Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 1

bis 1593 lebte. Wie diese, stellt er die Natur igetreulicli dar und er reicht dennoch durch das Zusam menstellen fremder Dinge ma gisch-unwirkliche Effekte. So komponiert er Menschen aus Früchten, und Gemüse, aus Blu men und Tellern, aus Vögeln und Fröschen, ,ia aus Fischen und Leichen. Eine Ausstellung in Rom machte auf diesen interessanten Künstler aufmerksam, von dem sich übrigens auch einige Bilder im Besitz des Kunsthistorischen Museums in Wien befinden. Die „Graphische Sammlung" in München, Arcisstraße 10, erwarb Franz Marcs letztes Skizzenbuch, das er bei seinem Tod vor Verdun im Frühling 1916 bei sich trug. Bis zu ihrem Tode vor eini gen Monaten hatte es Frau Maria Marc als kostbares Eigentum ge hütet. — Das Skizzenbuch enthält 36 Blätter in einer Größe von etwa 10X20 cm. In ihnen deutet sich eine letzte Wendung des Künstlers zum Abstrakten an. In dem Ineinander der Formen wird etwas Werdendes spürbar; unter manche der Zeichnungen ist mit feinem Bleistift geschrieben: ..Aus den Schöpfungstagen", „Zur Schöpfungsgeschichte", „Arsenal für eine Schöpfung", „Die Geburt der Zikaden". Nur eine einzige Zeichnung erinnert an den Krieg: „Zerschossener Wald"; in man chen sind noch gegenständliche Reste vorhanden: „Schwälbchen", „Ostern", „Rebhühner" —, aber die meisten Skizzen wollen weg von der Gegenwart des Krieges, ja, auch noch weg von der Natur, zurück zu den Tagen der Genesis. Es ist sehr zu begrüßen, daß sich das Skizzenbuch nun am gleichen Ort befindet wie das letzte Ge mälde Franz Marcs, die ..Land schaft in Tirol", in dem sich die gleiche Tendenz zeigt, und in dem er — inmitten einer „werdenden" Natur — die Umrisse der Imma kulata andeutet. Die letzten Pin selstriche eines Menschen, der sich wie selten einer nach Rein heit gesehnt hat, ■ gelten der Immakulata! Am 13. Jänner .starb in seiner Geburtsstadt New York im Alter von 84 Jahren Lyonel Feininger, der „letzte Ritter" vom „Blauen Reiter" (wenn man von Alfred Kubin. dessen Kunst sich in ganz anderer Richtung entwickelt hat, absieht). Ähnlich wie Marc und mehr noch als Klee war er Ro mantiker. Darum waren seine Lieblingsthemen die himmelstür mende Architektur der Gotik (die freilich bei ihm etwas Glä sern-Kristallinisches erhält) und die blaue Ferne des Meeres. Wenn es in einem seiner Briefe heißt: „Uns Erderikindern schwebt un sere Heimat meistens irgendwo in der Ferne", so offenbart sich hier die verdeckte Sehnsucht zur Transzendenz, die für das Werk Feiningers kennzeichnend ist. Die Picasso - Ausstellung in München wurde von insgesamt 120.000 Menschen besucht. Der Dezember brachte für die Schweiz zwei bedeutende Kunst ausstellungen: die Juan-GrisAusstellung in Bern (die bisher geschlossenste Ausstellung dieses Systematikers des Kubismus) und die Max-Beckmann-Ausstellung in Zürich. 146 Beckmanns, aus der ganzen Welt zusammengetragen, wobei ein bedeutender Anteil von den deutschen Sammlungen Ro man Norbert Ketterer, Hugo Borst und Günther Franke stammte, gaben einen Uberblick über das Schaffen dieses fanati schen Realisten unter den Moder nen. Vor allem war auch seine letzte amerikanische Schaffens periode von 1947 bis 1950 sehr gut vertreten, wobei viele Bilder zum ersten Male in Europa zu sehen waren. Bis zum 15. Jänner 1956 zeigte das Kestner-Museum in Hannover 268 graphische Blätter von Emil Nolde aus der Sammlung Doktor Bernhard Sprengel. Fritz Winter, einer der führen den Maler des heutigen Deutsch land, kann jetzt auf 50 Lebens jahre zurückblicken. Seine Lehr jahre verbrachte er 1927 bis 1930 am Bauhaus. 1932 bis 1935 findet er zu einem persönlichen Schaffen, das einerseits — trotz der Bau hausvergangenheit — stark ex pressiven Charakter trägt, ande rerseits immer der Erde mit einem fast geologischen Gespür für Druck, Schub und Lagerung verhaftet bleibt. 1939 wird er Soldat — auch von ihm, wie von Marc, sind Skizzenbuchblätter aus dem Felde erhalten. Nach 1949, dem Jahr seiner Heimkehr aus der Gefangenschaft, entstehen jene seltsamen Vergitterungen, in denen dunkel und drohend, bit teres Geschick fortzuleben scheint. 1955 nimmt er einen Lehrauftrag an der Werkakademie Kassel an. — Die Galerien Ferdinand Möller in Köln und Günther Franke in München ehrten den Künstler durch Ausstellungen. Ähnliche expressive Tenden zen wie bei Fidtz Winter sind auch bei dem Venezianer Emilio Vedova spürbar. Die 32 Bilder, die Günther Franke im Februar 1956 zeigte, lassen eine konse quente Entwicklung erkennen. Schon die Federzeichnungen des Sechzehnjährigen aus dem Jahre 1935 lösen die Ärchitekturen der Barockkirchen, die er mit Vor liebe einzulangen versucht, in seltsamer Weise auf. Der Neun zehnjährige zeichnet sich in einer Situation der Einsamkeit in einem hohen Raum, der ihn mit einer eigenartigen Lautlosigkeit umgibt. Er hatte damals viel Dostojewskij gelesen. 1942 bis 1943 steht er, wie zwei Ölbilder zeigen, unter dem Einfluß Rouaults. Unmittelbar nach dem Krieg wird seine Kunst konstruk tiv und klingt an an futuristische Bilder. In den letzten drei Jahren malt er Formen- und Farbakkorde, die dynamisch und energetisch wirken. Damit, so sagte er, habe er recht eigentlich zu sich gefunden. Denn „Malen ist eine Weise, zu sein" —, auch dies sind seine Worte. Dr. Günter Rombold, München Kunstnachrichten aus Italien RESTAURIERUNGEN In Rom wurde die Kirche zum hl. Caesarius (San Cesario) nach einer eingehenden Restaurierung wieder dem gottesdienstlichen Gebrauch zugänglich ( gemacht. Die Arbeiten, welche von einem Advokaten finanziert und vom Denkmalamt für Latium geleitet wurden, haben besonders die in Kosmatentechnik ausgeführten Werke, ferner die Fresken aus der Schule des Cavalier d'Arpino und die Mosaiken in der Unter kirche wieder zu ihrem ur sprünglichen Glanz gebracht. Die Kirche liegt an dem Stücke der berühmten Via Appia inner halb der Aurelianischen Stadt mauern, das jetzt Via di Porta San Sebastiano heißt. Während der Restaurierunigsarbeiten in der Kirche zum hei ligen Augustinus (S. Agostino) in Bergamo wurden Fresken und Freskenreste aus dem, 14. bis 16. Jahrhundert aufgedeckt. Eine Darstellung der Pietä gehört zweifellos dem Quattrocento (15. Jahrhundert) an und scheint von Bellini inspiriert. Die Kirche mit einem romanischen Tor und einer einfachen Fassade aus der 23

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