Christliche Kunstblätter, 94. Jg., 1956, Heft 1

INHALT SEITE EWALD MATARE Dr. Leonhard Küppers (Düsseldorf) 1 MODERNE MEISTERGLÄSER IM HOCHSCHNITT Friedrich Knaipp (Gmunden) .... 2 ZUM PROBLEM DER NISCHENBIL DUNGEN IN LANGSCHIFFKIRCHEN DDr. Herbert Paulus (Erlangen) . . 4 CASPAR LEUSERING Gudrun Rotfor (Wien) 8 EIN SCHMERZENSMANN AUS DEM KREISE GUGGENBICHLERS E. Neumann (Wien) 10 VON KUNSTWERKEN UND IHREM WERT Dr. Günter Rombold (München) .. 11 DAS FORUM 13 BERICHTE 14 BUCHBESPRECHUNGEN 25 Titelbild: Meister des Wiener Schottenstiftes (d. Ä.), Passionszyklus / Ecce homo. Tafelgemälde. 1469 (Sammlung des Wiener Schottenstiftes) EINZELPREIS DES HEFTES: 10 SCHILLING CHRISTLICHE KUNSTBLÄTTER, Eigentümer, Verleger und Herausgeber: Diöze&an>Kunsfverein, Linz a. d. D., Herrensirafje 19. SchriÜleiter: Prolessor Dr. Norberl Mike, Linz, Pelrinum. — Für die Diözese Sf. Pölten: Prälat Dr. K. B. Frank, St. Pölten, Domplotz 1. — Der Jahrgang besteht aus 4 Heften. Bezugspreis für den ganzen Jahrgang: 40 S. Postscheck konto Wien 26.090; für das deutsche Bundesgebiet 8 DM, Postscheckamt München, Konto Nr. 120.088; für dos übrige Ausland 2 i$. Druck: Jos. Feichiingers Erben, Linz. — Kiisdiees: Kübler & Co., KC., Linz.

Dr. Leonhard Küppers (Düsseldorf) Ewald Matare Dazu die Abb. 1, 2, 3 Es fällt nicht schwer, Ewald Matare einen der bedeutendsten Bildhauer in Deutschland zu nennen, schwerer allerdings ist es, über ihn in einem kurzen Artikel Ausreichendes auszusa gen. Wenn es an dieser Stelle dennoch versucht wird, dann um den Meister mit weiteren Krei sen auch in Österreich bekanntzumachen, zumal er demnächst auch dort mit einem großen Werk vertreten sein wird, mit einer Tür am Salzbur ger Dom. Ewald Matare ist von Geburt Aachener und heute 68 Jahre alt. Niemand aber sieht ihm die ses Alter an. Vielleicht wirkt da von ferne etwas das spanische Blut mit, das ihm seine Ahnen vererbten, sicher aber ist, daß sein kla rer Geist und seine stets höfliche, elastische Art ihn auf eine besondere Weise jung gehalten ha ben. Damit hängt es auch wohl zusammen, daß er bis zum heutigen Tage einen ausgezeichneten Kontakt mit seinen Schülern behielt, die als bestes Zeugnis über ihren Meister aussagen, daß er in gleicher Weise ein ausgezeichneter Mensch wie auch ein ausgezeichneter Lehrer sei. Wer heute Matares umfangreiches bild hauerisches Werk betrachtet, wird es nicht leicht glauben können, daß dieser Künstler seine Laufbahn als Maler begann, zunächst in Aachen bei Eugen Klinkenberg, dann 1907 an der Kunstakademie in Berlin, um schließlich 1914 zu dem gänzlich „untektonischen" Lovis Korinth zu gehen und, nach Berlin zurückge kehrt, Meisterschüler des Historienmalers Ar thur Kampf zu werden. Vergebens sucht man heute im Werk Matares nach Remiszenzen .an Korinth oder Kampf. Künstlerisch sind sie nicht mehr zu finden. Man könnte allenfalls thematisch von Matare damals zu Matare heute einen Hinweis geben, insofern damals — un ter Arthur Kampf — sich bereits eine klare Neigung zu religiösen Themen abzuzeichnen begann, die sich dann in der Folgezeit bis zur Gegenwart immer stärker verfestigt hat. Wich tiger aber ist für die Beurteilung Ewald Ma tares, daß sich damals auch bereits sein Drang zu klarer und fester Tektonik bemerk bar macht. Bezeichnend in diesem Zusammen hang ist sein Gemälde „Die Frauen und der Tote" vom Jahre 1920. Welcher Künstler aber, dem die Tektonik Anliegen und Sorge ist, würde nicht nach dem Buch Adolf von Hilde brands „Das Problem der Form" greifen. An geregt durch die Ausführungen Hildebrands setzte sich Matare nun in besonderer Weise mit dem Begriff des Plastischen auseinander. Während aber Adolf von Hildebrand — wie auch seine Freunde Hans von Maree und Ar nold Böcklin — dem Süden verbunden blieb, fand Matare stärkere Impulse für sein begin nendes plastisches Schaffen in der Begegnung mit dem Norden. Seine frühen Versuche machte er um das Jahr 1920 an Holz, das vom Meer wasser umspült worden war, dessen Maserung das Meer herausgewaschen, dem das Meer Höhen und Tiefen gegeben hatte. Mehr noch als eine überraschende Theorie lernte Matare also wohl vom Werk, das die Dynamik der Naturgewalt vollbrachte. Matare ist übrigens dem Holz als seinem eigentlichen Material treu geblieben. Es ist gewiß kein Zufall, daß auch sein umfangreiches graphisches Werk hauptsächlich Holzschnitte aufweist, die immer auch die klare Tektonik seiner plastischen Werke haben. Hans Theodor Flemmings Buch „Ewald Matare", 1955 im Prestel-Verlag in München erschienen, bringt in einem eigenen kleinen Kapitel Äußerungen Matares über Plastik, die bereits aus dem Jahre 1928 stam men. Sie sind in unserem Zusammenhang recht aufschlußreich. Da heißt es unter anderem: „Je widerstandsfähiger das Material, desto bildnerischer, weil der Arbeitsprozeß die Ein deutigkeit des Gestaltungsprozesses schon vor Beginn der Arbeit als feststehend verlangt. Darum ist auch alle Kneterei in Ton dem Ge stalten so entgegengesetzt, weil sie der Ent schiedenheit des Gestaltungswillens nicht ent gegenkommt, sondern diese durch den umge kehrten Arbeitsprozeß (im Hinzutun anstatt Fortnehmen = Befreien) geradezu hemmt. Je mehr eine Zeit die elementare Forderung des Abtastbaren zugunsten eines nur noch mit dem Auge Wahrnehmbaren aufgibt, umso weiter entfernt sie sich von ihrem eigensten Wesen, und führt sich letzten Endes ad absurdum, wie wir es dann in unserer Zeit auf der Linie Rodin-Archipenko erlebten. Nochmals, auch ein Blinder kann eine Plastik genießen oder ... es ist keine." Wer sich mit dieser Auffassung Matares vom Plastischen vertraut macht, wird auch mühelos einen andern Weg zum Verständnis der Eigenwilligkeit seines plastischen Werkes finden, angefangen bei der ersten vollplatischen Arbeit, einem weiblichen Porträt — Kopf aus poliertem Wurzelholz, über die ausgezeichneten frühen Tierplastiken, 1

