Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 1

nicht gibt, zu werden, nämlich ein ,me on', etwas, das es grund sätzlich nidit geben soll". Diesen Tendenzen gegenüber beruft sich Abt Hugo Lang auf die Instruk tion vom 30. Juni 1952, in der es heißt: „Es ist aber auch alles zu vermeiden, was auf eine gewisse Geringschätzung von Kunst und Werk hindeutet." — Die gesamte Ausstattung (Altar, Sängerchor. Boden, Decke, Türen und Fen ster) gewinnen im Kirchenbau „mehr als eine nur sachliche Not wendigkeit", sie müssen dem Alltäglichen entrückt sein. Von der Ausstattung im engeren Sinn unterscheidet Abt Hugo Lang die „Ausschmückung", die auf zweierlei Weise möglich sei, nämlich dadurch, daß der Bau körper durch sein Material „sich selbst schmückt", oder dadurch, daß man das Ornament, das Symbol, das Bild heranzieht. Die „Bildscheu" unserer Tage sei durchaus nicht zu begrüßen; auf der anderen Seite müsse ge fordert werden, daß Bau und Schmuck eine Einheit bilden (wie etwa in der Barockzeit). Abschließend wird noch Clemens Holzmeister zitiert, der sagt, un sere Kirchen müssen „mit dem Geist der Liturgie erfüllt und nicht aus ihr dekoriert werden." Als Beispiel für die These des Leitartikela: „Der Baukörper schmückt sich oft selbst" bringt das Heft drei neue Kirchenbau ten von Rudolf Schwarz: Sankt Anna in Duisburg, St. Josef in Köln-Braunsfeld und St. Mechtern in Köln - Ehrenfeld. Als klassisches Beispiel für die Ver bindung von Architektur und Glasmalerei wird die in kurzer Zeit berühmt gewordene Kirche Maria-Königin in Köln-Marien burg, ein spätes meisterliches Werk von Dominikus Böhm, in hervorragenden Abbildungen vor Augen geführt. Es ist eine Kirche von zarter und zugleich strah lender Schönheit, wie sie in un serer nüchternen Zeit vielleicht nur einem Dominikus Böhm ge lingen konnte. Im Gegensatz dazu fordert die ungegliederte Wandmasse der St. Sebastians kirche in Ludwigshafen von Ar chitekt Philipp Blaumer kon struktive Fenster, wie sie Albert Burkart, wohl von Legers Fen stern in Audincourt angeregt, ge schaffen hat. Wieder anders die Dynamik des Pfingstfensters von Meistermann, auf die hin die Kilianskirche in Schweinfurt angelegt ist (vgl. das Titelbild des Heftes 3/1955 der „Christlilichen Kunstblätter"). Dagegen wirkt das „Engielchorfenster" von Ludwig Gies, In der Kapelle „Madonna in den Trümmern", dem intimen Reiz des Raumes entsprechend, wie ein still strah lender Teppich. Das kleine Kirch lein im Zentrum der Stadt, das soll hinzugefügt werden, erfreut sich bei den Kölnern besonderer Beliebtheit. Von den Fenstern, deren Zusammenhang mit der Architektur nicht betont ist, sol len erwähnt werden ein Tauf kapellenfenster in Hörn/Aachen von Anton Wendling, das neue Augsburger Domfenster von Jo sef Oberberger und das Mün sterer Passionsfenster von Hein rich Campendonk. Exzellenz Julius Döpfner hielt anläßlich -der Kirchweihe der St. Alfonskirche in Würzburg eine Predigt, in der er den theo logischen Gehalt des Altarwand freskos von Georg Meistermann ausdeutete und die Gläubigen zu ehrfürchtigem, betendem Schauen aufforderte. Auszüge aus dieser Predigt erläutern auch im Jahr buch die Bilder. Der Leiter des Bischöflichen Bauamtes der Diö zese Würzburg, Hans Schädel, hat die Architektur dieser Kirche auf das Fresko hin angelegt, ähnlich wie er es in St. Kilian in Schweinfurt im Hinblick auf die Altarglaswand getan