Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 1

Dr. Leonhard Küppers (Düsseldorf) Ewald Matare Dazu die Abb. 1, 2, 3 Es fällt nicht schwer, Ewald Matare einen der bedeutendsten Bildhauer in Deutschland zu nennen, schwerer allerdings ist es, über ihn in einem kurzen Artikel Ausreichendes auszusa gen. Wenn es an dieser Stelle dennoch versucht wird, dann um den Meister mit weiteren Krei sen auch in Österreich bekanntzumachen, zumal er demnächst auch dort mit einem großen Werk vertreten sein wird, mit einer Tür am Salzbur ger Dom. Ewald Matare ist von Geburt Aachener und heute 68 Jahre alt. Niemand aber sieht ihm die ses Alter an. Vielleicht wirkt da von ferne etwas das spanische Blut mit, das ihm seine Ahnen vererbten, sicher aber ist, daß sein kla rer Geist und seine stets höfliche, elastische Art ihn auf eine besondere Weise jung gehalten ha ben. Damit hängt es auch wohl zusammen, daß er bis zum heutigen Tage einen ausgezeichneten Kontakt mit seinen Schülern behielt, die als bestes Zeugnis über ihren Meister aussagen, daß er in gleicher Weise ein ausgezeichneter Mensch wie auch ein ausgezeichneter Lehrer sei. Wer heute Matares umfangreiches bild hauerisches Werk betrachtet, wird es nicht leicht glauben können, daß dieser Künstler seine Laufbahn als Maler begann, zunächst in Aachen bei Eugen Klinkenberg, dann 1907 an der Kunstakademie in Berlin, um schließlich 1914 zu dem gänzlich „untektonischen" Lovis Korinth zu gehen und, nach Berlin zurückge kehrt, Meisterschüler des Historienmalers Ar thur Kampf zu werden. Vergebens sucht man heute im Werk Matares nach Remiszenzen .an Korinth oder Kampf. Künstlerisch sind sie nicht mehr zu finden. Man könnte allenfalls thematisch von Matare damals zu Matare heute einen Hinweis geben, insofern damals — un ter Arthur Kampf — sich bereits eine klare Neigung zu religiösen Themen abzuzeichnen begann, die sich dann in der Folgezeit bis zur Gegenwart immer stärker verfestigt hat. Wich tiger aber ist für die Beurteilung Ewald Ma tares, daß sich damals auch bereits sein Drang zu klarer und fester Tektonik bemerk bar macht. Bezeichnend in diesem Zusammen hang ist sein Gemälde „Die Frauen und der Tote" vom Jahre 1920. Welcher Künstler aber, dem die Tektonik Anliegen und Sorge ist, würde nicht nach dem Buch Adolf von Hilde brands „Das Problem der Form" greifen. An geregt durch die Ausführungen Hildebrands setzte sich Matare nun in besonderer Weise mit dem Begriff des Plastischen auseinander. Während aber Adolf von Hildebrand — wie auch seine Freunde Hans von Maree und Ar nold Böcklin — dem Süden verbunden blieb, fand Matare stärkere Impulse für sein begin nendes plastisches Schaffen in der Begegnung mit dem Norden. Seine frühen Versuche machte er um das Jahr 1920 an Holz, das vom Meer wasser umspült worden war, dessen Maserung das Meer herausgewaschen, dem das Meer Höhen und Tiefen gegeben hatte. Mehr noch als eine überraschende Theorie lernte Matare also wohl vom Werk, das die Dynamik der Naturgewalt vollbrachte. Matare ist übrigens dem Holz als seinem eigentlichen Material treu geblieben. Es ist gewiß kein Zufall, daß auch sein umfangreiches graphisches Werk hauptsächlich Holzschnitte aufweist, die immer auch die klare Tektonik seiner plastischen Werke haben. Hans Theodor Flemmings Buch „Ewald Matare", 1955 im Prestel-Verlag in München erschienen, bringt in einem eigenen kleinen Kapitel Äußerungen Matares über Plastik, die bereits aus dem Jahre 1928 stam men. Sie sind in unserem Zusammenhang recht aufschlußreich. Da heißt es unter anderem: „Je widerstandsfähiger das Material, desto bildnerischer, weil der Arbeitsprozeß die Ein deutigkeit des Gestaltungsprozesses schon vor Beginn der Arbeit als feststehend verlangt. Darum ist auch alle Kneterei in Ton dem Ge stalten so entgegengesetzt, weil sie der Ent schiedenheit des Gestaltungswillens nicht ent gegenkommt, sondern diese durch den umge kehrten Arbeitsprozeß (im Hinzutun anstatt Fortnehmen = Befreien) geradezu hemmt. Je mehr eine Zeit die elementare Forderung des Abtastbaren zugunsten eines nur noch mit dem Auge Wahrnehmbaren aufgibt, umso weiter entfernt sie sich von ihrem eigensten Wesen, und führt sich letzten Endes ad absurdum, wie wir es dann in unserer Zeit auf der Linie Rodin-Archipenko erlebten. Nochmals, auch ein Blinder kann eine Plastik genießen oder ... es ist keine." Wer sich mit dieser Auffassung Matares vom Plastischen vertraut macht, wird auch mühelos einen andern Weg zum Verständnis der Eigenwilligkeit seines plastischen Werkes finden, angefangen bei der ersten vollplatischen Arbeit, einem weiblichen Porträt — Kopf aus poliertem Wurzelholz, über die ausgezeichneten frühen Tierplastiken, 1

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