die den. Künstler bald berühmt gemacht haben, bis zu den Arbeiten seiner momentanen Schaf fensperiode. Der wird allerdings auch begrei fen, daß dieser Künstler den Pseudokünstlern des sogenannten Dritten Reiches mit ihrem peinlichen Naturalismus unwillkommen sein mußte. Seine Werke wurden als „entartet" be zeichnet und aus den Museen entfernt. Er sel ber, der 1932 als Professor an die Staatliche Kunstakademie in Düsseldorf berufen wurde und die Leitung einer Bildhauerklasse über nahm, wurde bereits nach einem Semester — zusammen mit Paul Klee — fristlos entlassen. Er lebt seit dieser Zeit in Büderich bei Neuß am Niederrhein. Damals war es die katholische Kirche, die den „Verfemten" besonders mit Aufträgen bedachte. Es entstanden — im Auf trag des ebenfalls von den Nazis später hart verfolgten und verhafteten Pfarrers Vaasen — für die kleine romanische Kirche in Wittlaer bei Düsseldorf eine Kreuzigungsgruppe, eine vollplastische mosaizierte Großfigur des heili gen Thomas von Aquin und ein Kirchenfenster. Für die Krankenhauskirche in Köln-Hohenlind schuf der Meister einen „Schmerzensmann" und einen Kreuzweg als Hinterglasbilder. Außerdem wären weitere bedeutende TierpLastiken und beachtliche Graphiken aus dieser Zeit zu erwähnen. Auch nach seiner Rehabili tierung 1945, wo Matare zunächst kommissari scher Leiter der Düsseldorfer Kunstakademie wurde, dann aber wieder ganz zu seinem künst lerischen Schaffen und als Professor einer Klasse zurückkehrte, blieb der Meister in der Hauptsache dem Schaffen christlicher und kirchlicher Kunstwerke treu. Es entstanden die vier großen Bronzetüren für den Kölner Dom, das Westfenster für das Aachener Karls-Mün ster, drei Bronzetüren für die Weltfrieden,skirche in Hiroshima, kupfervergoldete Kirch turmhähne für eine Kirche von Rudolf Schwarz in Andernach und andere Kirchen, ein Taufbrunnen und eine Kanzel für die neue SanktRochus-Kirche in Düsseldorf von SchneiderEsleben, außerdem an profanen Werken ein großer „Phönix" für das Landtagsgebäude Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, Portale für das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf und für die Staatliche Kunstaka demie dort, ein Stephan-Lochner-Brunnen im. Innenhof des Neubaus des Kölner WallrafRichartz-Museums und die Bronzetüren für den neuaufgebauten Gürzenich in Köln. Ewald Matare steht heute jung und voller Frische in seinem Schaffen. Man hat öfters ver sucht, ihn formal in Verbindung zu bringen mit früheren Künstlern früherer Zeiten. Für die erste Zeit seines plastischen Schaffens bis etwa 1933 glaubt man dabei auf eine Ver wandtschaft mit Brancusi hinweisen zu sollen, für die Zeit danach, vor allem in Hinblick auf die kirchlichen Werke, weist man bisweilen auf mittelalterliche Vorbilder hin, auf Bronze werke der ottonischen Zeit vor allem. Das mag nicht ganz falsch sein. Falsch aber wäre es, wollte man hier mit einem negativen Akzent kommen. Matare gehört vielmehr zu denjeni gen großen Künstlern unserer Zeit, die in Ehr furcht vor den Werken der anderen und frü herer Zeiten stehen. Er läßt sich anregen, aber immer ist er ehrlich und völlig eigen geblie ben. Zu allen Zeiten seines Schaffens war er ganz er selbst, ganz originell Ewald Matare. Das gilt auch von seiner augenblicklichen Schaf fensperiode, in der der Meister sich wieder stärker von ornamentalen . Tendenzen bestim men läßt, i'so daß Relief und graphische Arbei ten im Vordergrund stehen. Seine Ehrlichkeit im Formalen aber, mag dabei eine Anregung vom Früheren auch mitspielen, wäre zweifel los nicht, wenn nicht zugleich auch die „Welt" der Früheren dem Meister verwandt wäre, die fromme Zeit des Mittelalters, die klare, objek tive Welt der Liturgie. Moderne Meisfergläser im Hochschnitf Friedrich Knaipp (Gmunden) Dazu die Abb. 17, 18 Das Glas als Werkstoff zur Herstellung sa kraler Gefäße genoß offensichtlich in der Frühzeit höhere Gunst, als später. Dafür zeugen schon u. a. die häufig in den Katakomben auf gefundenen sogenannten altchristlichen Gold gläser: Gefäße, die zwischen zwei Glasschichten aus Blattgold (nach Art der Hinterglasra dierungen) radierte religiöse Darstellungen (der Gute Hirt) und Symbole (Fisch, Monogramm Christi usw.) trugen. Der Grundsatz: „. . . Keiner aber wage es, in einem . . , gläsernen Kelche die Messe zu feiern" (Dist. L, cak. 45, de consecrat.), dürfte nicht immer gegolten haben, wie die Auffin dung dreier Kelche aus Glas in der Krypta der Kapelle Mariä-Läng in Regensburg zu bewel-

sen scheint. Ob der um 230 n. Chr. entstandene, 1102 von Genueser Kreuzfahrern in der Moschee zu Caesarea autgefundene gläserne Gralsbecher (von dem man bis 1806 glaubte, er sei aus Smaragd) ursprünglich als Kelch gedient hat, wissen wir nicht. Der Volksglaube und die mit telalterliche Sagendichtung hielten ihn immer hin für würdig, daß der Herr daraus beim Letz ten Abendmahl gegessen, oder daß Josef von Arimathäa darin das Blut des Gekreuzigten aufgefangen habe. Er wurde auch mitunter mit dem Abendmahlskelch verwechselt. Jedenfalls aber dienten vielfach Glasgefäße als Wein- und Wasserkännchen bei der Messe. Zu den vornehmsten Veredelungsar Len der Oberfläche von Hohlgläsern zählt von altersher der Hoch- und der Tiefschnitt sowie die Gravur, die bei figuraler Auszier bis zur Reliefplastik gesteigert werden können. Schliff und Schnitt des meist farblosen Glases, der schon in der Antike gepflegte „Krystallstil", wichen im Mit telalter dem an der Pfeife geformten Glas, später „venetianischer Glasstü" genannt. Am 10. März 1609 erhielt zu Prag der aus Ülzen im Lüneburgischen stammende kaiserliche „Hoffdyner und Kammerstaynssneyder" Kas par Lehmann ein Priviligium für die von ihm wiederentdeckte Kunst des Glasschnittes, der dem Glasgewerbe Böhmens hinfort die Über legenheit über Venedigs Glaswerkstätten si cherte und dem Krystallstil bis zur Pariser Weltausstellung von 1867 die absolute Vorherr schaft brachte. Dort trat ein italienischer In dustrieller, der Dr. Antonio Salviati aus Vene dig, so erfolgreich für den venetianischen Glas stil ein, daß der Krystallstil vielleicht (infolge Absterbens der Fachkräfte) für immer ver loren gegangen wäre, hätte nicht der Wiener Ludwig Lobmeyr das ganze Gewicht seines großen Namens für den Krystallstil in die Bresche geworfen. Gustav E. Pazaurek berich tet darüber im Jahre 1901: „Es hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man Lobmeyrs Ruhm ausführlich begründen. Die ungemeinen Verdienste, die sich Ludwig Lobmeyr um die Glasdekoration der Gegen wart (1901! Anm. d. Verf.) seit der alleinigen Übernahme der väterlichen Firma im Jahre 1864, und namentlich seit der Wiener Weltaursstellung des Jahres 1873 erworben, sind allbe kannt, und unsere Museen beherbergen manch vornehmes Lobmeyr-Glas. Die Firma J. & L. Lobmeyr gehört in der Glasdekoration dem äußersten rechten Flügel an: sie ist streng konservativ, aber auch äußerst vornehm in allen ihren Schöpfungen, von denen gar viele im , 19. Jahrhundert ihresgleichen nicht ha ben . . . Wenn das Venetianertum in der Glas industrie in den siebziger Jahren in der nörd lichen Hälfte Europas nicht zur Vorherrschaft gelangte, so ist das in erster Linie das Ver dienst Lobmeyrs . . . Seither hat die Graveur technik nichts auch nur annähernd so Vollen detes hervorgebracht, und man muß bis in die Zeiten Kaiser Rudolfs II. zurückgehen, ehe man ebenbürtig geschnittene Krystallarbeiten wiederfindet. Selbstverständlich erhielt Lob meyr auf der Pariser Ausstellung die höchste Auszeichnung, was umso bemerkenswerter ist, als er nach dem Gesagten keineswegs „modern" ist und der Laune des Tages nicht die gering sten Konzessionen macht. Es war seit jeher ein Vorrecht abge klärter, großer Unternehmungen, in den Zeiten künstlerischen Sturmes und Drange seine zuwartende, über dem Parteigetriebe befindliche Stellung zu beobachten, dafür aber mit umso größerer Sorgfalt die besten Traditionen alter Technik künftigen Geschlechtern zu er halten. Übrigens verhält sich der große Pfad finder des Jahres 1873, Ludwig Lobmeyr, der in seinem Neffen Stephan Rath einen tem peramentvollen, jugendlichen Mitarbeiter ge wonnen, keineswegs völlig ablehnend gegen über den Bestrebungen unserer Tage." (19011, Anm. d. Verf.) Diese souveräne Stellung hält der nunmehr über 80 Jahre alte Stephan Rath als Erbe sei nes Oheims und Seniorchefs des Hauses J. & L. Lobmeyr auch heute, nach der Austreibung seiner besten Arbeitskräfte aus seinen Stein schönauer Betrieben und Abwanderung vieler in fremde Länder, wo sie als willkommene Konkurrenten des Stammhauses aufgenommen wurden, allen Widrigkeiten der Zeit zum Trotz. Stephan Rath, der 1914, in der Nacht vor Franz Ferdinands Abreise nach Bosnien, noch von dem Thronfolger zur Audienz befohlen war, um die Weisung entgegenzunehmen, das Wappen Kaiser Josef I. auf das für Schloß Konopischt bestimmte Krystall-Service gra vieren zu lassen, hat fast ein halbes Jahrhun dert später noch Entwurf und Anfertigung des Krystall-Services für den neuen Palast Kaiser Haile-Selassies in Addis Abeba übernommen. Er hat aber auch erkannt, daß die Herstellung ganzer Service in Hochschnitt in unseren Tagen schon wegen der hohen Kosten eine solche Sel tenheit geworden ist, daß die Kunst des Glas schnitts nur bewahrt werden kann, wenn sie den Zwecken und Anforderungen sowie der finanziellen Leistungsfähigkeit des Käufers oder Bestellers von heute angepaßt werden kann.

