II. ZWISLICHENKIRCHEN In einem gewissen Gegensatz zu den eben behandelten Kir chen, denen ein Bestandteil, der zu einem normalen Gotteshaus gehört, nämlich das Langhaus, fehlte, steht der Bau, dem wir uns jetzt zuwenden. In Zwislichenkirchen schließt sich an das Langhaus im Osten und Westen ein Chor an, so daß es gegen über der Normalform ein Mehr aufweist. Der Ort, jetzt St. Pan taleon bei St. Valentin, NÖ., hieß früher Zwislichenkirchen nach der Lage der Kirche in einem Zwiesel, einer Gabelung, die der Erlabach und der Moos bach bei ihrem Zusammenflusse bilden. Den Namen Czunselklrchen (offenbar eine irrtümliche Schreibung für Czwiselkirchen) finden wir in den älteren Auf zeichnungen der Passauer Kirche (Mon. Boica, 28. B., 2. T., S. 505). In den Göttwei,eer Urbaren v. .1. 1302 und 1322 (hg. von A. Fuchs, S. 26. Nr. 94, S. 24, Nr. 65 und Nr. 68) begegnen wir folgende Lesearten: Tzwislischchirichen, Zwislichnchirchn, Zwislischnchirchen. Im Register bemerkt der Heraust.geber; Zwislichenchirchen wohl im Gemeindebezirk Haag zu suchen. In dem zweiten Vier tel des 15. Jahrhunderts .stoßen wir in den Passauer Matrikeln zum erstenmal auf den Namen St. Pantaleon. In der Volks sprache wird sich der alte Name wahrscheinlich noch bis zur Jahrhundertmitte und darüber hinaus erhalten haben. Was das Abkommen des früheren Na mens zum mindesten besünstigen mußte, läßt sich aus der Ge schichte des Kirchenbaues auf zeigen. Damit beschäftigte sich eingehend Frl. Trude Kahlhofer in einer noch ungedruckten Ar beit: ..Die Pfarrki'-che von Sankt Pantaleon, NÖ., 1943/44" und vor kurzem widmete der Kunsthi storiker E. Schaffran der in teressanten Kirche in dieser Zeitschri:ft (92. Jg.. 1954, Heft 2, S. 61—64) eine igründliche Studie: ..Die Oberkirche und Krypta in St. Pantaleon an der Ennsmündung." Beide Autoren stimmen in dem Ergebnis überein, daß die romanische Kirche zweifel los doppelchörig war, daß also dem noch erhaltenen Westchor, bestehend aus einem Chorqua drat mit halbkreisrunder Apside, ein gleichgestalteter Ostchor ent sprach. Das Langhaus hatte in Länge und Breite die gleichen Ausmaße wie der heutige go tische Bau. Ob auch eine Ost krypta vorhanden war, ist zwei felhaft, da man mit der Krypta im Westwerk als Taufkapelle das Auslangen finden konnte. Wie die romanische' Kirche einst aussah, wird am besten der Grundriß eines von Trude Kahlhofer hergesitellten Rekonstruk tionsplanes erläutern. Plan. Eine Kirche mit zwei gleichge stalteten Chören im Osten und Westen, eine Doppelkirche im weiteren Sinne des Wortes! Mußte nicht diese Bauart der Kirche, als sie in romanischer Zeit vollendet dastand, die Auf merksamkeit der Menschen mehr auf sich lenken als die Lage zwi schen den zwei Bächen? Man darf vermuten, daß man desauch den Namen Zwislichenkir chen mit dem Kirchenbau selbst im Beziehung brachte und ihn als Doppelkirche deutete. Zweselich (- zwislich) heißt nach E. Brinckmeiers Glossarium diplomaticum, 2. Bd., S. 760, nicht bloß zwiegespalten, gabel förmig, sondern auch doppelt. Und das Aussehen einer Doppel kirche bot wirklich die roma nische Kirche. Ganz andei-s wurde das Verhältnis in goti scher Zeit, als man in der zwei ten Hälfte des 15. Jahrhunderts das Langhaus umbaute und den neuen