Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 2

Dr. Leonhard Küppers (Düsseldorf) Um den Wiederaufbau zerstörter Kirchen in Deutschland Dazu die Abb. 22, 23, 24 und S. 9 Der Zweite Weltkrieg hat sehr viele Kirchen zerstört, solche, die als echte Kunstwerke ihre Bedeutung hatten, und solche, die als Pseudokunstwerke in imitierter Romanik oder Gotik oder in einem falschen Barock existierten. Das führte im Zusammenhang mit den Wieder- , aufbauplänen zu grundsätzlichen Fragen. Wer vom Wesen der Kirche als dem in der Konsekra tion geheiligten Bau, als dem „Göttlichen unter uns" nichts versteht, mußte zur Forderung kommen: „Erst einmal Wohnungen, danach die Kirche!" Wer etwas davon versteht und zu allem weiß, daß der Mensch jenseits von Christus, jen seits also auch von der Kirche (die Christus ist), ein ergänzungsbedürftiger Torso bleibt, weiß auch, daß die Forderung heißen muß „beides — Wohnungen und Kirche", nicht aber „ent weder Wohnungen oder Kirche!" Eine weitere grundsätzliche Frage war gleich zu Anfang diese: sollen die zerstörten Kirchen früherer echter Stile, genau wieder so aufgebaut werden, wie sie waren oder ist es angängig, sie im „Stile unserer Zeit" wieder aufzubauen?" Und endlich: „Was soll mit jenen Kirchengebäuden geschehen, die aus der bloßen Anleihe bei anderen echten Stilen entstanden, den Romanismen, Gotizismen etc.? Sollen sie, wo sie nur zum Teil zerstört sind, restlos zerstört werden und einem Bau in ,zeitgemäßen StiT Platz machen?" Die Fragen haben zu sehr entgegengesetzten Antworten ge führt. Man hat sich im deutschen Raum, sofern es sich um den Wiederaufbau zerstörter alter Kirchen handelt, im allgemeinen dahin entschie den, den ursprünglichen Stil als Forderung zu betrachten, sofern die Zerstörung nicht wesent lich unter 50 Prozent liegt. Vor allem im rhei nischen und wiederum speziell im Kölner Raum hat man so verfahren. Damit allerdings wurde das Problem noch nicht restlos gelöst. Es blieb die weitere Frage, ob der ergänzende Wieder aufbau in einem solchen Falle in blinder Imi tation zu erfolgen hätte. Wer in Köln St. Apo steln oder Groß-Sankt-Martin ansieht, muß mit Genugtuung feststellen, daß hier keineswegs blinde Imitation des ehemaligen und alten der Romanik erfolgte, etwa in der Wiederaufnahme der Zwerggalerien, daß vielmehr die Grundform der Architektur und der Galerien bestehen blieb, daß aber dennoch die „Sprache unserer Zeit — die Einfachheit" zu ihrem Eigenrecht gekommen ist. St. Aposteln in Köln ist dabei unter der Leitung von Prof. Dr. Weyres geradezu zu einem Muster beispiel geworden, auch bezüglich der Innen gestaltung des Dreikonchenchores. Hier aller dings war die Aufgabe bei weitem nicht so schwierig wie in anderen Fällen, wie etwa bei der wiederaufzubauenden St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin, einem Rundbau im klassizisti schen Barock aus der Zeit Friedrichs des Großen, der der Grundforderung unserer Zeit nach dem echten „liturgischen Raum" sehr viel weniger zu entsprechen vermag. Prof. Dr. Hans Schwippert, der Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, hat für die St-Hedwigs-Basilika in Berlin wahrhaftig eine schwere Aufgabe übernommen, zumal diese Kirche zugleich Kathedral- und Pfarrkirche sein soll. Es standen nach der Zer störung lediglich die Umfassungsmauern. Die Kuppel wurde nach dem gleichen System wie bei St. Stephan in Karlsruhe als betongegossene Rippenkuppel erneuert, allerdings ohne die frü her vorhandene, nicht aus der Zeit stammende störende Laterne. So fand Schwippert den Bau vor, als die ersten Verhandlungen mit dem Ber liner Bischof und dem Domkapitel begannen. Sie bezogen sich also in der Hauptsache auf die Ge staltung des Innenraumes. Nach vielen Über legungen und Experimenten steht heute fest, daß 1. die angebaute runde frühere Sakra mentskapelle in Zukunft als Sakristei dienen soll, 2. daß der bisherige Zugang zu ihr von der Kathedrale her durch die Koncha zum Ort für die bischöfliche Kathedrale bestimmt ist, daß 3. durch ein Aufbrechen der Mitte des Bodens innerhalb der Kathedrale eine Verbindung ge schaffen wird zur ausgedehnten runden Krypta. Problematisch vor allem wurde die Aufstellung des Altares. Die nunmehr endgültige Lösung wird so sein, daß zwei übereinanderstehende Altäre angebracht werden, derartig, daß der untere Altar in der Krypta, der zugleich der Sakramentsaltar ist, in einem oberen Altar im Bereich einer „heiligen Insel" seine Fortsetzung erfährt. Für den Bischof und seine Begleitung besteht so die Möglichkeit, vom aufgebrochenen Rund her auf feierlicher Treppe zur Oberkirche emporzusteigen. Anderseits wiederum ist er reicht, daß die Krypta, bisher lediglich als Be gräbnisstätte fungierend, zur eigenen Pfarr kirche gemacht ist, zu der wiederum eigene Ein8

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