Stephan Rath wurde daher zum Anreger eines neuen Gedankens: Den Hochschnitt an Meistergläsern im religiösen und familiären Brauchtum unserer Zeit zu verankern. An die Stelle des aus der Mode gekommenen silbernen Taufbechers stellt Stephan Rath schlichte Krystallbecher, die in edelstem Hochschnitt mit christlichen Taufsymbolen geziert sind und die Namen und Geburtsdaten des Täuflings, mitunter eine Widmung des Taufpaten in künstlerischer Schrift tragen. (Abb. 18.) In Einzelanfertigung auf Bestellung zum be sonderen Anlaß schuf Stephan Rath den J ubiläumsbecher. Er spendete schon einen solchen im Jahre 1929 den Damen des Stiftes Nonnberg in Salzburg zum Gedenken an des sen Gründerin St. Ehrentrudis. Zum BetriebsJubiläum eines westdeutschen Bergwerksindu striellen schuf er einen Becher mit einem Relief der hl. Barbara, der Patronin der Bergleute und Artilleristen. Als Erinnerungsgabe ge staltete der nimmermüde Pionier der österrei chischen Glaskunst einen St. Wolfgangsbecher und machte ihn dem Herzog von Windsor zum Geschenk (Abb. 17), der einst ein guter Freund des Wolfgangsees war, und für den Erzbischof von New York, Kardinal Spellman, widmete er einen herrlichen Becher mit dem Bildnis des hl. Patrick, des Patrones der Diözese New York, als Dank für die von dem Kardinal geleiteten Hilfsaktionen für Österreichs Kinder nach dem Kriege. Einem Originaleinfall Stephan Raths ist auch die Sitte der Anfertigung von Glück wunschbechern, wie des wundervollen St. Leopoldsbechers, der als Namenstagsgabe zum 15. November 1954 geschaffen wurde, zu verdanken. Diese Anregungen Stephan Raths verdienen in der Tat auf fruchtbaren Boden zu fallen. Wäre ein schön geschnittener Becher mit dem Bildnis des beireffenden Kirchenpatrons odexmit dem Wappensiegel der Pfarre nicht eine würdige Gabe der Pfarrgemeinde an einen scheidenden Pfarrherrn oder anläßlich, eines Priesterjubiläums? Können Taufbecher, Hoch zeitsbecher, Becher zur silbernen oder goldenen Hochzeit, zur Firmung, zur Primiz oder zu ähn lichen Anlässen nicht mehr bleibende Freude schaffen, als so manche der meist unkünstleri schen und nur zu oft geschmacklosen Verlegen heitsgeschenke aus der Produktion der soge nannten „Geschmacksindustrie"? Gleichviel, welches Ereignis im Leben des einzelnen oder der Gemeinschaft audi der An laß sein mag, gleichviel auch, ob der Beschenkte den Becher als Zierstück in den Glasschrank stellen, als festliches Geschirr zum Trinken be nutzen oder als edles Gefäß mit Blumen füllen mag: Edleres Material und zeitlosere Kunst mag sich kaum finden lassen, wenn es gilt, eine Gabe zu suchen, die wohl dem Spender wie dem Beschenkten Ehre machen soll, ohne die hohen Kosten eines Stückes aus Edelmetall zu verur sachen. Die uralte Kunst des Glasschnittes erweist sich hier ebenso jung, wie die schöpferische Kraft dieses Mannes Stephan Rath, der nun mehr als ein halbes Jahrhundert unsere Glas kunst zu den Spitzenleistungen der Welt ge führt hat und dessen Ausstellung im vergan genen Jahre gezeigt hat, daß wir hoffen dür fen, daß uns diese Schöpferkraft noch recht lang erhalten bleibt. DDr. Herbert Paulus (Erlangen) Zu m Problem der Nischenbildungen in Langschiffkirchen Dazu die Abb. 10, 11, 12 Durch die Identifizierung der Martinskirche zu Linz/Donau mit einer Nischenkirche aus karolingischer Zeit ist vor allem die Frage nach der Herkunft und Bedeutung der Nischen in einem Langschiffbau aktuell geworden. (Vgl. Franz Juraschek, Der Chorraum der karolingischen Martinskirche in Linz, „Christliche Kunst blätter", 1947, Heft 2, S. 3 ff., ferner JuraschekJenny, Die Martinskirche in Linz, ein vorkarolingischer Bau in seiner Umgestaltung zur Ni schenkirche, Linz 1949 passim.) Es sei daher er laubt, im folgenden auf einige Nischenkirchen hinzuweisen, die offenbar bezüglich der Her kunft und Bedeutung der Nischenbildung zu einer Deutung beitragen dürften. Anschließend versuchen wir eine liturgiegeschichtUche Wür digung des Typus der Nischenkirche zu geben. An der Spitze der bekannten Nischenkirchen dürfte heute noch die angeblich älteste Kirche der Armenier, die sogenannte Felsenkirche bei

