Christliche Kunstblätter, 93. Jg., 1955, Heft 3

tums, bedeutet Ablehnung eines l'art pour l'art-Prinzips, das der Kunst den symbolischen Rang nimmt, sie von den Wurzeln des Seins und der ontischen Wahrheit abschneidet und oft jeglichen geistigen Inhalts beraubt. Der christliche Künstler ist Interpret der Schöpfung und des Heilsweges. Nicht Zauberer oder Pro metheus. Nicht magische Chiffre, die die Gott heit bannt, ist das Kultbild, sondern demütiges Gefäß einer überragenden Wirklichkeit, die in Gnaden gegeben wird. „Geistliche" Qualität heißt endlich der Tatsache Rechnung tragen, daß Christus verklärt zur Rechten der Herr lichkeit Gottes sitzt und daß im Kult ein unblu tiges, „geistiges" Opfer gefeiert wird, dessen Zentrum der Leib der Auferstehung findet. Ver zerrte Expressionismen, realistische Übertrei bungen können sich niemals zur geistigen Wirk lichkeit aufsteigern. Eine Kunst der totalen „Kenose" wird der Tatsache, daß Christus herrscht, nicht gerecht. Das Kultbild wird „objektiv" orientiert sein. Nicht nur persönliche Konfessionen sind zu ver künden, sondern der Glaube der Kirche ist in ihm zu verkünden. Es dient einer Kultgemeinde und nicht nur dem einzelnen; es will sein Maß vom Wahren, von den Realitäten des Gottes dienstes, vom Wort der Schrift her beziehen. Es kann „abstrakt" sein, wo es nichts als Gestimmtheit zum Ausdruck bringen will (etwa im Glasfenster), es muß, auch thematisch, In halte zeigen, wenn es verkündliche Fixierun gen des Glaubens vornehmen will, der auf „Zeichen und Wunder", auf geschichtlichen Fak ten und auf dem „Geist und die Kraft" des hi storischen Wortes gegründet wird. Freilich be darf es der ganzen Subjektivität, der ganzen Extase des Künstlers, um dem Gegenstand des Glaubens auch nur entfernt gerecht werden zu können. Gemeinde- und kirchenfähig wird die ses Bild sein, das aus der Tiefe des Glaubens schöpft und Christlichem adäquaten, vehemen ten Ausdruck zu verleihen mag. Nicht die Ba nalität und Konvention der Formen schafft das allgemeine Verständnis, sondern die uner schöpfliche, geistige Substanz, die auf die Dauer und mit geistlicher Anstrengung gehoben wer den kann. Die Bilder werden vergehen wie der Kult vergeht, die vermittelnden Zeichen werden ihre Funktion erfüllt haben, wenn Gottes Bild, das Antlitz des Menschensohnes auf der Wolke des Himmels erscheint; dann, wenn der Sohn, das Wort, das Bild unseres Gottes seinem Vater das Reich übergeben wird, wird „Gott alles in allem" sein. Ursprung und Wesen des christlichen Kultbaues Gerhart Egger (Wien) Es gibt Momente in der Geschichte, die rich tunggebend sein können für eine lange Zeit. So ein historischer Moment ist für uns der Ab schnitt des frühen Christentums, der nicht bloß eine Periode von vielen ist, sondern für uns immer wieder der Mutterbodeh christlichen Lebens und christlichen Formens. Wenn für das Christentum es überhaupt nichts Relatives in seiner Geschichte geben kann, so gilt das ganz besonders für den Kult und die Liturgie und damit wohl auch für den Raum, in dem sich der Gottesdienst abgespielt hat. Als Kaiser Konstan tin im Jahre 312 unter dem Zeichen des Chri stentums Rom und die Herrschaft im römischen Reich eroberte und im Jahre 313 durch das Mailänder Edikt dieser Religion volle Freiheit verschaffte, begann er auch in die Organisation der neuen Kirche persönlich einzugreifen. Für die christliche Kunst, vor allem die Architektur, ist entscheidend, daß der Kaiser unmittelbar nach diesen Ereignissen zwei monumentale Großbauten als Gottesdiensträume in Rom er richten ließ, die in ihrer Anlage neuartig und durch ihre Anlage richtunggebend für den gan zen folgenden christlichen Sakralbau waren. Diese beiden Bauten sind die von 313 bis 320 errichtete Lateran-Kirche und die 325 fertig gestellte Peterskirche. Wenn diese beiden Bau ten auch in ihrem ursprünglichen Zustand nicht mehr erhalten sind, so lassen sie sich doch in ihrer Anlage voll rekonstruieren und zeigen, um welchen Raumkomplex es sich bei ihnen gehandelt hat. Ihr Hauptgebäude besteht aus drei Abschnitten: einer fünfschiffigen basilikalen 94

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