Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 1

binden, ist eine architektonische Meisterleistung. Am Sendlinger-Tor-Platz in München wurde am 27. Novem ber 1955 die evangelische Mat thäuskirche eingeweiht, die nun die Kirche des bayrischen Lan desbischofs ist. Architekt Gu stav Gsaenger schuf einen re präsentativen Bau. Der bis zur Kreuzspitze 60 Meter hohe Turm ist schon von weitem Sichtbar. In seinen offenen Glockenstuben hängen die fünf Kirchenglocken. Der Grundriß des Kirchenrau mes paßt sich den sternförmig auf den Sendlinger - Tor - Platz zuführenden Straßen an und läuft konisch auf den Altarraum zu. Durch die in der Rückwand auagesparten Glastüren betritt man den quer zum Kirchenraum gelagerten Gemeinderaum. Über der Trennungs- bzw. Verbindungswand zwischen beiden Räumen senkt sich das Dach sehr tief, um sich dann nach vorn und hinten hocir aufzu schwingen. Der barocke Schwung des Daches greift auf den gan zen Kirchenbau über. Er ist auch im Inneren — etwa durch das seitliche Ausschwingen der etwas überdimensional wirkenden Or gelempore — aufgenommen und weitengeführt. Der Altarraum ist leider schlecht belichtet. Zu den barock-repräsentativen Tenden zen dieses Kirchenbaues paßt auch der rote Terrakottafarbton des -äußeren. Wenn die Münch ner auch „in urwüchsigem Hu mor", wie sich Dekan D. Heckel ausdrückt, das Dach der Kirche seiner ungewöhnlichen Form we gen eine „Achterbahn Gottes" und die ganze Kirche „unseres Herrgotts Badwandl" genannt haben, so ist doch nicht zu leug nen, daß sich viele Augen wohl gefällig auf das neue Bauwerk richten, das als Gegenüber des Sendlinger Tores, dem Platz eine neue Dominante gibt. Die zerstörte evangelische Kreuzkirche in Kassel wird ge genwärtig in gänzlich veränder ter Form wieder aufgebaut. Der Entwurf von Architekt Gustav Gsaenger sieht einen Zentralbau mit einer 22 Meter hohen Kup pel vor, dem eine Eingangshalle vorgelagert ist, die zugleich als Gemeindesaal dient. Die Verbin dung zum Pfarrgebäude wird durch einen freistehenden, 50 Meter hohen Glockenturm her gestellt. Der Entwurf verrät, ähnlidr wie die Münchner Mat thäuskirche, eine Baugesinnung, die bei allem Streben nach Klar heit und Sachlichkeit dem Ba rock verwandt ist. Die Renovierung der Univer sitätskirche St. Ludwig in Mün chen bietet erwünschte Gelegen heit, die kitschige blaue und goldene Ornamentik, die bei der letzten Renovierung 1903/04 an gebracht wurde, zu entfernen und dem Raum Friedrich von Gärtners wieder die ursprüng liche architektonische Klarheit zu geben. Auch sechs Bischofs medaillons von Fugel werden entfernt, während das große Fresko, ..Das Jüngste Gericht" von Peter Cornelius gereinigt wird. Leider kann man es auch hier — wie in der Michaels kirche — nicht lassen, den Raum durch eine innere Glastüren wand gegen Lärm und Kälte ab zuschirmen, die sich in einer Bank äußerst elegant ausneh men würde, hier aber einen durchaus unsakralen Eindruck erwecken wird. Der bekannte Kirchenbauarchitekt Rudolph Schwarz hat das Wagnis unternommen, neben der gotischen Minoritenkirche in Köln ein puritanisch schlichtes neues Wallraf-Richartz-Museum zu erbauen. Der bekannte Kunst kritiker Richard Biedrzynski um riß die Konzeption des Architek ten sehr gut in dem einen Satz: „Was nach außen kahl erscheint, wird sich von selbst im Innern schmücken, wenn die Bilder erst wieder von den Wänden leuch ten." Professor Albert Burkart schuf für die Herz-Jesu-Kirche in Neunkirchen/Saar ein großes Emporefenster mit einer Dar stellung des Jüngsten Gerichts. In den Räumen der „deutschen Gesellschaft für christliche Kunst" in München wurde durch eine Werkschau ein Überblick über das religiöse Schaffen von Richard Seewald gegeben. Der Künstler hat ein feines Gespür für das Einfügen seiner Fresken in den Kirchenraum. So hat er etwa , in der von Architekt Metz ger erbauten Maria-Lourdeskirche in Zürich (1944) das Chor bild der Immakulata in einen großen Kreis hineingenommen, der das Motiv der kreisförmigen Fenster aufnimmt. Im Chorbild „Der gute Hirte" der im Jahre 1944 errichteten Kirche in Aarburg/Schweiz klingt in Bewegung und Gegenbewegung das Motiv der gewölbten Decke an. Zu sei nen eindrucksvollsten Werken gehört der Bilderzyklus aus der Kindheitsgeschichte Jesu in der ebenfalls von Metzger errich teten Theresienkirche in Zürich (1946). So hat die Darstellung der Verkündigung der Weihnachts botschaft an die Hirten mit dem mächtigen Engel und den hinge worfenen Hirten visionäre Kraft, die durch die Beschränkung auf wenige Gestalten und durdh die räumlich - plastische Behandlung derselben erreicht wird. Von Künstlern, Sammlern und Museen Mit feinem Geschmack haben die sächsischen Herrscher eine der großartigsten Kunstsamm lungen der Welt aufgebaut: jene Dresdener Bilder der Renais sance und des Barock, die nun wieder nach Deutschland zurück gekehrt und in der Berliner Na tionalgalerie zu sehen sind. Un ter den 520 Werken ist das be rühmteste Raffaels „Sixtina", nach neuesten Forschungen wohl 1513 von Julius II. für die Six tus-Kirche in Piacenza in Auf trag gegeben und seit 1754 in Dresden. Aber auch Tizians ..Zinsgroschen", Giorgones „Ve nus", Rembrandts Selbstbildnis mit Saskia, Dürers „Marienaltar'" sind Werke ersten Ranges. Wie verlautet, ist der Erhaltungszu stand der Bilder gut. Etwa 230, meist unbedeutendere Ge mälde sind verschollen. Angespornt durch diese durch Ludwig Justi so hervorragend geordnete Ausstellung im Osten ihrer Stadt hat sich die WestBerliner Museumsverwaltung mit Erfolg bemüht, die bisher im Neuen Museum in Wiesbaden be findlichen Werke aus dem Besitz der ehemaligen preußischen Kunstsammlungen zurückzuer halten. So kehren nun 160 ita lienische Gemälde (von Raffael, Bellini, Tintore tto, Tizian und anderen und 44 Niederländer (einige Rembrandts und „Die An betung der Könige" von Hugo van der Goes), sowie italienische und deutsche Plastiken (Donatello, Riemenschneider, Ignaz Günther) nach Berlin zurück. Das Bayrische Nationalmuseum bietet jetzt — nach dem Aufbau und der Wiedereröffnung der Räume des im Kriege schwer be schädigten Westtraktes — wieder einen geschlossenen Überblick über die süddeutsche Plastik von der herben Romanik der Wesso brunner Steinbildwerke bis zum ekstatischen Rokoko eines Ignaz Günther. Die neuen Räume zeichnen sich durch ausgezeich nete Belichtung und übersicht liche Anordnung aus. Die Kunstgeschichte hat einen „Vorfahren" der Surrealisten entdeckt: den Mailänder Giu seppe Arcimboldi, der von 1527 22

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