Dibeny, nordwestlich von Diyarbakr, stehen. Auf sie hat erstmals J. G. T a y 1 o r im 35. Bd. von „The Journal of the royal Geographical Society", London 1865, S. 38, unter gleichzeiti ger Publizierung ihres Grundrisses hingewie sen. Taylor's Aufnahme haben dann Berliner und Bever im Herbste 1913 nochmals durch wei tere Vermessungen verbessert (vgl. Petermanns „Geographische Mitteilungen" 1922, Taf. 18, und „Kunstchronik und Kunstmarkt", Leipzig, Nr. 20 vom 16. Februar 1923, S. 390) beziehungsweise ergänzt. Darnach handelt es sich um eine in den ge wachsenen Felsen gehauene mehrstöckige An lage, deren Kern einen Kirchenraum bildet, der nach außen durch drei Öffnungen, ursprünglich einer Türe und zwei Fenstern, zugänglich ist. Das oratoriumartige Schiff (Breite 6 m, Länge 13.15 m) ist flach gedeckt, die Apsis gewölbt. Die linker Hand der Apsis anstoßende Sakristei weist ein vierseitiges Zeltdach auf. Vor allem charakteristisch für den Innenraum sind die Wandnischen, eine große Nische an der Längs wand und 29 kleinere, auf drei Wände verteilt. Die Maße sind folgende (vgl. S. 390 oben): „Breite rund 60, Höhe an der Vorderseite rund 80, größte Tiefe rund 45, volle Höhe rund 100 (die Vorderwand blieb rund 20 cm hoch brett artig stehen)." Im übrigen vergleiche man den Plan (unsere Abbildung 11). Was die Zweckbedeutung der Kirchenanlage anlangt, so schien sie schon Taylor für einen Grabbau, also ein Martyrien, zu halten. Später hat dann auch Berliner (Kunstchrbnik, a. a. O., S. 391 ff) auf die offensichtlichen Zusammen hänge mit den von Sarre und Herzfeld aufge deckten Martyrionbauten hingewiesen. (Vgl. Sarre-Herzfeld, Archäologische Reise im Euphrat- und Tigrisgebiet, B. II, Berlin 1920, S. 331 ff.) Herzfeld hat (vgl. a. a. O., S. 335 f.) den Ty pus dieser Bauten folgendermaßen umrissen: „Das Primäre an ihm ist das einzelne Grab. Ich habe wiederholt erwähnt, daß Reliquien in die Mauern eingemauert werden. Ebenso liegen die Gräber in der Mauer. Mag man sie nun Nischengrab. Pultgrab oder Altargrab nennen, es liegt auf der Hand, daß diese Form, die stets in der Wand bei einem Beispiel, nämlich in Rabban Hormuzd, wie ein Altar aus der Wand hervortretend angebracht ist, eine Ableitung aus dem westlichen Arcosolien-Grab ist. Die Sohlbank des Arcosolium ist stets schräg, pult artig; das schönste Beispiel ist das Grab des Mir Behnäm. Arcosoliengräber in Grüften ver einigt finden sich bei Urfa und in Qal'at Sim'an, als Mönchsgrüfte; sie sind in Syrien ganz ver breitet und im Tur 'Abdin gibt es viele, noch ünaufgenommene Beispiele. Als sekundär und beliebig ergibt sich die Anordnung der Gräber in tief rechteckigen oder quadratischen oder achteckigen Räumen. Die letzteren lehnen sich ■unmittelbar an westliche Typen an, die ersteren kommen da vor, wo die Zahl von vornherein acht Gräber übersteigt, besonders bei den häu figen ,40 Märtyrern'." Nun scheint es, daß die Nischenbildungen nicht nur bei den syrisch-mesopotamischen Mar tyrienbauten üblich waren, sondern auch in die im Zusammenhang mit dem Kaiserkult stehen den östlichen und westlichen Mausoleen, also in die Zentralbauten der ersten christlichen Kaiser, Eingang gefunden haben. Ich denke z. B. an Sa. Costanza, das Grabmal der Constantina oder an das der Kaiserin Helena in Rom (vgl. Grundrisse Plan 4 und 2 bei Fr. W. Deich mann, Frühchristliche Kirchen in Rom, Basel 1948). Wie steht es aber nun mit solchen Langhausklrchen, die keinen Mausoleumscharak ter hatten? Hier scheint sich die Nischenbildung über einen Umweg durchgesetzt zu haben, ent weder im architektonischen Zusammenhang mit einem Zentralbau oder in Verbindung mit den Pastophorienanlagen. Die Pastophorien waren in jener Epoche der Eucharistiefeier „überflüssig" geworden, da un ter dem Einfluß der Märtyrerverehrung der Opfer- und Prozessionsgedanke in den Vorder grund, der Gedanke der Agapenfeier dagegen in den Hintergrund getreten war. Zu dieser Zeit erfuhren Prothesis und Diakonikon eine Umdeutung und wurden so zu liturgischen Vor läufern unserer abendländischen Krypten; denn man verlegte in sie vielfach den Tauf- und Exorzismusraum beziehungsweise das Grab eines Heiligen oder Märtyrers. Schon Guyer hatte sich mir gegenüber dazu bekannt, daß zwischen den abendländischen Krypten und den im Sinne des Tauf- und Grabritus umgewan delten Pastophorienanlagen Syriens Zusammen hänge bestünden. (So Guyer in einem Brief vom 12. Mai 1946 an mich.) Jedenfalls gibt es Pasto phorienanlagen im Osten, die Wandgräber und somit Nischenbildungen enthalten haben. (Vgl. auch V ö 1 k 1, Die Grundrißtypen im Karolin gischen Kirchenbau, S. 174, im Münster, Heft 5/6, 1954.) Diese Räume konnten also be züglich ihres liturgischen Zweckes sowohl an antike Heroen wie an mittelalterliche Krypten erinnern. Es scheint auch, daß von diesen spä ter als Grabkapellen empfundenen Anbauten Einflüsse auf dieGesamtkirchenanlage ausgingen, so daß bald die Seitenschiffe zur Aufnahme von Heiligen-(u. U. auch Stifter-)Gräbern und spä ter dann zur Aufstellung von Altären gedient haben. Jedenfalls spricht nichts dagegen, daß

