Christliche Kunstblätter, 93. Jg., 1955, Heft 3

Trotzdem standen auf der Bundeslade (Zen trum des Kultes!) Figuren von Cheruben, zwi schen denen die Herrlichkeit Jahwes thronte, der Tempel zeigte einen Dekor von Gestirnen, und eherne Rinder trugen ein riesiges Becken. Das Bildverbot des Gesetzes war eben kein absolutes und prinzipielles. Es bedeutete keine spiritualistische Neigung und kein Monopol einer bloßen Wortreligion ohne „Sakrament" (s. Protestantismus); es hat prophetisches Pathos gegen Mythologisierung und Idolisierung der Religion. Bedenkenlos spricht die Schrift ja vom „Bild" - Charakter des Menschen und Jahwe selbst erscheint den Menschen in der Gestalt dreier Männer. Neuplatonische Philosophenreli gion pantheisierender Färbung könnte sich nie auf Israels Kultbrauch berufen. Jede Form von Gnosis zerschellt an der „Fleischlichkeit" des alttestamentlichen Kultes und seiner „sakra mentalen" Struktur. Bildlosigkeit ist nicht Kunstlosigkeit. Israels Kult kennt nicht nur Dichtung und Musik, sondern sichtbare Riten von großem Umfang und drastischer Sinnenfäl ligkeit, er kennt die Architektur (Raum und Mutter so vieler Künste), präzise Bestimmun gen über die Kleidung der Kultträger und de taillierte kunstgewerbliche Anweisungen. Das Körperhaft-Symbolische hat also durchaus sei nen Ort und seinen Valor, seine religiös-juri stische und seine sakramental - mystische Be deutung in Israels Kultbezirk. Freilich: als Jesus, 12jährig, zum erstenmal den Tempel als das Haus seines Vaters betrat, geschah in der „Bildlichkeit" des atl. Kultes eine tiefgreifende Wandlung. Die Welt der Schatten und Zeichen schwand und machte dem „Körper" und der Realität des Geistes Platz. Als das „Bild des unsichtbaren Gottes" (Kol. 1, 15), der Sohn, den Tempel betrat, wird ein „fleischlicher Kult", da die Gnade nicht wirken konnte, von einem „geistlichen" abge löst, der aber einer neuen Bildlichkeit Ur sprung und Bedeutung schenkte. Im Sakra ment wird das Bildzeichen effektiv. Im sa kramentalen Kult ist keine Hemmung gegen über Bildlichkeit, weil das „Ursakrament" der Kirche, Jesus selbst, „Ikone des unsichtbaren Gottes" ist, und „Abprägung seines Wesens" (Hebr. 1, 3). Er ist es, der „Menschensohn", nach dem der Mensch zum Abbild Gottes gebildet wurde. Er kann von sich zu Philippus rügend sagen: „Der mich sieht, sieht den Vater" (Jo. 14, 9). Er, der „Abglanz seiner Herrlichkeit" (Hebr. 1, 3) ist der (der einzige), der das „Gottgleich-sein" (Phil. 2, 6) nicht „als einen Raub ansehen" mußte, war er doch, bevor er die Sklavengestalt angenommen hatte, „in Gottes gestalt" (Phil. 2, 6). Deshalb ist er, auch noch in seiner „Kenose" der „Herr der Herrlichkeit". Zugleich mit der Gottesgleichheit („Ich und der Vater sind eines") ist er der „zweite Mensch" und der „letzte Adam", der „himmlische Mensch" und der „Ergezeugte vor jeder Krea tur" (denn „in ihm ist alles erschaffen wor den im Himmel und auf der Erde"). „Das Wort ist Fleisch geworden" (s. Stammbaum bei Mt. und Lk.) und „wir haben seine Herrlichkeit ge sehen, voll der Gnade und Wahrheit". Dem Menschen und der Menschlichkeit Jesu kommt Heilsfunktion zu, der Ausdruck Mensch bedeu tet im Munde des Paulus nicht nur den gefal lenen entarteten Menschen („Menschen seid ihr!"), sondern Jesus als Messias und Heiland (R. 5, 15, I. Ko. 15, 21, 47, Hb. 2, 6, Ps. 8, 1. Tim. 8, 5). * Wenn das „Bild Gottes" uns erschienen ist, sich im Glauben uns als schlechthiniges Objekt des Kultes darbietet, wenn der Kult Repräsen tation seiner Heilsperson und seines Heilswer kes bedeutet, dann liegt es nahe, daß Kultbild und Jesusbild zunächst zusammenfallen. Ist doch auch Christus „unser Gott", den Thomas mit dem Ausruf „mein Herr und mein Gott" kniefällig begrüßt. Schon seit den Tagen Trajans ist es bezeugt, daß die „Christianer" ihren Christus „quasi Deo" Hymnen singen. Gewiß bedingt der Kult, nicht das Bild, die Repräsen tation Christi und seiner Heilstat, was nicht hindert, daß neben der Kultanamnese (Unde et memores . . .) das Bild repräsentativen und anamnetischen Charakter erhält. Das Kultbild dient nicht primär der Weckung von Andacht und Erlebnis, es hat nicht zuerst meditative Funktion. Wie das Sakrament, ist es in genere signi (freilich nach dem Zeichen das ex opere operato causae effektiv wird). Es verweist zu rück auf den historischen Menschen Jesus und seine geschichtlich genau fixierte Heilstat unter Tiberius und Pontius Pilatus, es weist nach vorne in die eschatologische Situation, auf den Augenblick seines vollen „Daseins", seine Parousia hin und deutet auf die heiligen Altäre, auf denen sich, zwischen Historie und Ewigkeit, die spirituelle Wirklichkeit seiner Präsenz und Heilswirkung vollzieht. Allerdings ist das Christusbild keine vera icon im historisierenden Sinn. Die göttliche Fü gung hat es gewollt, daß uns kein Porträt des Gottes im Fleische überliefert wurde und sein Bild steht uns literarisch in den Evangelien zur Verfügung im Medium des Wortes. Wir ken nen nun Christus (wie Paulus sagt), „nicht mehr dem Fleische nach". Der Jude Jesus (salus ex 92

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