Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 2

gänge nahe dem Hauptportal der Kirche führen, und von der aus mühelos auch die heilige Hand lung am Altar in der Oberkirche verfolgt wer den kann. Erreicht ist somit auch, daß nicht nur die etwas langweilige klassistische Innenarchi tektur eine Auflockerung und größere Lebendig keit bekommt, sondern daß auch für die verhält nismäßig kleine Kirche mehr Raum gewonnen ist. Vor allem aber — und das war die entschei dende Aufgabe — St. Hedwig (Berlin) vermag, in solcher Weise restauriert, mehr als bisher an allen Forderungen der heiligen Liturgie zu ent sprechen. Diese Forderungen aber sind in un serer Zeit als die ersten zu hören und zu berück sichtigen. Sie sind berücksichtigt, wenn die Kirche zum Raum echter Begegnung wird, der Begegnung von Volk und Christus in der Mysterienfeier. Auch bezüglich der oben gestellten zweiten Frage, was mit den zerstörten Kirchen angelehn ten oder imitierten Stils zu geschehen hätte, hat Prof. Hans Schwippert durch einige Kirchen restaurierungen eine sehr befriedigende Ant wort gegeben. Sie heißt: es sind diese Kirchen ruinen nicht in jedem Falle völlig zu zer stören. Auch sie bieten noch gültige Ansätze zu einem Neubau. So hat Schwippert aus der zer störten gotizistischen Kirche St. Engelbert in Mühlheim an der Ruhr ein meines Erachtens ausgezeichnetes Gotteshaus unserer Zeit ge schaffen. Wenn da etwas vorschnell von einem „Gotteszelt" gesprochen wird, so glaube ich, dem Architekten mehr Ehre anzutun, wenn ich sage, daß er hier bestens verstanden hat, dem „Schwerelosen" selbst einer Pseudogotik mit seinen leichtschwebenden Formen konsequent zu entsprechen und so ein Werk wie aus einem Guß zu schaffen, in dem wieder der Altar auf einer „heiligen Insel" wichtigstes Stück ist, Ort des Treffens von Volk und Christus auf den Vater hin. Das gleiche wurde von Schwippert erreicht beim Wiederaufbau der pseudoroma nischen Kirche St. Paulus in Düsseldorf, deren basilikaler Charakter durch die stehengeblie benen Umfassungsmauern vorgegeben war, die aber nun viel mehr ist als eine peinliche Kopie, die in der Sauberkeit und Klarheit der Architektur als durchaus „modern" angespro chen werden kann. Es ließen sich die angeführten Beispiele noch um viele erweitern. Sie mögen genügen, um zu sagen, daß das Problem der wiederaufzubauen den Kirchen nicht nur ein architektonisches ist, sondern auch ein theologisches, ein litur gisches im letzten. Das ist nicht immer begrif fen worden, wie es ja auch bei den kirchlichen Neubauten von heute nicht immer begriffen ist. Fragen, wie sogenannte Wochentagskirche, fer ner das völlige Auflösen der Chorwand oder auch der Westwand in Glas und manches andere bedürften in diesem Zusammenhang der Er örterung. Grundsätzlich wird man im Zusam menhang mit dem ganzen Fragenkomplex „Kirchen heute" zu der Überzeugung kommen müssen, daß die Dinge nur in dem Maße richtig zu werden vermögen, als sie im Innern von Auftraggeber und Architekt — christlich ge sehen, liturgisch gesehen — richtig liegen. Bei dem, was dann wird, kann der Eindruck des Ungewohnten keinen Maßstab vermitteln. Un gewohnt waren Bauformen und Kunstwerke zu jeder Zeit, in der sie zum erstenmal auftraten.i Konservierung und Restaurierung alter Textilien Dr. Dora Heinz (Wien) Die Erhaltung und Restaurierung kostbarer alter Textilien, die trotz anderen Materiales und anderer Technik im Prinzipiellen die glei chen Probleme stellt, die bei jeder anderen Restaurierarbeit an Kunstgegenständen auftre ten, läßt sich in zwei grundlegend voneinander verschiedene Aufgaben gliedern: Einerseits in die Erhaltung des rein materiellen Bestandes und andererseits die Wiederherstellung des Kunstwerkes seiner Idee nach. Im ersten Fall — der reinen Konservierung — handelt es sich darum, den zur Zeit vorhandenen alten Bestand in vollem Umfang zu erhalten und vor weiterem Verfall zu schützen. Im zweiten Fall gilt es, das künstlerische Konzept, wie es dem Original zugrunde gelegt war, so gut als möglich sichtbar zu machen und daher alle Beschädigungen mög lichst unsichtbar und originalgetreu auszubes sern und zu ergänzen. Diese beiden Fragen sind daher im Folgenden getrennt zu behandeln. Bei der Konservierung des vorhandenen Be standes sind folgende vier Punkte vor allem zu berücksichtigen: Die Beseitigung alter Stopfstel len, die Reinigung, die Sicherung der Oberfläche und die Ausfüllung von Löchern. Unsachgemäß und oft erschreckend grob ausgeführte alte Flick- und Stopfstellen können ein Stück oft mehr entstellen. und seinem weiteren Bestand 10

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