auf diese Weise die Nischenbildungen auch innerhalb der Gemeindekirchen zur Ausführung kamen. Ich erinnere in diesem Zu sammenhang an eine Predigt des Gregor von Nyssa, die ich schon in meiner früheren Arbeit (Der Gesinnungscharakter des merowingischwestfränkischen Basilikenbaues, Würzburg 1944, S. 101, Anm. 72) zitiert habe. In dieser Predigt erwähnt nämlich der Heilige, daß er seine Eltern neben einer Heiligenpartikel in der Kirche beerdigt habe. Dieser Vorgang kann nur nach Kenntnis der ganzen Sachlage entweder in einer Pastophorienanlage oder in einem der Seitenschiffe stattgefunden haben. Man könnte aber auch auf Guyer verweisen, der bei SarreHerzfeld (a. a. O., Bd. II, S. 8) bezüglich der Entwicklung der Seitenaltäre zu folgendem Schluß gekommen ist; „Wir können nur soviel sagen, daß es erst seit dem 5. Jahrhundert üb lich wurde, mehr als einen Altar aufzustellen, und zwar scheinen anfangs diese Seitenaltäre in cubiculis längs der Schiffe errichtet worden zu sein, erst später am Ende der Seitenschiffe." So scheinen also Heiligen- oder Reliquiengrab (Stiftergrab), Nischenbildung und Altar errichtung in einem Zusammenhang zu stehen. Jedenfalls wird man auch die Nischenbildung im Altarraum nicht ohne die Entwicklung des Reliquienkultes erklären können. Man muß sich nämlich vor Augen halten, daß der christliche Kultus zunächst seinen Ausgang von der Eucharistie (also dem Abendmahlskult) genommen hat, daß er aber dann mehr und mehr unter dem Einfluß der Märtyrer- und Heiligenverehrung weiterentwickeJt wurde. Be rücksichtigen wir diese Tatsache, ist es ganz logisch, daß wir auch die Entwicklung des Chorraumes, also des Raumes, in dem der Al tar steht, engstens mit der Entwicklung des Abendmahlskultes und der Heiligenverehrung in einem Zusammenhang bringen dürfen. Sei nerzeit (vgl. meinen Beitrag in der Festschrift Römstedt, Zur Liturgie und Anlage des Drei apsidenchores im vorkarolingischen Frankreich, Münster, Heft 9/10, 1952, S. 237 ff.) hatte ich schon ausgeführt, daß die Pastophorien und ihre Verwendung nur im Rahmen der Abend mahlsliturgie „verständlich" seien. Wenn diese Pastophorien, wie sich das im Osten beobach ten läßt (vgl. Guyer bei Sarre-Herzfeld, a. a. O., II., S. 8 ff.), mit dem 6. Jahrhundert ver kümmerten und von Apsidiolen oder Apsiden abgelöst wurden, so ist das noch kein Beweis gegen meine These, vielmehr wird daraus nur deutlich, daß zu dieser Zeit nicht mehr der frühchristliche Abendmahlsritus und die sich daraus entwickelnden sogenannten eucharistischen Prozessionen (nämlich der kleine und der große Aufzug), sondern die Heiligenverehrung im Vordergrund stand. Jedenfalls ist im Reli quienkult die eigentliche Ursache für die Ver wandlung der Pastophorien in eine Drei apsidenanlage zu erblicken. Diese Erkenntnis, die ich schon am angegebenen Ort (Festschrift Römstedt) zum Ausdruck gebracht habe, läßt sich nun im Blick auf die einschiffige Kirche St. Benedikt zu Mals/Schweiz bestätigen. Mit Recht hat Susanne Steinmann-Brodtbeck (Herkunft und Verbreitung des Dreiapsiden chores, in: ZFSAK, Bd. L, 1939, 2, S. 65 ff.) u. a. auch diese kleine Kirche mit den Ora torien (= Saalkirchen) des Ostens in einen Zu sammenhang gebracht. Diese erinnert nämlich grundrißmäßig und autoptisch infolge ihrer drei östlichen Nischen stärkstens an die von Sarre-Herzfeld geschilderten Grab- und Martyrerkirchen, während dies bei dem ausgespro chenen Typus der Dreiapsidenkirchen Grau bündens schon nicht mehr der Fall ist. Gerade in Mals und in Dibeny — und man könnte noch andere Beispiele wie auf Rusäfah und Alahan Monastir verweisen — wird ja deutlich, daß für die Nischenbildung nicht der Altar (= also der Abendmahlsritus), sondern das Wandgrab (= also der Reliquienkult) den Ausschlag ge geben hat. (Vgl. die schon oben angeführten Ausführungen von Herzfeld.) Die Nische hat also ursprünglich nichts mit der Apsis ge mein, sie ist nicht der ursprüngliche Raum für den Altar gewesen. Demnach sind auch die dies bezüglichen Ausführungen von SteinmannBrodtbeck (a. a. O., S. 86), wonach die St. Be nediktskapelle zu Mals zeige, „daß die Apsiden übrigens von jeher für die Aufstellung von Al tären verwendet wurden", weil die dortigen Altarstöcke „noch die ursprünglichen sind: sie füllen den ganzen unteren Teil der seltsamen Nischen aus, so daß diese eigentlich überhaupt erst über ihnen anheben", nicht nur autoptisch falsch, sondern beruhen auch offensichtlich auf einer architekturikonographischen Verwechs lung (Nischenbildungen sind keine Apsiden!). Akzeptieren wir den Gedanken, daß die Ni schenbildung keine Apsidenbildung ist, dann ergibt sich für die Drei-Nischenanlage der Ka pelle zu Mals der Schluß, daß sie gegenüber den Schweizer Dreiapsidenanlagen einen Sonder typus darstellt. Damit stehen wir aber vor einem Kirchentypus, den man u. E. nicht mehr als „eine eigenartige Reduktion des Dreiapsiden motivs" (vgl. Steinmann-Brodtbeck, a. a. O., S. 82) bezeichnen kann. Das ist nun eine wichtige Erkenntnis, auch im Blick auf die Linzer Nischenkirche, die man flicht etwa nur als Reduktion eines Zentral bauschemas, sondern ganz im Sinne der ur-

sprünglichen Bedeutung der Nische als einen im Zusammenhang mit der Heiligenverehrung stehenden Sonderkirchentypus zu verstehen hat. Daß übrigens die Nischenbildung auf keine Reduktion, sondern zu allen Zeiten auf den Heiligen- und Reliquienkult zurückgeht, be weist u. E. ihr Vorhandensein in einigen spä teren, nachkarolingischen Kirchenanlagen, auf die ich hier verweisen möchte. So erinnere ich zuerst an die wohl der salischen Bauepoche angehörenden Nischenanlagen im Westbau der karolingischen Remigiuskirche zu Büdingen-Grossendorf (vgl. Walbe, Die Re migiuskirche in Büdingen-Grossendorf [Ober hessen], S. 174 ff., Deutsche Kunst- und Denk malpflege, 1940/41). Auch hier unterstreichen die Nischenbildungen den Kryptencharakter des Westbau-Untergeschosses, umsomehr ja die dort deponierten Reliquien den Schutz gegen alle vom Westen hereinbrechenden dunklen Mächte zu übernehmen hatten. (Westwerkgedanke.) Man kann diese Nischen nicht deuten als Reduktio nen eines Westdreiapsidenchores, da sich der Westbau hier kaum mit einer Westchoranlage, eher mit einem Westwerktypus identifizieren läßt. Die JJischenbildung hängt hier also sicher lich mit dem Reliquienkult zusammen. (Es gibt übrigens eine große Reihe von Kirchen, die im Westen [gegenüber dem Ostchor also] Nischenbildüngen aufweisen, so z. B. ehemalige Prämonstratenserklosterkirche zu Ilbenstadt [He.ssen-Nassau]. Wir können darauf nur kurz ver weisen.) Eine viel später anzusetzende Friedhofs kirche war die 1945 zerstörte evangelische St. Johanniskirche zu Gelbingen bei Schwäbisch-Hall, mit einem stehenden romanischen Ostchorturm. Da ihr Langhaus 1948 vollstän dig abgerissen werden mußte, war es mir mög lich, die Mauern schichtweise abtragen zu las sen, wobei sich der nördliche Mauerzug als teil weise dem 11. Jahrhundert, der südliche, also gegen Hall zu gerichtete Mauerzug, als aus schließlich dem 14. und 15. Jahrhundert zuge hörig erwies, Beide Mauerzüge enthielten Ni schen, die in der Reformationszeit vermauert worden waren. Die ältere Nordseite barg in der an das Nordportal anschließenden Nische die zerbrochene spätgotische Sandsteinplastik des Evangelisten Johannes, also die Statue des Kirchenpatrons. Beim Abheben der Nischen sohlen stießen wir auf Reste von Reliquien (hier beschriftetes Papier [unleserlich] und Knochenmehl), die in einer Rille aufbewahrt waren. Auch beim Abheben der Nischensohlen der jüngeren Südseite kam in einer Längsrille ein doppeltes Blechröhrlein zum Vorschein, das noch einen erhaltengebliebenen kleinen Arm oder Beinknochen enthielt. (Hierzu meine Einträge im Kirchenbuch von Gelbingen und mein Bericht an den Kunstsachverständigen des Oberkirchenrates der württembergischen Landeskirche, Herrn OKR. Kopp-Stuttgart.) Dieses Gelbinger Beispiel ist nicht nur des halb von großer Bedeutung, als hier eindeutig die Nischenbildung im Zusammenhang mit dem Reliquienkult erwiesen ist, sondern noch viel mehr dadurch, daß wir hier vor Nischen stan den, die nachweisbar in der Reformations epoche vermauert worden waren. Nach dem Tode des letzten katholischen Geistlichen, der sich unmittelbar vor dem Altar (also im Chor) bestatten ließ, war die Kirche (Mitte des 16. Jahrhunderts) der evangelischen Landes kirche übergeben vmrden. Da mit dem evange lischen Kultus in Württemberg eine deutliche Absage an den Heiligenkult verbunden war, verloren auch die Nischen ihren liturgischen Zweck und wurden vermauert. Hätte man diese Nischen nicht im Sinne des Heiligenkuites verstanden, hätte man sie sicherlich unan getastet erhalten, so wie das mit so vielen an deren Einrichtungen geschehen ist. Damit dürfte die Herkunft und Bedeutung der Nischenbildung soweit beleuchtet worden sein, daß wir den Typus der Nischenkirche, wie er in Linz (vgl. Abbildung 10) augenschein lich vorhanden ist, liturgisch zu deuten vermö gen. Dabei gehört nun an die Spitze unserer Ausführungen die Feststellung, daß Nischen anlagen sowohl an Langschiff- wie an Zentral baukirchen vorkommen und daß bezüglich ihrer Entstehung stets ein- und dieselben Gründe vorhanden gewesen sein dürften. Bleibt man in konsequenter Verfechtung die ses letzten Gedankens, so wird der primäre Anlaß der Nischenbildung als ein ursprünglich von der jeweiligen Kultbauanlage unabhängi ger oder zumindesten unbeeinflußter Vorgang motiviert werden müssen. Mit anderen Worten: die Nischenanlagen in der Linzer Kirche haben also ursächlich nichts gemein mit irgend einer spätantiken (oder barocken) Bauidee, die dem Langschiffbau etwa eine Art von Zentralbau charakter zu verleihen gehabt hätte. So gewiß der Reliquienkult auch zentralistische Ideen gefördert hat, hier, in Linz (vgl. Abbildung 12) führte er zur Dezentralisierung des Kul tes, zu einer Vielheit von Stationen, die uns alif das lebhafteste an jene überlieferten Pro zessions- und Wallfahrtskirchen Westfrankens zur merowingischen Zeit erinnern lassen. (Vgl. hierzu und für das Folgende meine Ausführun gen über diese Kirchen in meiner oben er-

