Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 1

den, daß alle Heiligkeit aus dem Kreuze stammt, wie überhaupt das Evangelium, von dem die Heiligen zehren, sich im Kreuze konzentriert. Eine einläßliche Beschreibung aller acht Fenster wäre hier zu weitläufig. Als Musterstück grei fen wir nur das Fenster der ersten Seligkeit heraus: Selig die Armen. Vorbilder dafür sind Franz und Klara von Assisi. Franz wird hier dargestellt im bekannten braunen Gewand ar mer Hirten. Er singt gerade sein berühmtes Sonnenlied. So froh ist er geblieben in aller Armut. Oben ist die Sonne sichtbar, die auch den Armen Licht und Wärme spendet. Der Mond und zwei Sterne, ferne Sonnen, leuch ten aus dem Hintergrund. Vögel umflattern ihn munter. Pflanzen strecken sich mit ihm dem Lichte entgegen. Feuer loht von der Seite auf, Wasser rauscht zu sei nen Füßen. Wie reich ist er in dieser Armut! Aus unsichtbarer Höhe, die noch jenseits der Sonne liegt, senken sich fünf glutrote Strahlen herab und prägen ihm die fünf Wundmale ein. Sie machen ihn dem armen Jesus am Kreuze gleichförmig. Ihm zur Seite steht seine ge lehrige Schülerin Klara. Ihre Armut ist hier originell und fein geschildert. Der Künstler hat die lebensgroße Figur durch einen scharfen Schnitt halbiert. So trennt er die wohlhabende Bür gerstochter Klara, die sich far benfroh kleidete und Samtschuhe trug, von der Klarissin Klara, die in ein graues Ordensgewand ge hüllt ist und nun barfuß den Schritt in die äußerste Arrnut wagt. Mit der rechten Hand wirft sie ihr abgeschnittenes üppiges Haar zu Boden, und mit dem rechten Fuß zertritt sie ihren goldenen Schmuck. Ihr zur Seite und hinter ihr folgen unabseh bare Scharen geistlicher Töchter ihrer Mutter Klara v. Assisi. Den Mut zur Armut schöpft Klara aus zwei Quellen: erstens aus der Betrachtung des Leidens Christi, wie die Leidenswerkzeuge offen baren: Dornenkranz, Hammer. Nägel und Zange, Würfel und Würfelbecher der Soldaten; zwei tens aus der hl. Eucharistie. Die Monstranz in Klaras Hand er innert daran, wie Klara in höch ster Not den anstürmenden sara zenischen Plünderern die Pyxis mit der hl. Eucharistie entgegen hielt, wodurch die Unholde von einer unwiderstehlichen Gewalt zurückgeworfen wurden. — Das Kreuz im zugehörigen Rundfen ster ist das einfachste Kreuz, das sich denken läßt, franziskanisch einfach und arm: nur einT-förmig Über dem Längsbalken aufgeleg tes Querholz. 4. Die Fenster des Quer schiffes Wie schon bemerkt, ist das Querschiff zunächst dem Gottes dienst der Klosterigemeinde vor behalten. Diese hat sich dem Mis sionsberuf geweiht. Daher legte es sich nahe, in den sechs Dop pelfenstern des Querschiffes das Missionsthema ins Licht zu rükken. Das ließ sich leicht bewerk stelligen, indem man von den Missionsländern Asiens, Afrikas, Amerikas und Australiens je zwei, und aus der Missionszeit Europas, die man nicht vergessen darf, vier typische Missionare wählte, Ihre Bilder sollten wie derum nicht nur dem Schmuck der Kirche, sondern vielmehr der Belehrung und Aneiferung der Ordensgemeinde, in.sbesondere der jungen Leute dienen, die im Mis sionshaus dem Missionsberuf ent gegenreifen. Von weiblichen Hei ligen durfte man hier absehen. Die einzelnen Figuren mußten so gehalten werden, daß sie der Eigenart des Missionars und sei nes Arbeitsfeldes gerecht