gotischen Ostchor schuf. Dieser große, hohe und lichter füllte Ostchor war kein Gegen stück mehr zum niedri.gen, dünklen Westchor, der auch keine liturgische Verwendung mehr fand. Der Name Doppel kirche verlor seine Berechtigung und kam auch beim Volke außer Gebrauch. Der Ort wurde wie St. Valentin, zu dem es einmal gehörte, nach dem Kirchenpatron St. Pantaleon benannt. III. STETNEPKTRCHPN AM FORST, Bezirk Scheibbs, NÖ. Der Ort besitzt, heute eine spätigoti.sche Kirche. Der Orts name aber weist schon deutlich auf einen früheren Kirchenbau hin. Wenn dem hl. Altmann. Bi schof von Passau, nachgerühmt wird, daß er statt hölzernen stei nerne Kirchen hinterließ. so müssen wir eine Kirche, die durch den Steinbau auffiel und deshalb dem Orte den Namen gab, in die voraltmannische Zeit, also vor 1065 ansetzen. Damit stimmt überein, daß die Pfarre bereits 1107 dem Kloster Mond see in Oberösterrei.ch einverleibt wurde. Sind noch Überreste von diesem romanischen Bau vor handen? Ich meine, das Lang haus stammt in den Grundmau ern und zum Teil in den Seitenmaueni noch aus dieser Zeit. Ein ursprünglich spätgotischer Bau wäre wohl breiter angelegt worden. Das romanische Kir chenschiff wurde idurch Einzie hung eines reichen Stern- und Netzrippengewölbes und Erhel lung mittels hoher Maßwerkfeiister gotisiert. Ob nicht auch die Fratzenköpfe unter dem Dachgesims von diesem älteren Bau stammen? In Oberösterreich gibt es zwei Steinerkirchen, das eine am Innbach, Bezirk Grieskirchen, das andere an der Traun, Bezirk Wels. Da der erstgenannte Ort um 1236 als Stainchirchen ur kundlich aufscheint (Oberöster reichisches Urkundenbuch, I., S. 615, n. 289), der an der Traun gelegene bereits 1179 als „Stainechirlchen" (K. Schiffmann, Hist. Ortsnamen. - Lexikon, II. Bd., S. 447) begegnet, dürfen wir un bedenklich auf Grund der über lieferten Ortsnamen auf eine romanische Kirche der voraltmannischen Zeit schließen, wenn auch keine auffallenden Bau reste mehr aus dieser Periode vorhanden sind. In Steinerkir chen am Innbach sind, wie mir Herr Josef Minimayr freund lichst mitteilt, im Presbyterium die starken Mauern ohne Sti^ebepfeiler. In diesem Bauteil ver mute ich die ursprüngliche ro manische Anlage. Bei Steiner kirchen an der Traun weist das Patrozinium des hl. Martin auf ein hohes Alter des ersten Kir chenbaues hin. IV, SCHEIBLINGKIRCHEN Der Oi"t liegt im Bezirk Neun kirchen, NÖ. Der Name selbst offenbart die (kreisrunde Bau form der Kirche. Es ist ein ro manischer Bau aus Quadern, der vor 1164 errichtet wurde. Bild! (Hochw. Herr Pfarrer Josef Mayer stellte in liebenswürdiger Weise ein Lichtbild zur Verfü gung, das den romanischen Kir chenbau deutlich erkennen läßt.) Auch Oberösterreich besaß eine Scheib1ingkirche in Enns auf dem Stadtplatz zwi schen dem Stadtturm und dem alten Rathaus (jetzt Museum). Da sie, wie mir Herr Kustos des Museums Josef Amstler freund lichst mitteilte, vom Volke auch Heidenturm genannt wurde, ist anzunehmen, daß ein römischer Wartturm in eine christliche Kirclre verwandelt wurde. Ur kundlich wird sie 1342 als Kirche Unserer Lieben Frau am Markt erwähnt, 1389 capella S. Mariae in foro. Seit dem 15. Jahrhun dert ist der Name „Scheibling19
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