wähnten Würzburger Arbeit von 1944.) Diese merowingischen Kirchen sind eindeutig aus dem Heiligen- und Reliquienkult hervorgegan gen, Kirchen, die dann, nach der Zahl ihres Besitzes an Heiligenleibern, 14 und noch mehr Altäre erhielten (vgl. auch Braun, Der Christ liche Altar, I, S. 371 f.), bis sie mit der karolingischen Reform sich eine Reduktion auf drei Altäre, also auf eine Dreiapsidenanlage, gefal len lassen mußten, Zum Schluß sei kurz das Ergebnis unserer Studie zusammengefaßt. Es dürfte gelungen sein, hinsichtlich der Herkunft und Bedeutung der Nischenbildung unter Hinweis auf den Reliquienkult zu einer Deutung beizutragen, die auch im Blick auf die Linzer Nischenkirche als Grundlage für alle weiteren Diskussionen in Betracht gezogen werden muß, solange man an einer liturgischen Gebundenheit der kirch lichen Architektur festhalten will. Caspar Leusering Zum Altarbau des 17. Jahrhunderts im Kamptal und im Horner Becken Dazu die Abb. 7, 8, 9 Gudrun Rotter (Wien) Der neue Aufschwung, den die kirchliche Kunst am Beginn des 17. Jahrhunderts auch in Österreich nach Zurückdrängung des Prote stantismus nahm, begünstigte namentlich im Bereich der großen, alten Stifte die Bildung neuer Künstlerwerkstätten, welche in der Er neuerung der durch jahrzehntelange Vernach lässigung ruinierten und auch „unmodern" ge wordenen Ausstattungen der Stiftskirchen und ihrer Pfarren einen großen Aufgabenkreis vor fanden. In Niederösterreich sind freilich diese Arbei ten bei den nachfolgenden Türkeneinfällen großteils wieder zerstört worden und die um 1690 einsetzende große Kunstblüte des Barocks hat fast überall die strengen, ernsten Werke der vorangegangenen, kampferfüllten Zeit ver drängt. Es gelingt hier — im Gegensatz zu den ande ren Bundesländern — nur in einem Gebiet, der Umgebung Horns, aus den erhaltenen Denk mälern kirchlicher Ausstattung die Tätigkeit einer Bildhauerwerkstätte des 17. Jh.s zusam menhängend aufzuzeigen: sie verbindet sich mit dem Namen des Bildhauers Caspar Leusering (auch Leisering, Loysenring usw.), der hier im Einflußbereich des Stiftes Altenburg im zweiten und dritten Viertel des 17. Jh.s hauptsächlich als Altarbauer tätig war. 1628 wird Caspar Leusering erstmalig urkimdlich erwähnt, er hatte für die Schloßkapelle der Rosenburg einen Tabernakel samt „Bildern" (Statuen) für 110 fl. zu liefern. 1631 wird ihm in Rosenburg ein Sohn gebo ren, Johann Georg, der auch Bildhauer wurde und 1669 daselbst starb'). 1640 schloß Leusering einen Kontrakt mit Graf Verdenberg auf Verfertigung eines Altars nach Schönberg am Kamp, der bereits „angefremt" war, samt aller Zier und den Statuen Agnes, Barbara und Michael, „wie das Modell und die Strasserische Altar"') — d. h., daß er auch zu den 1638 dem Tischler Haindrich Simon in Mödling verdingten drei Altären in Straß bei Hadersdorf/K. Skulpturen und Zieraf lieferte. Keiner dieser Altäre ist erhalten, der Schönbergsche wurde 1733 erneuert, die Arbeiten in Straß 1645 von den Schweden verbrannt. 1641 und 1642 verzeichnen die Kirchenrech nungen von Eggenburg Zahlungen an Leusering in Rosenburg für den neuen Hochaltar, der um 1640 begonnen und im Juli 1642 aufgestellt wurde. 1894 mußte er dem heutigen neugoti schen weichen. Vom 4. Dezember 1644 datiert der „Spanzödl" (Vertrag) bezüglich des Hochaltars in die Stifts kirche von Klosterneuburg, offenbar eines Ta bernakel-Baldachins mit Statuen und bekrönen dem Herzogshut"), der 1728 durch den Steini schen Altarbau ersetzt wurde. Nach 1658 soll er als Altenburgischer Stifts bildhauer einige Altäre in die dortige alte gotische Stiftskirche geliefert haben^). 1661 wird er gelegentlich als Besitzer einer Mühle in Ainfahl genannt. Er starb 78jährig 1673 als Bürger von Horn, sein Grabstein befindet sich an der Außenwand der Horner Pfarrkirche. Leuserings Stil wurde, ausgehend vom Relief des Auferstandenen an seinem Grabstein, nach den Statuen des abgebrochenen Altars der Ro senburg beurteilt. Aber abgesehen von diesen ') österreichische Kunsttopographie (ÖKT.), Bd. V, S. 504. -) ÖKT., Bd. I, S. 609. 3) Wortiaut des Vertrags im Monatsblatt des AltertumsVereins zu Wien, Bd. VIII, 1906/7, S. 65f. "1) Unsere Heimat (Landeskunde für Niederösterreich), N.F.X., 1937, S. 415.