wurden. Andeutungsweise mußten also charakteristische Züge des Mis sionars und ebenso die Merkmale der zugehörigen Kontinente durch ornamentale Zugaben von Natur oder Kultureigenheiten in -Er scheinung treten. So wurden nun gewählt: für Europa: die hl. Severin und Rupert, Cyrill und Method; für Asien: Peter Perboyre (China) und Johannes de Britto (Indien); für Afrika: Peter Claver und Raimundus Lullus; für Amerika: Johannes de Brebeuf und Franz Solanus; für Australien und Inselwelt des Stillen Ozeans: Peter Chanel und Joh. Baptista (Japan). Auch hier wäre eine Beschrei bung aller sechs Fenster zu weit läufig. Als Muster sei das Fen ster mit den Bildern der hl. Se verin und Rupert kurz geschil dert: St. Severin wirkte im 5. Jahr hundert im Donau,gelände zwi schen Passau und Wien. Unser Künstler zeichnet ihn in hellbrau ner Kutte mit gefalteten Händen, den Kreuzstab im Arm. Der breite Wasserlauf mit seinen Fischen und dem Schilf am Rande ist die Donau. Das Lebenswerk unsres Heiligen fiel gerade in die Zeit, als die Römer ihre Donau grenze vor den andrängenden Germanen nicht mehr zu halten vermochten. Der römische Le gionsadler scheint mit ahgewandtem Kopf über den Rückzug zu trauern. Die vier Buchstaben SPQR bedeuten Senatus Populus Que Romanus, d. h., Senat und Volk von Rom, als kurzgefaßter Inbegriff römischer Staatsautori tät. Das römische Schwert lehnt kraftlos in der Ecke. Auf der andern Seite ragt der lange ger manische Speer in die Bildfläche herein und fordert Beachtung, weil er sich dem Römerschwert überlegen fühlt. Der runde ger manische Schild und der primi tive Helm mit seiner Zier von Ochsenhörnern sprechen die glei che Sprache. Mit dem linken Arm stützt sich St. Severin auf das junge Missionshaus St. Severin, SVD, in Fürstenfeld/Steiermark. Über dem Haupte des Heiligen ragt seine einfache selbstgebaute Zelle oder Kapelle hervor, links und rechts flankiert von Eichen und Tannen. So steht St. Severin richtig im zeitgeschichtlichen und landschaftlichen Raum seines Missionsfeldes. Der hl. Rupert wird als Missio nar und erster Bischof von Salz burg angesehen. Unser Bild zeigt ihn als Bischof im Pluyiale (Rauchmantel). Seine typische Beigabe ist das Salzfaß, weil er die Salzgewinnung und den Salz handel förderte und so die Er werbsmöglichkelten seiner Leute erweiterte. Diese Art kultureller und wirtschaftlicher Hilfe ge hörte in den Aufgabenkreis des mittelalterlichen Missionars. Die eigentliche seelsorgliche und mis sionarische Wirksamkeit betonen die vier Evangelistensymbole, sti lisierte Figuren, die das Haupt des Heiligen umkreisen. Im mitt leren Feld des Fensters lassen sich die Zinnen des Wahrzeichens der Stadt Salzburg, d. i. der Feste Hohensalzburg unterscheiden. Aus dem unteren Felde hebt sich die Silhouette des Missionshauses St. Rupert SVD. bei Bischofsho fen im Salzburgerland heraus. Zu Füßen des Heiligen ducken sich zwei Löwenfigiuren im früh romanischen Stil. Der Raumaus füllung dienen Bruchstücke eines Säulenkapitäls und darüber einer Säulenbasis, womit auA ange deutet wird, daß man über Le ben und Wirken des hl. Rupert nur bruchstückmäßig unterrich tet ist. Zusammenfassend darf man von den Missionarsfenstern _ wohl sagen: Die Missionsidee mit ihrem ungeheuren Anspruch an Gottes17

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