auf diese Weise die Nischenbildungen auch innerhalb der Gemeindekirchen zur Ausführung kamen. Ich erinnere in diesem Zu sammenhang an eine Predigt des Gregor von Nyssa, die ich schon in meiner früheren Arbeit (Der Gesinnungscharakter des merowingischwestfränkischen Basilikenbaues, Würzburg 1944, S. 101, Anm. 72) zitiert habe. In dieser Predigt erwähnt nämlich der Heilige, daß er seine Eltern neben einer Heiligenpartikel in der Kirche beerdigt habe. Dieser Vorgang kann nur nach Kenntnis der ganzen Sachlage entweder in einer Pastophorienanlage oder in einem der Seitenschiffe stattgefunden haben. Man könnte aber auch auf Guyer verweisen, der bei SarreHerzfeld (a. a. O., Bd. II, S. 8) bezüglich der Entwicklung der Seitenaltäre zu folgendem Schluß gekommen ist; „Wir können nur soviel sagen, daß es erst seit dem 5. Jahrhundert üb lich wurde, mehr als einen Altar aufzustellen, und zwar scheinen anfangs diese Seitenaltäre in cubiculis längs der Schiffe errichtet worden zu sein, erst später am Ende der Seitenschiffe." So scheinen also Heiligen- oder Reliquiengrab (Stiftergrab), Nischenbildung und Altar errichtung in einem Zusammenhang zu stehen. Jedenfalls wird man auch die Nischenbildung im Altarraum nicht ohne die Entwicklung des Reliquienkultes erklären können. Man muß sich nämlich vor Augen halten, daß der christliche Kultus zunächst seinen Ausgang von der Eucharistie (also dem Abendmahlskult) genommen hat, daß er aber dann mehr und mehr unter dem Einfluß der Märtyrer- und Heiligenverehrung weiterentwickeJt wurde. Be rücksichtigen wir diese Tatsache, ist es ganz logisch, daß wir auch die Entwicklung des Chorraumes, also des Raumes, in dem der Al tar steht, engstens mit der Entwicklung des Abendmahlskultes und der Heiligenverehrung in einem Zusammenhang bringen dürfen. Sei nerzeit (vgl. meinen Beitrag in der Festschrift Römstedt, Zur Liturgie und Anlage des Drei apsidenchores im vorkarolingischen Frankreich, Münster, Heft 9/10, 1952, S. 237 ff.) hatte ich schon ausgeführt, daß die Pastophorien und ihre Verwendung nur im Rahmen der Abend mahlsliturgie „verständlich" seien. Wenn diese Pastophorien, wie sich das im Osten beobach ten läßt (vgl. Guyer bei Sarre-Herzfeld, a. a. O., II., S. 8 ff.), mit dem 6. Jahrhundert ver kümmerten und von Apsidiolen oder Apsiden abgelöst wurden, so ist das noch kein Beweis gegen meine These, vielmehr wird daraus nur deutlich, daß zu dieser Zeit nicht mehr der frühchristliche Abendmahlsritus und die sich daraus entwickelnden sogenannten eucharistischen Prozessionen (nämlich der kleine und der große Aufzug), sondern die Heiligenverehrung im Vordergrund stand. Jedenfalls ist im Reli quienkult die eigentliche Ursache für die Ver wandlung der Pastophorien in eine Drei apsidenanlage zu erblicken. Diese Erkenntnis, die ich schon am angegebenen Ort (Festschrift Römstedt) zum Ausdruck gebracht habe, läßt sich nun im Blick auf die einschiffige Kirche St. Benedikt zu Mals/Schweiz bestätigen. Mit Recht hat Susanne Steinmann-Brodtbeck (Herkunft und Verbreitung des Dreiapsiden chores, in: ZFSAK, Bd. L, 1939, 2, S. 65 ff.) u. a. auch diese kleine Kirche mit den Ora torien (= Saalkirchen) des Ostens in einen Zu sammenhang gebracht. Diese erinnert nämlich grundrißmäßig und autoptisch infolge ihrer drei östlichen Nischen stärkstens an die von Sarre-Herzfeld geschilderten Grab- und Martyrerkirchen, während dies bei dem ausgespro chenen Typus der Dreiapsidenkirchen Grau bündens schon nicht mehr der Fall ist. Gerade in Mals und in Dibeny — und man könnte noch andere Beispiele wie auf Rusäfah und Alahan Monastir verweisen — wird ja deutlich, daß für die Nischenbildung nicht der Altar (= also der Abendmahlsritus), sondern das Wandgrab (= also der Reliquienkult) den Ausschlag ge geben hat. (Vgl. die schon oben angeführten Ausführungen von Herzfeld.) Die Nische hat also ursprünglich nichts mit der Apsis ge mein, sie ist nicht der ursprüngliche Raum für den Altar gewesen. Demnach sind auch die dies bezüglichen Ausführungen von SteinmannBrodtbeck (a. a. O., S. 86), wonach die St. Be nediktskapelle zu Mals zeige, „daß die Apsiden übrigens von jeher für die Aufstellung von Al tären verwendet wurden", weil die dortigen Altarstöcke „noch die ursprünglichen sind: sie füllen den ganzen unteren Teil der seltsamen Nischen aus, so daß diese eigentlich überhaupt erst über ihnen anheben", nicht nur autoptisch falsch, sondern beruhen auch offensichtlich auf einer architekturikonographischen Verwechs lung (Nischenbildungen sind keine Apsiden!). Akzeptieren wir den Gedanken, daß die Ni schenbildung keine Apsidenbildung ist, dann ergibt sich für die Drei-Nischenanlage der Ka pelle zu Mals der Schluß, daß sie gegenüber den Schweizer Dreiapsidenanlagen einen Sonder typus darstellt. Damit stehen wir aber vor einem Kirchentypus, den man u. E. nicht mehr als „eine eigenartige Reduktion des Dreiapsiden motivs" (vgl. Steinmann-Brodtbeck, a. a. O., S. 82) bezeichnen kann. Das ist nun eine wichtige Erkenntnis, auch im Blick auf die Linzer Nischenkirche, die man flicht etwa nur als Reduktion eines Zentral bauschemas, sondern ganz im Sinne der ur-
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