unbelegten und nicht datierten Arbeiten besit zen wir in einer alten, bisher unbeachteten Photographie des früheren Eggenburger Hoch altars (Abb. 7) ein einwandfreies Zeugnis seiner Kunst. Da die Rechnungen den Faßmaier Kaspar Schöihorn und den Maier der Bilder, Georg Bachmann in Wien, nennen, aber keinerlei Zah lungen an den Tischler enthalten, dürfte Leusering auch am architektonischen Aufbau maßgeb lichen Anteil gehabt haben. Der freistehende, chorfüllende Altar baute sich in mehreren Stockwerken auf: der Sockel hinter Mensa und Tabernakel enthielt Seiten türen. Das Altarblatt des Hauptgeschosses flan kierten je eine vorspringende, gedrehte und mit Blattgewinde belegte Säule und eine außen rückversetzte, geschuppte Dreiviertelsäule; über den Seitenteilen auf kartuschgeschmückten Po stamenten die Skulpturen Moses (?) und Johan nes d. T. — Kapitelle und Kämpfer waren mit Engelsköpfchen besetzt. Dazwischen schloß ein Segmentbogen den Hauptteil ab. Über dem Säu lengebälk standen wieder Statuen, innen auf gestelzten Postamenten"') Andreas und Jakob (?), außen Peter und Paul. Dazwischen erhob sich ein Aufsatz mit rechteckigem Bild in mehrfach geknicktem Rahmen, Fruchtbuketts in den Zwickeln und je einer gewundenen Säule mit Astknorren. Auf dem Kämpfergesims folgte zwischen Figuren und winzigen geschweiften Volutengiebeln noch ein Bildaufsatz mit kielbogigem Rahmen zwischen ornamentierten Lisenen, steilen Giebelstücken mit Sitzengeln und über Postament die bekrönende Abschlußfigur. Der Eggenburger Hochaltar enthielt im Archi tektonischen wie im Figürlichen so viele charak teristische Merkmale, daß man unschwer auf Grund dieser Kennzeichen unserem Bildhauer eine Reihe weiterer Arbeiten in der Umgebung Horns zuweisen kann. Die Hochaltäre in der alten Pfarrkirche zu Horn (Abb. 8) und in Strögen sind im Aufbau Varianten des zweiten und dritten Geschosses des Eggenburgers. Der Strögener Altar wurde 1630 durch den Hofmaler des Stiftes Altenburg, Johann Hobel, gefaßt und 1632 aufgestellt. In den folgenden Jahren wird der Horner Altar entstanden sein. Beide gleichen sich nicht nur im Aufbau, sondern haben auch Parallelen im Statuenschmuck und im Ornament. Der schmale Seitenzierat besteht, im Gegensatz zum Renais sance-Kandelaberornament des oberen Pflasters und Frieses, aus geschweiftem, ledrig bandarti gem Knorpelwerk, zum Teil noch mit Anklängen an Pflanzenformen und Maskerons. Wir haben es dabei mit dem frühesten gesicherten Auftre ten des reinen Knorpelwerks (1630!) in Öster reich zu tun. Es hat hier in seinen Anfängen noch nichts von der wuchernden Üppigkeit, die nach der Mitte des 17. Jh.s diese Ornamentform allgemein kennzeichnet (vgl. die entsprechenden Altäre des Innviertels, Traunviertels und Mur tales). Die gleichen knappen und präzisen Züge zei gen auch die Skulpturen, die, in manieristisch erstarrte Formeln gepreßt, nur in den ungemein ausdrucksvollen, nervösen Händen und den dro hend ernsten Gesichtern vom Geist dieser auf gewühlten, wildbewegten Zeit Zeugnis geben. Die den Hauptbau flankierenden Figuren Peter und Paul in Strögen und Horn wie in Eggenburg sind Repliken derselben Modelle, ein für Leusering oft nachweisbarer, handwerk licher Zug, der sich auf alle Teile des Altars, Aufbau, Plastik und Dekoration, erstreckt. So kommen die Aufsatzfiguren in Strögen, die Drachenbesieger Georg und Margarethe, in ganz verwandter Form wieder vor am Wolfgangsaltar im linken Nebenschiff der Pfarrkirche in Stie fern am Kamp (Abb. 9), der laut Predellen inschrift 1641 von der Seelenbruderschaft er richtet wurde. Auch der linke obere Engel in Stiefern hat sein Gegenstück in dem Michael im Langhaus der Kirche von Schönberg/K., der nebst einigen charakteristischen Engelsköpfchen am jetzigen Hochaltar daselbst von dem urkund lich bezeugten Werk Leuserings (1640) noch erhalten ist. Ebenso gibt es für die den Horner Hochaltar bekrönende Kreuzigungsgruppe Parallelen am Altar der Horner Bürgerspitalskapelle von 1636 (jetzt in der Altenburger Krypta) und an jenem der Drosendorfer Schloßkapelle (vor 1637)°), der auch in seiner eigenartigen architektonischen Gestaltung wie in allen Schmuckformen (Wap penschilde, Buketts, Knorpelzierat) eindeutig in unseren Zusammenhang gehört. Alle diese Altarbauten gehen auf ein üniversalschema zurück, das, komplett im ehemaligen Eggenburger Hochaltar vorliegend, je nach Raumverhältnissen und Bestellerwünschen mo duliert werden konnte. Für niedere Kapellenräume etwa, wie bei dem genannten Seitenaltar in Stiefern (Abb. 9) wurde der Hauptteil triumphbogenartig ver breitert, so daß die Seitenstatuen in Wand nischen der Interkolumnien stehen. Dadurch ge winnt die Architektur größeres Gewicht gegen über dem Mittelstück, dessen Dominanz bei den Hochaltären das Architekturgerüst schmal wie ein Rahmen erscheinen läßt. — Damit aber das Gebälk des breiten Hauptgeschosses nicht zu Mit Renovierungsdatum 1834, damals dürfte ein Teil der Dekoration entfernt worden sein. 8) ÖKT-, Bd. V, S. 169 mit Abb.

lastend wirkt, wird der Mittelteil durchstoßen und mit einem ganz unstrengen Aufsatz ver sehen, dessen Balustersäulchen sonst nur an Tabernakeln vorkommen (z. B. in Horn). In den Jahren um 1640 stand Caspar Leusering auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Die bedeutendsten Aufträge gingen ihm damals zu, sogar jener für Klosterneuburg, was ein bezeich nendes Licht auf die künstlerische Situation des 17. Jh.s in Wien wirft. Für die letzten Jahrzehnte unseres Bildhauers fließen die urkundlichen Nachrichten sehr spär lich. Er war unter anderem mit der Ausstattung der Stiftskirche in Altenburg, für deren Pfarren er schon so viel gearbeitet hatte, beschäftigt. Erhalten hat sich davon nur das Chorgestühl, 1660, heute im Kapitelzimmer. Ein ähnliches befindet sich in Frauenhofen. Stilistisch lassen sich an Leusering und seine Werkstätte noch eine Reihe weiterer Altäre zuweisen: einige Seitenaltäre, zum Teil fragmentiert, in Thunau, Strögen und Mödring; besonders hübsch ist der 1652 bezeichnete Altar der Schloßkapelle von Oberstockstall bei Kirchberg am Wagram. Ihm ähnlich dürfte der — heute verschollene — Sei tenaltar um 1660 der Horner Pfarrkirche sein, den die Kunsttopographie nennt'). Auch die drei Epitaphien (1658—1664) im Chor dieser Kirche verraten ganz den Stil Leuserings. Unter seinem Einfluß entstanden die Hochaltäre in Weiten und Schönbach'). In seinem Todesjahr, 1673, wurde der Hoch altar der Pfarrkirche in Thunau bei Gars") be gonnen, der nochmals auf den Riß des Eggenburger Altars zurückgreift und ihn fast unver ändert kopiert. Höchstwahrscheinlich war auch dieser Auftrag an Leusering ergangen, von ihm konzipiert und von seinem Werkstattnachfolger (Matthias Sturmberger?) ausgeführt worden. Die Anlehnung an das 30 Jahre früher entstan dene Werk zeigt sich über das Architektonische hinaus auch in der Gestaltung der Statuen, die ') Okt., Bd. V, S. 368. 8) OKT., Bd. IV, S. 2311. und S. 215. ») Okt., Bd. V, S. 536. noch immer spindelförmig überlängt mit abge spreizten Armen den Charakter des frühen 17. Jh.s bewahren. Das Knorpelwerk ist nun zerfasert und schlaff. Noch in einem anderen Werk des gleichen Jahres hat Leusering den Aufriß eines viel frü heren Altars wiederholt. Der Katharinenaltar in Mödring 1673"') folgt im großen und ganzen dem Stieferner Seitenaltar. Zwar wurden die Nischenfiguren durch Bilder ersetzt, doch die Aufsatzstatuen sind nach alten Modellen ge macht. So lernen wir in Caspar Leusering einen Bild hauer kennen, der ein eigenwilliges, anfangs vielversprechendes Talent ein Leben lang in Wiederholungen und Variationen seines nicht sehr großen Formenschatzes ausmünzt. Es darf aber die Eeststellung, daß der Künstler seine eigenen Werke mehrmals kopierte, an sich nicht als Wertminderung angesehen werden, diese Praktik wurde in jeder Werkstatt des 17. Jh.s geübt und oft auch von den Auftraggebern kon traktlich gefordert (vgl. z. B. Schönberg-Straß). Über seine Herkunft und Lehrzeit wissen wir nichts. Die Pathetik der ernst und groß wirken den Statuen, die aber bei Figuren in heftiger Aktion, wie den Drachentötern und Pestheiligen, zu gewaltsamen Drehungen führt, die harte Brüchigkeit der Falten mit engen, langen Dellen — Versuch einer Übertragung des Bronzestils in Holz — weisen auf süddeutsche Bildhauer des ersten Viertels des 17. Jh.s (etwa Hans Deg1er, Bartlmä Steinle u. a.). Seinen Ornamentstil konnte Leusering jedoch zu dieser Zeit nur in Norddeutschland gelernt haben. In seinen Arbeiten zeigt er zahlreiche Ansätze zu einem monumentalen, barocken Stil, die aber dann nicht er, sondern andere zur Entfaltung gebracht haben. Ob und welcher Einfluß von seiner Kunst über den Bereich seines Wirkungs kreises hinaus auf die österreichischen Bild hauer der Mitte des 17. Jh.s wirkte, wäre eine noch zu lösende, nicht uninteressante Frage. >») ÖKT., Bd. V, S. 421. Dazu die Abb. 14 Ein Schmerzensmann aus dem Kreise Guggenbichlers e. Neumann (Wian) Im Jahre 1703 erhielt „Meinrad Guggenbichl, Bildhauer in Salzburg, 2 fl. 30 kr." für eine nicht näher bezeichnete Arbeit, die er für die Wallfahrtskirche Maria Kirchental (Bezirks hauptmannschaft Zell am See, Salzburg) gelei stet hat oder erst leisten sollte^). Decker über nimmt dieses Regest in folgender Weise: „1703. ) Franz Martin: Die Denkmale des politischen Be zirkes Zell am See. Baden bei Wien, 1934, S 130 (öster reichische Kunsttopographie, Bd. XXV). 10

