Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 1

Dibeny, nordwestlich von Diyarbakr, stehen. Auf sie hat erstmals J. G. T a y 1 o r im 35. Bd. von „The Journal of the royal Geographical Society", London 1865, S. 38, unter gleichzeiti ger Publizierung ihres Grundrisses hingewie sen. Taylor's Aufnahme haben dann Berliner und Bever im Herbste 1913 nochmals durch wei tere Vermessungen verbessert (vgl. Petermanns „Geographische Mitteilungen" 1922, Taf. 18, und „Kunstchronik und Kunstmarkt", Leipzig, Nr. 20 vom 16. Februar 1923, S. 390) beziehungsweise ergänzt. Darnach handelt es sich um eine in den ge wachsenen Felsen gehauene mehrstöckige An lage, deren Kern einen Kirchenraum bildet, der nach außen durch drei Öffnungen, ursprünglich einer Türe und zwei Fenstern, zugänglich ist. Das oratoriumartige Schiff (Breite 6 m, Länge 13.15 m) ist flach gedeckt, die Apsis gewölbt. Die linker Hand der Apsis anstoßende Sakristei weist ein vierseitiges Zeltdach auf. Vor allem charakteristisch für den Innenraum sind die Wandnischen, eine große Nische an der Längs wand und 29 kleinere, auf drei Wände verteilt. Die Maße sind folgende (vgl. S. 390 oben): „Breite rund 60, Höhe an der Vorderseite rund 80, größte Tiefe rund 45, volle Höhe rund 100 (die Vorderwand blieb rund 20 cm hoch brett artig stehen)." Im übrigen vergleiche man den Plan (unsere Abbildung 11). Was die Zweckbedeutung der Kirchenanlage anlangt, so schien sie schon Taylor für einen Grabbau, also ein Martyrien, zu halten. Später hat dann auch Berliner (Kunstchrbnik, a. a. O., S. 391 ff) auf die offensichtlichen Zusammen hänge mit den von Sarre und Herzfeld aufge deckten Martyrionbauten hingewiesen. (Vgl. Sarre-Herzfeld, Archäologische Reise im Euphrat- und Tigrisgebiet, B. II, Berlin 1920, S. 331 ff.) Herzfeld hat (vgl. a. a. O., S. 335 f.) den Ty pus dieser Bauten folgendermaßen umrissen: „Das Primäre an ihm ist das einzelne Grab. Ich habe wiederholt erwähnt, daß Reliquien in die Mauern eingemauert werden. Ebenso liegen die Gräber in der Mauer. Mag man sie nun Nischengrab. Pultgrab oder Altargrab nennen, es liegt auf der Hand, daß diese Form, die stets in der Wand bei einem Beispiel, nämlich in Rabban Hormuzd, wie ein Altar aus der Wand hervortretend angebracht ist, eine Ableitung aus dem westlichen Arcosolien-Grab ist. Die Sohlbank des Arcosolium ist stets schräg, pult artig; das schönste Beispiel ist das Grab des Mir Behnäm. Arcosoliengräber in Grüften ver einigt finden sich bei Urfa und in Qal'at Sim'an, als Mönchsgrüfte; sie sind in Syrien ganz ver breitet und im Tur 'Abdin gibt es viele, noch ünaufgenommene Beispiele. Als sekundär und beliebig ergibt sich die Anordnung der Gräber in tief rechteckigen oder quadratischen oder achteckigen Räumen. Die letzteren lehnen sich ■unmittelbar an westliche Typen an, die ersteren kommen da vor, wo die Zahl von vornherein acht Gräber übersteigt, besonders bei den häu figen ,40 Märtyrern'." Nun scheint es, daß die Nischenbildungen nicht nur bei den syrisch-mesopotamischen Mar tyrienbauten üblich waren, sondern auch in die im Zusammenhang mit dem Kaiserkult stehen den östlichen und westlichen Mausoleen, also in die Zentralbauten der ersten christlichen Kaiser, Eingang gefunden haben. Ich denke z. B. an Sa. Costanza, das Grabmal der Constantina oder an das der Kaiserin Helena in Rom (vgl. Grundrisse Plan 4 und 2 bei Fr. W. Deich mann, Frühchristliche Kirchen in Rom, Basel 1948). Wie steht es aber nun mit solchen Langhausklrchen, die keinen Mausoleumscharak ter hatten? Hier scheint sich die Nischenbildung über einen Umweg durchgesetzt zu haben, ent weder im architektonischen Zusammenhang mit einem Zentralbau oder in Verbindung mit den Pastophorienanlagen. Die Pastophorien waren in jener Epoche der Eucharistiefeier „überflüssig" geworden, da un ter dem Einfluß der Märtyrerverehrung der Opfer- und Prozessionsgedanke in den Vorder grund, der Gedanke der Agapenfeier dagegen in den Hintergrund getreten war. Zu dieser Zeit erfuhren Prothesis und Diakonikon eine Umdeutung und wurden so zu liturgischen Vor läufern unserer abendländischen Krypten; denn man verlegte in sie vielfach den Tauf- und Exorzismusraum beziehungsweise das Grab eines Heiligen oder Märtyrers. Schon Guyer hatte sich mir gegenüber dazu bekannt, daß zwischen den abendländischen Krypten und den im Sinne des Tauf- und Grabritus umgewan delten Pastophorienanlagen Syriens Zusammen hänge bestünden. (So Guyer in einem Brief vom 12. Mai 1946 an mich.) Jedenfalls gibt es Pasto phorienanlagen im Osten, die Wandgräber und somit Nischenbildungen enthalten haben. (Vgl. auch V ö 1 k 1, Die Grundrißtypen im Karolin gischen Kirchenbau, S. 174, im Münster, Heft 5/6, 1954.) Diese Räume konnten also be züglich ihres liturgischen Zweckes sowohl an antike Heroen wie an mittelalterliche Krypten erinnern. Es scheint auch, daß von diesen spä ter als Grabkapellen empfundenen Anbauten Einflüsse auf dieGesamtkirchenanlage ausgingen, so daß bald die Seitenschiffe zur Aufnahme von Heiligen-(u. U. auch Stifter-)Gräbern und spä ter dann zur Aufstellung von Altären gedient haben. Jedenfalls spricht nichts dagegen, daß

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