Christliche Kunstblätter, 93. Jg., 1955, Heft 3

Wollen wir nun sehen, welche übernatürliche Welt der natürlichen Bestimmung des Menschen Maße setzt. Für uns ist dies die Kirche, als wir Christen sind. Wenn nun die Kirche den Künst ler beauftragt, so kann sie in keinem Falle seiner Kunst ein Maß geben, denn sie, wir wiederholen es, ist in ihrem Umfange das Na turrecht des Künstlers. Sie kann sich seiner Kunst bedienen. Hier wollen wir gar nicht auf das eingehen, was von Klerikern nicht alles dem Künstler zuge mutet wird. Aber doch wollen wir behaupten: Damit ein Kunstwerk dem geweihten Orte ent sprechend würdig sei, muß auch der Kleriker bereit sein, von der Kunst zunächst ihre eigene innere Würde zu verlangen. Es ist unbillig, ein Werk zu verlangen, das so vollkommen zu sein hätte, al^, habe es der liebe Gott selber gemacht. Es muß vielmehr im würdigsten Sinne ein mög lichst vollkommenes menschliches Werk sein. Das heißt aber auch, daß der Geistliche als Auf traggeber sehr daran interessiert sein sollte. Und zu diesem Zweck sollte er den Künstler, theologisch beraten. Er sollte dem Künstler dienen, damit dieser sein Werk zur reineren Ehre Gottes füllen kann. Ein Werk für eine Kirche machen, setzt für den Künstler immer voraus, daß er seine natürliche Begabung bin det. Und das geschieht — je größer diese natür liche Begabung, je umfangreicher sie ist im Sinne der Kunst — fast immer auf die Gefahr hin, daß der Künstler in Zweifel gerät: ich meine nicht den Zweifel ob er würdig sei zu solchem Werk. Ich meine den Zweifel, ob er nicht gegen seine Natur handle, wenn er sie, die frei-gestellte, in den Dienst, sogar der Kirche stellt. Ich habe kaum jemals einen Geistlichen angetroffen, der diese im tiefsten Sinne auf richtigen Zweifel verstanden hätte. Aber wir haben Beispiele in erschreckender Zahl, wonach Künstler, die nichts anderes als sakrale Themen behandelten, im Ablauf ihres Lebens immer dünnere und schwächere Werke hervorbringen. Auch das sollte den Geistlichen zu denken geben. Aber leider ist es oft so, daß, je dünnblütiger ein Werk ist, es für desto frömmer gehalten wird. Es gibt kaum irgendwo anders Ansammlungen von Bildern, die als Kunst so entartet sind, als in den Kirchen der letzten Generationen. Wie stehen solche Werke zu dem Gebot: „Du sollst Gott lieben aus deinem gan zen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deinem ganzen Gemüte und aus deiner Kraft." In diesem Punkte, meine ich, sollten Kleriker und Künstler ihren nachbarlichsten, gemeinsamsten Ort haben! Sie sollten sich bei jedem Auftrag, den sie miteinander planen, diesen Satz gegenseitig fordernd sagen, damit sie zu Beginn ihrer gemeinsamen Arbeit alle Ressentiments zum Teufel schicken, woher sie nämlich kommen. Der Künstler darf sein Talent so lieben wie der Priester seine Salbung. Wir haben vorhin gesagt, daß Kunst das natürliche Verhalten ist von Wahrnehmen und Aussagen, von Hinhören und Sprechen, von Fühlen und Kundgeben. Mir scheint, daß bei der Gestaltung eines Werkes christlicher Prägung es wichtig ist, daß Kleriker und Künstler dieses erkennen: denn bei dem Aussagen christlicher Gehalte bedarf der Künstlers des Wahrnehmens. Dies sollte ihm der Geistliche vermitteln. Der Künstler soll hinhören, bevor er spricht, und fühlen bevor er kundgibt. Wenn hier die Rollen nicht mehr vertauscht werden, wird das Vertrauen hergestellt sein, ohne das Menschen nicht miteinander ein Ge meinsames schaffen können. Für die christliche Kunst ist es ebenso wichtig, daß der Künstler zu hören vermag, wie es wichtig ist, daß der Geistliche sehen kann. Hören betrifft hier nicht die einzelne Vokabel und sehen meint nicht die Wahrnehmung eines gegenständlichen Dinges. Wir dürfen vertrauen, daß den Menschen ge meinsam die Gabe der Einsicht ist. Danach wäre es dann so, daß das Bemühen des Künst lers sich — im Falle der christlichen Kunst — nicht alleine im Vervollkommnen seiner künst lerischen Gabe erfüllen soll. Er muß offen sein für die Gestalt des Wortes. Gerade diese Gestalt soll er ja schaffen. Er soll dem Wort die Fülle der Sinne geben. Er soll, umgekehrt wie Adam, der die Gestalten der Schöpfung wortbar machte indem er ihnen Namen gab, dem Worte Gestalt verleihen, indem er dem Worte den Sinn, das Sinnbare zufügt. Die Kunst, die immer im Verhalten der Meditation bleibt, soll als christliche Kunst aus der Meditation des christ lichen Gehaltes kommen. Dieser christliche Ge halt nun ist geoffenbartes Geheimnis. Das muß aber auch besagen, daß das Geheimnis den Rahmen dessen was geoffenbart ist, nicht über tritt. Hier ist der Punkt, wo viele Kleriker von der Kunst verlangen, daß sie noch mehr sei als Predigt, so als ob ein Kunstwerk geradezu eine Entschleierungsweise des Göttlichen zu sein hätte. Ein Bild kann im besten Falle nur Innesein vermitteln. Etwas anderes ist nicht in seiner Funktion. Ein Beispiel für eine Weise des Inneseins ist ja der Künstler selber. Er ist sei ner Begabung inne, und obwohl er sie nie erklären kann, entspricht sie immer noch erst seiner Natur. So ist auch das Bild i n der An schauung. Auch das, was in ihm ist, ist niemals erklärbar. Ein Bild hat nicht den Charakter: 117

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