E. Matare, Kruzifixus in Wittlaer E. Motore, Schmerzensmann, Köln-Hohenlind, 1940

Photo: Peter Adendorf, Düsseldorf-Stockum E. Matare, Hl. Petrus Canisius Relief, Kardinalstüre am Kölner Dom

Phofos: Dr. Erich Widder 1 k l Abb. 6 NEUE KUNST IN OBER "OSTERREICH Abb. 4: Josef Fischnaller/ Kreuz mit Nebengestalten Maria und Thomas von Aquin. Größe der Figuren: 93 und 65 cm (Privatbesitz) Abb. 5: Fritz Goffitzer, Monstranze in Stahl und Bieikristall, Linz, Don Bosco Abb. 6: Hans Plank, Barbarafresko, Bergarbeilerkirche, Riedersbach bei Trimmelkam Abb. 5

I l l I1 • ,^9 Hochaltar der Pfarrkirche in Horn, NO. 3 * L Abb. 7 rhofo: WH 385 (Del. vergr.) aus dem Bilderarchiv der 'Dsf. Naiionalbiblioihek Ehemaliger Hochaltar in Eggenburg, Nö. (1640-42) ALTÄRE VON CASPAR LEUSERING Ä,.!»! - Im I Wolfgangsaltar der Pfarrkirche Stlefern, Nö., 1641

Maria Kirchental (Bezirkshauptmannschaft Zell am See), Wallfahrtskirche. Geringfügige unbe stimmte Arbeiten; ein dort befindlicher Aufer standener Heiland nicht von Guggenbichler-)." Ähnlich wiederholt auch Strohmer die Nachricht in seinem Katalog-^). Zwei Gulden und dreißig Kreuzer, das ist freilich ein lächerlicher Betrag, für den nicht viel geleistet worden sein kann. Ist es aber wahrscheinlich, daß man den vierundfünfzigj ährigen und auf der Höhe seines Ruhmes ste henden Meister wegen einer in die Loferer Steinberge zu liefernden Bagatelle bemüht hätte? Muß aus der Existenz dieser kleinen Rechnung geschlossen werden, daß sie eine ge samte ist? Kann es sich nicht um eine Teilzah lung gehandelt haben, etwa um ein Zehrgeld, einen Fuhrlohn oder eine andersartige Ab schlagzahlung für den Meister, für einen seiner Gesellen oder für einen gedungenen Fuhr mann? Die Zahlung besagt doch zunächst nicht mehr, als daß zwischen Meinrad Guggenbichler und Maria Kirchental eine geschäftliche Ver bindung bestanden hat; welcher Art und wel chen Umfanges Guggenbichlers Leistung war, das müßte erst noch sorgfältig geprüft werden. Der Auferstandene Heiland, den Decker an führt, mag nichts mit Guggenbichler zu tun ha ben''). Es befindet sich aber in einer Nische hinter dem Kirchentaler Hochaltar ein überlebens großer gefaßter Schmerzensmann, der seiner Qualität und stilistischen Haltung nach sehr -) Heinrich Decker: Meinrad Guggenbichler. Wien, Schroll, 1949, S. 85, Nr. 57. •^) Erich V. Strohmer: Verzeichnis der urkundlich ge sicherten Werke Johann Meinrad Guggenbiciilers. In: Bei träge zur Kunstgeschichte Tirols. Festschrift zum 70. Ge burtstag Josef Weingartners. Innsbruck, Wagner, 1955, S. 161 (Schlern-Schriften139). Martin a. a. O., S. 138, Skulpturen, Nr. 5. wohl in das Werk Guggenbichlers paßt"). Er stimmt im Typus überein mit den Schmerzens männern von St. Wolfgang und Valentinshaft, ist aber bewegter und raumgreifender als diese. Physiognomie, Körperbau und Faltenbildung entsprechen ganz dem Stil Guggenbichlers, vor allem aber die durch Unterschneidungen her vorgerufene tiefe Räumlichkeit der Figur und das charakteristische Motiv der übergreifenden Arme und Hände. Die Fragen nach Eigenhän digkeit und Werkstattanteil seien hier nicht ge stellt; es soll lediglich auf die aus der vorhan denen Nachricht und aus stilistischen Gründen sich ergebende Möglichkeit hingewiesen wer den, den Kirchentaler Schmerzensmann in den Umkreis Guggenbichlers einzuordnen. Eine kri tische Bearbeitung seines Werkes wird jeden falls auch diese Plastik in Betracht ziehen müssen. Zur Genealogie der Schweizer „Guggenbüel'"') sei bei dieser Gelegenheit angemerkt, daß ein „Hans Guggenbüll" 1691 „unterer Müller" und Geschworener in Küßnacht war. Eine Kabinett scheibe mit seinem und dem Namen seiner Ehe wirtin „Elsbetha Bodmer" befindet sich im Hi storischen Museum der Stadt Wien"). Nachtrag. Wie ich nachträglich sehe, hat auch Annelene Mann den Kirchentaler Schmer zensmann hypothetisch mit Guggenbichler in Zusammenhang gebracht (Annelene Mann: Jo hann Meinrad Guggenbichler. Münchener Dis sertation 1932, gedruckt in Berlin, S. 24 und 49). 5) Martin a. a. O., S. 138, Skulpturen, Nr. 2: „Ecce homo, sehr gut, um 1710". Die versteckte Stellung der Figur ist wohl schuld daran, daß sie bisher nur wenig beachtet wurde. Decker a. a. O., S. 8. ') Die Scheibe ist beschrieben von Paul Boesch: Schwei zerische Glasgemälde im Ausland. Die Sammlung in der Hermesvilla bei Wien. In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Bd. 3, 1941, S. 184. Von Kunstwerken und ihrem Wert Kunstwerke stellen Werte dar. Dieser Satz ist hier nicht in einem oberflächlichen Sinn ge meint, sondern im Sinn eines echten Sichtbar machens, ins Reich der Sichtbarkeit-Hebens von Werten. Welcher Art diese Werte sind, das zu erörtern würde weit ins Gebiet, der Ästhetik führen, einer philosophischen Disziplin, die bis her zu sehr wenig befriedigenden Antworten vorgedrungen ist. Sich an dieser Frage zu ver suchen, ist nicht nur eine lockende und lohnende, sondern auch eine dringende und notwendige Aufgabe. Dr. Günter Rombold (München) Da Kunstwerke etwas vom Menschen Geschaf fenes sind, haben sie auch einen finanziellen „Wert". Man spricht — in doch wohl entwür digender Weise — von einem „Kunstmarkt", was in einer Zeit, die in noch viel weniger pas sender Weise, von einem „Arbeitsmarkt" spricht, nicht verwunderlich ist. Wie Kunstwerke auf dem „Kunstmarkt" „be wertet" .werden, das läßt darauf schließen, wie die Menschen einer Zeit zur Kunst stehen, was sie von ihr erwarten und in ihr suchen. Es sind bekannte Tatsachen, daß Rembrandt in der Zeit 11

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