hat. —■ Auch die St. Josephskirche in Straubing (Architekt Friedrich Haindl, Deckenmalerei und Chor wand von Franz Nagel) ist als Gesamtkunstwerk geplant und ausgeführt. Unter den abgebildeten Mosai ken Sei die „Delmenhorster Ma donna" von Ludwig Baur, unter den Wandteppichen der von Franz Nagel für die Altarwand der Mariahilf-Kirche in München entworfene erwähnt. Die Maria hilf-Kirche, ein neugotischer Bau aus den Dreißiger) ahren des 19. Jahrhunderts, ist nach ihrer schweren Beschädigung in den Kriegsiahren 1952/53 von Archi tekt Michael Steinbrecher in bei spielhafter Weise neugestaltet worden. Aus einem ehemals fin steren dreischiffieen Langhaus wurde eine lichterfüllte und fest lich wirkende Halle. Jeder, der sich über den heu tigen Stand der sakralen Kunst in Deutschland informieren will, sei auf das Jahrbuch nachdrück lich hingewiesen. G. R. Werner Haftmann, Malerei im 20. Jahrhundert. Prestel - Verlag München 1954. 550 S. 28.50 DM. Werner Haftmann, der durch sein Buch über Paul Klee (Mün chen 1950) bekannt geworden ist, hat uns mit diesem umfangrei chen Werk eine der besten deutschsprachlichen Darstellun gen der nachimpressionistischen Malei'ei geschenkt. Seine Fähig keit, sich in verschiedenste Künsltlerpersönlichkeiten einzu fühlen, ist schlechthin bewun dernswert. Das gilt nicht nur für seinen „Liebling" Klee, dem er eine zentrale Bedeutung im gan zen der modernen Kunst zuweist, sondern für fast alle behandelten Maler. Seine Einstellung zur mo dernen Kunst ist fast unter schiedslos positiv — ausgenom men einige Veristen wie George Grosz und, in gewisser Hinsicht, Kokoschka. Wer sich mit dem Buch kri tisch auseinandersetzen will, der sei hingewiesen auf den Artikel „Das große Reale und das große Abstrakte" von Hans Sedlmayr in „Wissenschaft und Weltbild", Märzheft 1955. Allerdings ist ge rade die These, die Prof. Sedl mayr benutzt, um mit ihrer Hilfe einen Angriff auf die gesamte moderne Kunst zu starten, die anfechtbarste im Werke Haft manns. Sie ist knapp und klar in dem einen Satz ausgesprochen: ..Alles, was an künstlerischen Reaktionen in der Moderne mög lich ist, ereignet sich zwischen den beiden Erfahrungspolen des absoluten (magischen) Dinges und der absoluten (magischen) Form" (S. 282). Es ist das. was Kandinsky das ..große Reale" bzw. das „große Abstrakte" ge nannt hat, und was seinen pi-äzisesten Ausdruck in den beiden Richtungen des SuiTealismus (das magische Reale) und des russi schen und holländischen Kon struktivismus (das magische Ab strakte) gefunden hat. Die uner trägliche Folgerung der Haftmannschen These ist, daß alles, was vor der ersten Sichtbarma chung der beiden „Erfahrungs pole" durch Duchamp (1914) und Malewitsch (1913) entstand, nicht mehr im engeren Sinne zur „mo dernen" Kunst zu rechnen ist, mit anderen Worten, daß gerade die entscheidenden Jahre eines Matisse und eines Picasso (1905 bis 1914), daß ferner die Kunst der „Brücke" und im wesentli chen auch die des „Blauen Rei ters" nicht mehr dazugehören. Zum zweiten übersieht Haft mann hier, daß die starken ex pressiven Tendenzen, die sich seit dem Ende des Zweiten Welt krieges bemerkbar machen (dan kenswerterweise führt sein Buch bis an diese iüngste Ver gangenheit heran), sich durchaus nicht zwischen den beiden „Er fahrungspolen" bewegen, sondern etwas durchaus anderes dar stellen. 28-

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