bei gewebten Stoffen durch Zerreißen und Brechen vor allem der strafferen Kettfäden, wodurch die oft mehr fach übereinander liegenden Schüsse im Gewebe locker werden und die flott liegenden oder her aushängenden Partien an der Oberfläche beson ders gefährdet werden, bei Stickereien auf Sei dengrund etwa durch ein Brechen des Grund gewebes vor allem den Konturen der schweren und steifen Stickerei entlang. Eine vorsichtige Reinigung aller dieser Stücke in kaltem oder lauwarmem, am besten destil lierten Wasser ohne jede mechanische Reinigung nur durch leichtes Bewegen und mehrfachen Wasserwechsel und ein darauffolgendes Trock nen in ausgebreitetem, geglättetem Zustand kann immer nur wünschenswert sein und führt oft zu einer direkten Regenerierung der verhär teten und brüchigen Fasern, die sich sodann auch leichter und ohne Gefahr eines weiteren Äusreißehs in ihre ursprüngliche Lage joringeri lassen. Die häuflgste Aufgabe bei der Erhaltung und Wiederinstandsetzung alter Stoffe ist eine Kon servierung der Oberfläche, die zumeist durch Reibung auf größeren und kleineren Flächen abgewetzt und angegriffen erscheint. Durch Zerreißen mehrerer nebeneinander liegender Fäden wird das Gewebe an diesen Stellen locker und schütter, die feinen Enden der zerrissenen Fäden hängen heraus und dazwischen liegen die anderen Fäden über größere Stellen flott. Der artige Schäden, die in gleicher Weise an Resten mittelalterlicher Stoffe wie auch vielfach etwa an noch "in Verwendung stehenden Paramenten auftreten, bedürfen unbedingt der Konservie rung. Gerade an diesen Stellen schreitet sonst der Verfall raschest fort. Jede auch leichte Rei bung oder Zug führt zu weiterem Reißen, die freien Fadenenden werden abgestoßen oder ab gerissen und die flottliegenden Fäden sind eben falls durch jede äußere Berührung sehr gefähr det; sehr rasch kann aus einer solchen abgerie benen und aufgerauhten Stelle ein viel schwerer wieder zu reparierendes Loch entstehen. Die Konservierung einer derartig beschädigten Stelle erfolgt durch ein Spannen feiner aber fester Fäden über die schadhafte Stelle, die mit kleinen Stichen in "regelmäßigen Abständen ab genäht wie ein feines Gitter die freiliegenden Fäden niederhalten und wieder eine glatte Oberfläche bilden. Bei sehr starker Beschädi gung ist neben dieser Fixierung der Oberfläche meist noch ein Unterlegen mit einem in Material und Farbe entsprechenden Stoff notwendig. Einer ähnlichen Art der Konservierung bedürfen auch Fehlstellen in Tapisserien, die häufig durch Ausfallen einzelner Partien, wo die eingewirkte Wolle durch die Farbe zersetzt wurde (was vor allem bei Schwarz häufig vorkommt) auftreten. Durch dieses Ausfallen der Wolle wird die dar unter liegende Kette frei und es ist damit die Gefahr des Zerreißens an dieser Stelle oder eines ungleichmäßigen Verziehens des ganzen Stückes gegeben. Hier kann sowohl durch Unter legen der schadhaften Stellen eine Sicherung und Fixierung der Kette erfolgen als auch durch Ergänzung der ausgefallenen Schüsse. Ebenso müssen Löcher in einem Gewebe durch Unterlegen und ein möglichst feines und unsicht bares Fixieren der Ränder an dem Unterstoff gesichert werden, um ein weiteres Ausfransen und Reißen zu verhindern. Als ein besonders markantes Beispiel einer derartigen Erhaltung eines wichtigen und sel tenen Stückes mittelalterlicher Textilkunst kann hier die Konservierung des Retabel aus dem 11

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