Christliche Kunstblätter, 93. Jg., 1955, Heft 3

— wo sie doch nur dafür leben, das Vergäng liche beständig zu machen — ist schwer genug, und keiner, sei er noch so erfolgreich, darf sicher sein, daß sein Werk Dauer hätte. Die Arbeit der Künstler ist wie das Steinerollen des Sisyphos. Daß dies Sinn habe, ist das geringste in ihrem Bewußtsein. Daß es aber den Ort fände, an dem es auch sinnvoll in der Ordnung stehe, indem es seinen Zweck stellvertretend erfüllt als die Gott gebührende Rückerstattung dessen was den Mensch an der Schöpferkraft Gottes teilnehmen läßt, ist wirkliche Not. Und so werden die meisten hergekommen sein mit der tiefsten Frage; ob das, was sie tun und wie sie es tun, eingehen kann in die Liturgie, in das Lob Gottes. Und wieviele Mißverständnisse stehen sich da entgegen. Ein Wunder ist es da beinahe, daß trotzdem immer wieder herrliche Werke ent stehen. Und damit könnten wir Künstler uns ja dann begnügen. Wir könnten von den Künst lern also geradezu fordern, daß sie ihre Herzen noch weiter machen, darin wir alles, was an Gegensätzen dasteht, mit unserer Arbeit ver wandeln. Zumal wir ja auch unsere eigene menschliche Befangenheit haben, sicher oft in der mangelnden Bereitschaft die Schwierigkei ten zu erkennen, die wir unseren Mitmenschen bereiten. Das wäre, so schien mir dann aber, einer listigen Versuchung erliegen, eben jene Politik der splendid isolation weiterzutreiben, indem wir unbeantwortet hinnähmen, was zum Schick sal des Künstlers nun einmal gehört. So muß ich also zuerst erläutern, warum dieses Ein stecken, dieses Hinnehmen gerade unserer Situation nicht entsprechend ist; warum also wir verpflichtet wären. Rede und Antwort zu stehen. Natürlich werden wir, wenn es sich um unsere persönliche, private Arbeit handelt, die wir nur aus unmittelbarer Reagenz auf das Dasein selbst betreiben, uns wenig oder gar nicht beklagen, wenn man dieser Arbeit mit Reserve begegnet. Sie ist immer in sich selbst sinnvoll und sie bedarf ihrer Zeit um zu wirken, wenn ihr dies überhaupt bestimmt sein darf. Indessen aber ist die Kritik, die man aus vorherbestimmter Haltung oder Absicht an der Arbeit des Künstlers übt, ernster zu nehmen. Denn hier wird nicht Gewöhnung des Sehens an die Art und Weise eines Werkes früher oder später Gerechtigkeit üben. Wo im Namen einer Weltanschauung eine Art und Weise zu sein abgelehnt wird, üben die Gegner des Befein deten selten Toleranz. Wir kennen dieses Ver halten aus jüngst vergangenen Jahren. Damals war es ein Bestreben im Namen einer politi schen Gleichschaltung. Der Zweck war eindeutig gesetzt. Und gegen diesen Zweck konnte sich der Mensch im Namen des Naturrechtes ver wahren. Die Methoden und Inhalte waren ein fach widernatürlich, denn es ist das Naturrecht des Künstlers, seinen Visionen zu trauen. Ganz anders nun verhält sich, was in unserem Thema als das Gegensätzliche zwischen Künstlern und Klerikern angegeben ist. Der Kleriker ist von Natur aus Mensch. Wie der Künstler. Aber sein Amt ist Sakrament und übernatürlich. Während die Kunst nicht aus dem übernatürlichen Bereich des Menschen kommt. Vielmehr ist sie die Be stätigung alles dessen, was dem Menschen und nur ihm zugehörig, als seine spezifische Natur gegeben ist. Es gibt kein Talent, keine denkbare natürliche Begabung, die menschlicher wäre als die der Kunst. In ihrem Bereich ist der Mensch naturhaft angesiedelt. In ihr erfüllt sich Wahr nehmung als Aussage, Hinhören als Gespräch, Fühlen als Kundgeben. Sie ist Kundmachung alles dessen was menschlich ist. Die Kunst ist also keine Offenbarung im Sinne des Christ lichen. Sie ist, in ihrem Bereich, nicht Liturgie. Sie ist die freieste Betätigung der menschlichen Natur in dem Maße, als der Mensch frei ist. Sie bemerken, worauf wir hinauskommen: Wenn aber, so ist zu fragen, die Bestimmung des Menschen seine ewige Seligkeit ist, hat dann nicht die Kunst, wie der Mensch selber, sich unterzuordnen? Gehört es dann nicht zum Amte des Gesalbten, der Priester ist, auf sie zu achten, sie zu führen, sie zu begrenzen? In diesem Punkte sind, glaube ich, in der Tat alle Mißverständnisse begründet. Haben wir also festgestellt, daß die Kunst zur Natur des Menschen gehört, so steht nun ihr Anspruch gegen den des Priesters, sagen wir besser: der Kirche, deren Amt ein Hirtenamt ist. Von ihr aus gesehen könnte also die Natur, die Kunst des Menschen, fragwürdig scheinen. Denn diese Natur ist ja nicht mehr die reine, intakte, paradiesisch gewollte. Sie ist getrübt und betrübt. Noch verwickelter wird also die Kunst in dieser Situation des Menschlichen. Aber der Künstler muß auch in dieser Situation auf sei nem Naturrecht bestehen; nämlich so zu pro duzieren, wie es in ihm angelegt ist. Täte er es nicht, so würde er sein Sein als Künstler auf geben. In diesem Zusammenhang wird nun aber evident, daß die Kunst in jedem Falle im Recht ist, wenn sie im natürlichen Verhalten, d. h. sich selbst gegenüber wahrhaftig ist. Sie bleibt im Bereich des Sinnlichen, wenn sie sich selbst gegenüber aufrichtig ist. Aber der Priester, wenn er als Priester gegen sein Amt aufrichtig ist, geht über das Sinnliche seiner menschlichen Natur hinaus. Er steht 115

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